M&A als Mittel zum Turnaround in der Corona-Krise
Wirtschaftliche Aspekte für Verkäufer und Investoren
In Corona-Zeiten verschlechtern sich die Finanzierungskennzahlen wie Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad bei vielen Unternehmen. Die Bundesbank rechnet 2021 demzufolge mit höheren Kreditausfällen und Insolvenzen. Mergers & Acquisitions (M&A) können in dieser Situation ein Weg sein, den Turnaround zu schaffen. Im Folgenden geht es um die wirtschaftlichen Aspekte von M&A, in der nächsten Ausgabe um die rechtlichen Rahmenbedingungen.
I. Aktuelle gesetzliche Entwicklungen und Prognosen
Das Impftempo wird die Pandemie-Entwicklung und den Konjunkturverlauf 2021 bestimmen. Mehrheitsmeinung scheint zu sein, dass in diesem Sommer die Impfungen zu einer nachhaltigen Eindämmung der Pandemie führen werden. Daraus wird abgeleitet, dass die Konjunktur ab dem zweiten Quartal 2021 an Fahrt aufnehmen wird. Nach einem Rückgang von 5,4 % im Jahr 2020 wird erst für 2023 damit gerechnet, dass das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird.
Es wird deutlich, dass die Corona-Krise den Strukturwandel beschleunigt hat: Neue Technologien verdrängen Strukturen, die nicht mehr zukunftsfähig sind – schneller als ohne die Krisensituation. In den Medien wird über das „Pleitenjahr 2021“ spekuliert – trotz Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldungen bis .
Jedoch: Am trat das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) in Kraft. Erstmals gibt es damit in Deutschland einen rechtlichen Rahmen für vorinsolvenzliche Sanierungsvorhaben. Kriselnde Unter-nehmen haben die Möglichkeit, selbst mit ihren Gläubigern zu verhandeln und sich auf Grundlage eines Restrukturierungsplans zu sanieren. Die Besonderheit dabei: Stimmt die Mehrheit dem Plan zu, gilt er für alle Beteiligten!
Daneben steht es grundsätzlich dem Schuldner offen, welche gerichtlichen Verfahrenshilfen er in Anspruch nimmt. Der große Vorteil des neuen Restrukturierungsrahmens liegt in der Einführung des schon aus dem Insolvenzplanverfahren bekannten Mehrheitsprinzips in der Vorinsolvenzphase:
Sanierungsvorhaben können nun nicht mehr am Widerstand einzelner Gläubiger scheitern.
Es muss auch keine förmliche Insolvenz durchgeführt werden.
Zudem ermöglicht der Charakter der Verfahrenshilfen eine flexible Anpassung des Sanierungsvorhabens an die Bedürfnisse des Schuldners.
Es wird allgemein erwartet, dass Deutschland als Restrukturierungsstandort in Zukunft beliebter wird und ein Ausweichen in andere Rechtsordnungen abnimmt. Ob das komplexe und beratungsintensive Verfahren allerdings für kleine und mittlere Unternehmen große Vorteile liefert, bleibt abzuwarten.
Rennar, Effizientere Sanierungsoptionen durch Reformierung des Insolvenz- und Sanierungsrechts – Notwendige wettbewerbsfähige Modernisierung oder parlamentarische Überlast durch das sog. SanInsFoG?, NWB-BB 12/2020 S. 368, NWB YAAAH-63966
Schon bei der Einführung des ESUG-Verfahrens gab es Probleme mit der Praktikabilität. Nach einer Studie der Rechtsanwälte Buchalik Brömmekamp sahen 64 % der Befragten das fehlende Know-how der Unternehmensleitung als das Hauptproblem.
Dass mittelständische Unternehmen, die sich in schwierigem Fahrwasser befinden, interessante Targets für Investoren sind, hat sich jedoch auch beim ESUG-Verfahren erwiesen. Das wird auch beim neuen Sanierungs- und Insolvenzrecht der Fall sein.
II. M&A als Langfristlösung
Die teilweise Entschuldung von Unternehmen im Rahmen von Turnaround-Verfahren ist häufig keine Langfristlösung. Unternehmenssanierungen sind nicht selten deshalb von Beginn an zum Scheitern verurteilt, weil dem bisherigen Management entweder die notwendige Kompetenz oder der erforderliche Umsetzungswille für die einschneidenden Sanierungsmaßnahmen fehlt.S. 107
Die Veränderung oder Ergänzung des Managements kann erforderlich werden, um den Bestand des Unternehmens zu sichern. Die Aufnahme eines Mitgesellschafters, der über diese Fähigkeiten verfügt, kann deshalb hilfreicher sein als die ausschließliche Bereitstellung finanzieller Mittel. Das trifft insbesondere dann zu, wenn eine Wachstumsstrategie für die Unternehmenssanierung sinnvoll erscheint. Unter Umständen ist das Unternehmen zu klein, um mittelfristig erfolgreich wirtschaften zu können – die „kritische Unternehmensgröße“ wird häufig nicht erreicht.
Das Unternehmenswachstum muss finanziert werden (Aufbau von Warenlager, Debitoren, Vertriebsstrukturen, Entwicklung ausländischer Märkte, Ausbau der Produktionskapazitäten etc.). In dieser Phase die finanzierenden Kreditinstitute zu einer Ausweitung ihres Risikos zu bewegen, ist jedoch schwierig. In derartigen Situationen sind die Entschuldung und die Zuführung liquider Mittel häufig nur von temporärer Wirkung. Langfristlösungen erfordern mehr – beispielsweise einen Investor, der über das notwendige Know-how und ggf. das Netzwerk verfügt, durch welches Unternehmen weiterentwickelt werden können.
Vergleichbares gilt für Unternehmen, deren Turnaround-Chancen in der Weiter- und Neuentwicklung von technologieorientierten Produkten oder Dienstleistungen liegt. Dies verursacht i. d. R. hohe Vorlaufkosten bei relativ hohem Umsetzungsrisiko. Auch in derartigen Situationen zeigen sich Kreditinstitute gegenüber einer Ausweitung der Unternehmensfinanzierung zurückhaltend.
Aprath, Distressed M&A – eine Alternative in einem veränderten Umfeld!? – Checklisten für eine schnelle Eignungsüberprüfung, , NWB NAAAH-10367
III. Verkauf aus Sicht des Familienunternehmers
Die Gesellschafter von Unternehmen in der Krise sträuben sich häufig, Unternehmen gerade in einer Krisensituation zu veräußern bzw. einen Mitgesellschafter aufzunehmen. Die Begründungen dafür liegen auf der Hand:
Zerschlagung des Lebenswerkes,
zu geringer Verkaufspreis,
Einschränkung von Kompetenzen durch Abgabe an neue Partner und
ggf. Entbindung von den derzeitigen unternehmerischen Aufgaben.
Gelegentlich bedarf es mit den Gesellschaftern von Unternehmen langer Gespräche über die Reduzierung persönlicher Haftungen und Risiken und auch die psychische Entlastung.
Viele mittelständische Unternehmer haften über Bürgschaften für Unternehmenskredite. Häufig sind persönliche Vermögenswerte, wie z. B. Immobilien, zur Absicherung betrieblicher Kredite belastet. Gelingt es im Rahmen des Restrukturierungskonzepts, die persönlichen Haftungen zu bereinigen, und verbleibt für die Altersversorgung der Familie noch eine angemessene Größenordnung, kann das ein Motiv sein, einem Verkauf oder der Aufnahme eines Mitgesellschafters zuzustimmen.
Ganz entscheidende Motive sind jedoch bei vielen Familienunternehmern
die Wahrung der persönlichen Reputation,
die Erhaltung von Arbeitsplätzen,
die Sicherung des Standortes und nicht zuletzt
die Weiterführung des Firmennamens.
IV. Motive und Arten von Investoren
1. Spezialisierte Investoren
Einige marktbedeutende Investoren beteiligen sich gern an mittelständischen Unternehmen in Umbruchsituationen. Durch die Aufdeckung von Potenzialen und Stärkung der Profitabilität steigern diese Investoren nachhaltig den Erfolg von Unternehmen.
Häufig haben sich diese Investoren auf bestimmte Branchen spezialisiert, in denen sie über besonders viel Know-how verfügen. Diese Unternehmen konzentrieren sich zum Teil auch darauf, beispielsweise das Thema Digitalisierung voranzutreiben. Sie verfügen über Spezialwissen und schaffen es immer wieder, mittelständische Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Eine weitere Fähigkeit ist, neben der Umstrukturierung, das Unternehmenswachstum zu forcieren.
Einige dieser Investoren haben jedoch ein Ziel, welches es mittelständischen Unternehmen schwer macht, ihre Unternehmen an diese Adressen zu verkaufen: Nach erfolgreicher Umstrukturierung und Schaffung zukunftsfähiger Strukturen werden die Unternehmen verkauft. Sind die Potenziale aufgedeckt und die Profitabilität erhöht, kann ein attraktiver Verkaufspreis erreicht werden. Die Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis und dem Kapitaleinsatz während der Umstrukturierungsphase und dem Verkaufspreis ist der Ertrag dieser Investoren.
M. Niggemann/Simmert, Unternehmensnachfolge: Wie Ihre Mandanten die „Braut schmücken“ – Sorgfältige Vorbereitung entscheidend für Verkaufserfolg, , NWB KAAAF-84273
Ein Verkauf an derartige Adressen setzt i. d. R. voraus, dass die mittelständischen Unternehmer eine Weiterveräußerung des Unternehmens nach drei bis fünf Jahren akzeptieren. Dadurch ist ggf. die angestrebte Unternehmenskontinuität gefährdet.
Es gibt aber durchaus auch Unternehmerfamilien, die anlässlich einer solchen Situation keine Probleme mit einer späteren Weiterveräußerung haben – und ggf. durch eine Rückbeteiligung am Ergebnis noch beteiligt werden können. Turnaround- und Optimierungsprogramme werden mit der Zielsetzung umgesetzt, den Unternehmenswert mit Unterstützung des Altgesellschafters zu steigern.S. 108
Auswahl des Finanzinvestors und Due Diligence (Checklisten), NWB QAAAC-37880
2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Gewinner eines erfolgreichen Gesellschafterwechsels in diesen Situationen sind fast immer die Unternehmen. Diese erreichen durch einen neuen Gesellschafter Vertrauensgewinne bei Kunden, Lieferanten, Kreditversicherern und Banken. Auch durch ein neues Management können die Unternehmenserfolge häufig verbessert werden. Durch neue Partner sind Synergieeffekte im Vertrieb, in der Produktion und häufig auch im Bereich Forschung und Entwicklung erreichbar. Durch die Restrukturierung und die Partnerschaft entwickelt sich ein leistungsfähiger Geschäftspartner, mit dem zukünftig mehr Geschäftsmöglichkeiten abgewickelt werden können.
Auch für die Hausbanken kann ein Gesellschafterwechsel von großem Vorteil sein. Diese können sich darauf einstellen, dass der zukünftige Gesellschafter von den Gläubigern zum Teil Beiträge erwarten wird. Lieferanten werden diese Beiträge zwangsläufig über die zukünftige Konditionsgestaltung leisten. Bei den kreditgebenden Banken werden sich allein über das bessere Rating des Unternehmens günstigere Konditionen ergeben. Leistungsverbesserungen und Kostensenkung können das Ergebnis von Unternehmensakquisitionen sein ? auch wenn die erworbenen Unternehmen in der Krise waren.
Im Vordergrund der Investorenüberlegungen stehen jedoch andere Aspekte. Sehr häufig sind Vertriebssynergien und Produkte entscheidende Aspekte. Dadurch sollen Wettbewerbsvorteile, auch über Marken, erreicht werden. Durch veränderte Marktanteile ergeben sich Möglichkeiten der Ergebnisverbesserungen.
Marken, Produkte, Produktion und Standorte können je nach individuellen Gegebenheiten interessante Käufermotive sein.
Dass die Käufer von Turnaround-Unternehmen natürlich den Abfluss von Liquidität und ggf. Management-Kapazität sowie die Übernahme von Risiken sehen, versteht sich von selbst. Häufig haben jedoch die vielen Chancen zu erheblichem Erfolg geführt.
3. Situationsbedingte Investitionen
Stehen in Krisensituationen Investoren ohne strategische Vorteile für eine Unternehmensbeteiligung oder für einen Kauf zur Verfügung? Wollen Investoren nicht plausibel nachvollziehen können, dass Unternehmen in der Lage sind, nachhaltig positive Ergebnisse zu erwirtschaften? Eine „Erfolgsstory“ mit positiven Ergebnissen während der letzten fünf Jahre ist häufig eine gute Grundlage für Investorenentscheidungen.
Es gibt jedoch auch erfolgreiche Investoren ohne spezifische Wettbewerbsvorteile durch die Akquisition, die sich bei Unternehmen engagieren, die sich in einem Veränderungsprozess befinden und das Potenzial haben, von dem Wertschöpfungsansatz zu profitieren. Diese Investoren konzentrieren sich häufig nicht auf eine spezifische Branche, sondern entscheiden situationsbedingt. Geeignete Beteiligungsanlässe sind Unternehmen in Märkten mit Konsolidierungspotenzial oder mit wirtschaftlichem Verbesserungspotenzial. Gesunde Marktfaktoren, starke Marktpositionen, wiederkehrende Umsätze (nicht projektbezogene Umsätze) und Potenziale zur Performance-Steigerung sind wichtige Investitionskriterien.
Hinsichtlich der Ertragskraft engagieren sich diese Investoren auch in Turnaround-Situationen bei Unternehmen mit einem EBITDA zwischen 0 € bis beispielsweise 25 Mio. €. Auch Unternehmen in Verlustsituationen können von Interesse sein. Die Philosophie dieser Investoren ist, dass sie mit ihrem Know-how und ihrem Netzwerk in der Lage sind, die Ergebnissituation zu verbessern und dadurch den Unternehmenswert zu steigern.
V. Faktor Zeit und die Gefahr einer Kettenreaktion
Auch für Unternehmen in Krisensituationen gibt es i. d. R. Käufer mit überzeugenden Motiven für ein unternehmerisches Engagement. In Krisensituationen kommt dem Faktor Zeit häufig entscheidende Bedeutung zu. Ein langanhaltender Verkaufsprozess beinhaltet das Risiko, dass Gerüchte über die Situation des Unternehmens oder zum anstehenden Verkauf in den Markt gelangen:
Mitarbeiter werden verunsichert und orientieren sich möglicherweise neu. Das trifft besonders für die „guten“ Mitarbeiter zu, die auch jeder potenzielle Käufer gern im Unternehmen halten möchte.
Die Führungskräfte sind hinsichtlich ihrer zukünftigen Aufgaben nach Eintritt eines Käufers oder Mitgesellschafters verunsichert, da sie nicht wissen, ob ein potenzieller strategischer Käufer möglicherweise Funktionen zusammenlegt und diese Funktionen beim erworbenen Unternehmen entfallen.
Auch die Wettbewerber nutzen Verkaufsgerüchte gelegentlich als „Akquise-Mittel“, da über die Verunsicherung von Kunden des Turnaround-Unternehmens das eigene Geschäft gefördert werden soll.
Kreditversicherer neigen zur Reduzierung oder gar zur Kündigung der Kreditlinien, wenn Gerüchte im Markt kursieren.
Im Rahmen des Turnaround-Prozesses kann es somit zu einer Kettenreaktion von sinkendem Vertrauen, Verlust von Mitarbeitern und Kunden und somit zu fallenden Umsätzen und gekündigten Kreditlinien kommen.
Ein unprofessioneller Verlauf der Marktansprache kann zu der Notwendigkeit führen, dass das, was verhindert werden soll, unvermeidbar wird: die Insolvenz.
Die Identifizierung von potenziellen Investoren und die vertrauliche Kontaktaufnahme ist eine Aufgabe, bei deren Erfüllung sich „Fingerspitzengefühl“ und Erfahrung in der Praxis als hilfreich erwiesen haben.S. 109
VI. Diese Investoren kommen infrage
1. Lieferanten und Kunden
Grundsätzlich erscheinen Lieferanten und Kunden als potenzielle Kaufinteressenten geeignet zu sein. Denn viele Unternehmen streben Vorwärts- oder Rückwärtsstrategien zur Marktsicherung an.
Allerdings werden die Lieferanten bedenken, dass es sich um ein Risikoinvestment handelt. Denn: Durch den Erwerb wird sich häufig die Situation ergeben, dass das Unternehmen zum Wettbewerber bisheriger Kunden wird. Der Marktsicherung durch den Erwerb eines Kunden können sehr schnell Marktanteilsverluste bei bisherigen Kunden gegenüberstehen.
Viele Unternehmen halten auch Rückwärtsintegrationen für sinnvoll. Dadurch sollen i. d. R. diese Ergebnisse erreicht werden:
Verbesserung der Prozesssteuerung,
Ressourcensicherung,
Nutzung von Synergien.
In der Praxis ist der Erwerb von Unternehmen durch Lieferanten und Kunden eher selten. Nur wenn zwischen dem Krisenunternehmen und seinen Lieferanten und Kunden Abhängigkeiten existieren, fallen gelegentlich positive Investitionsentscheidungen. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf andere Marktteilnehmer wird das Investitionsrisiko jedoch häufig für zu groß gehalten.
2. Anrainer und Wettbewerber
Unternehmen mit ähnlichen Produkten und Dienstleistungen können eine attraktive Käufergruppe sein. Über komplementäre Lieferungen können Synergien erschlossen und Wachstum erreicht werden. Geeignete Anrainer nutzen häufig gerne die Chance für derartige Akquisitionen und stellen auch eine schnelle Abwicklung sicher. Sind Anrainer als Investoren aufgetreten, berichten diese oft davon, dass die Akquisitionserfolge größer als erwartet waren.
Unternehmen sind häufig der Überzeugung, dass Wettbewerber die erste Käufer-Zielgruppe sind. Diese Erwartungshaltung führt immer wieder zu herben Enttäuschungen. Wettbewerber nutzen gern die Chance, im Rahmen einer Due Diligence einen anderen Marktteilnehmer sehr gut kennenzulernen. Dem Gewinn an Erkenntnissen stehen i. d. R. Zeitaufwand und ggf. Aufwand für mitwirkende Berater gegenüber. Auch ohne Verstoß gegen unterzeichnete Geheimhaltungserklärungen kann der Erkenntnisgewinn wertvoll sein. Denn allein das Wissen um die Kostenstruktur und die Besichtigung von Betriebsstätten führen für Unternehmen gelegentlich zu Erkenntnissen, die im eigenen Unternehmen umgesetzt werden können.
Due Diligence: Fragen und Prüfpunkte (Checkliste), NWB EAAAD-89566
Allerdings: Für einen Mitbewerber sind Chancen und Risiken einer Übernahme i. d. R. schnell einschätzbar, da er den Markt und dessen Möglichkeiten kennt und vorhandene Synergiepotenziale einzuschätzen weiß. Diese liegen regelmäßig in einer Kostenreduzierung, da durch das Zusammenlegen von Funktionen u. a. Personal eingespart und die Verkaufsmacht erhöht werden kann.
Vor dem Hintergrund der Risiken der Gespräche mit Wettbewerbern erscheint es sinnvoll zu sein, dass ein fachkundiger Berater anonym Kontakt aufnimmt und Gespräche führt. Geheimhaltungserklärungen mit Wettbewerbern sollten auch ein Anstellungsverbot für Mitarbeiter und eine Kundenschutzklausel enthalten. Speziell mit Wettbewerbern erscheint eine Vertragsstrafenregelung im Rahmen der Geheimhaltungserklärung aus Sicht des Turnaround-Unternehmens ratsam.
B. Niggemann/Simmert, Auswahl eines M&A-Beraters – So finden Sie den passenden Spezialisten für Ihre Mandanten, , NWB DAAAH-28501
Vertraulichkeitserklärung beim Unternehmensverkauf – Muster, NWB RAAAC-49937
3. Management
Für das Management des Unternehmens gibt es eine Vielzahl von Motiven zum Engagement ins eigene Unternehmen: unternehmerische Herausforderung, mehr Entscheidungsunabhängigkeit, Weiterführung des Unternehmens, gute Erfolgsaussichten, Chance zur langfristigen Vermögensbildung – und auch letztlich Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes.
Doch hierbei stellen sich unweigerlich folgende Fragen:
Ist das Management von Unternehmen geeignet, die erkennbaren Krisensituationen zu bereinigen?
Hat das Management nicht maßgeblichen Anteil an der Fehlentwicklung?
Für die Unternehmer ist der Verkauf an das Management immer der einfachste Schritt. Das Management ist mit den Gegebenheiten des Unternehmens vertraut und deshalb in der Lage, schnelle Kaufentscheidungen zu treffen. Auch Diskussionen über Gewährleistungen sind erfahrungsgemäß unproblematisch. Zudem lässt sich die Diskretion am besten wahren. Schnelle Kaufentscheidungen und letztlich auch Wahrung der Tradition sind Aspekte, die es dem Altunternehmer leicht machen, sich für Verhandlungen mit dem Management zu entscheiden.
Das Management kalkuliert die langfristigen Erfolgsmöglichkeiten durch das eigene unternehmerische Engagement und strebt die eigene Unternehmensführung als wichtiges Ziel an.
Die Kombination zwischen internem Management (Management-Buy-out) und externem Management (Management-Buy-in) hat sich häufig als glückliche Variante erwiesen. Bei erfolgreichen Übernahmen durch das Management wurde nicht selten die Unternehmensführung einem externen Manager übertragen, der die Rolle des bisherigen Unternehmers fortsetzte.S. 110
Münsterer, Unternehmensübernahmen durch Manager (MBO/MBI), infoCenter, NWB XAAAE-35533
K. A. Niggemann/Simmert, Gestaltungsalternativen bei der Unternehmensnachfolge – Familieninterne Lösung nicht immer geeignet, , NWB XAAAE-84746
Jöhnk, Unternehmensübernahme finanzieren – ein Praxisfall: Abgleich von Kapitaldienst und Cashflow, , NWB NAAAD-95894
Exler, Management-Buy-out – Die Chance der zweiten Führungsebene, NWB-BB 6/2008 S. 174, NWB IAAAC-80055
Vorbehalte bestehen bei Unternehmensverkäufen an das Management regelmäßig im Bereich der Finanzierung. Tatsächlich gibt es jedoch heute viele Investoren, die sehr gern als Eigenkapitalpartner auftreten und Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Mittel zur Verfügung stellen. Durch die Trennung von stimmberechtigtem Festkapital und stimmrechtlosen eigenkapitalähnlichen Mitteln lässt sich auch erreichen, dass das Management häufig die Mehrheit der Gesellschaftsanteile übernimmt, indem das Haftkapital gering gehalten wird.
10 % des Kaufpreises als Haftkapital und 20-40 % als stimmrechtloses Kapital mit Eigenmittelcharakter sind eine Möglichkeit, die der Markt heute bietet.
Im Übrigen verfügen Führungskräfte häufig über nennenswertes Eigenkapital. Dieses Eigenkapital resultiert gelegentlich auch aus Abfindungen, die vom bisherigen Arbeitgeber gezahlt wurden.
In diesem Zusammenhang werden i. d. R. die sehr großen Abfindungen öffentlich bekannt:
Der ehemalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking soll nach Presseinformationen 50 Mio. € erhalten haben. In den Medien werden auch noch gern die 30 Mio. €, die Peter Löscher vom Siemens-Konzern erhalten hat, angesprochen. Laut Geschäftsbericht waren es 17 Mio. €. Nach den Medien sollen aus Kulanzgründen zudem Aktienzusagen im Wert von 13 Mio. € erfolgt sein.
20 Mio. € soll Metro-Chef Körber beim Verlassen des Metro-Konzerns erhalten haben – bei Hartmut Mehdorn waren es 2009 beim Ausscheiden aus dem Haus der Deutschen Bundesbahn nach Medieninformationen 5 Mio. €.
Bekannt sind auch die 13 Mio. € für 13 Monate Arbeit, die die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt erhalten haben soll. Sie war zunächst seit 2011 bei Daimler für die Themen Integration und Recht zuständig. Ab Januar 2016 sorgte sie dann bei VW für Recht und Compliance. Nach Medienberichten gab es Probleme mit dem Chefjuristen Manfred Döss. Nach etwas mehr als einem Jahr gab es für Frau Hohmann-Dennhardt den „goldenen Handschlag“.
Natürlich sind diese Größenordnungen Ausnahmen. Für einige Unternehmensübernahmen im Rahmen von Management-Buy-ins im mittelständischen Bereich waren jedoch Abfindungen eine gute Grundlage für die Übernahmefinanzierung.
Eigenkapitalpartner können auch ehemalige Unternehmer sein, die ihr Unternehmen verkauft und dadurch Privatvermögen gebildet haben. Die Unternehmerfamilien haben häufig den Wunsch, das Risiko ihres gebildeten liquiden Vermögens auf verschiedene Anlageklassen zu verteilen. 15-25 % des Vermögens in unternehmerische Direktbeteiligungen zu investieren, ist eine Größenordnung, die wir von vielen vermögenden Haushalten kennen.
B. Niggemann/Simmert, Diversifizierung von Unternehmervermögen – „Klumpenrisiko Unternehmen“, , NWB BAAAD-89259
B. Niggemann/Simmert, Mit einem Owner-Buy-out die Unternehmensnachfolge regeln und das Vermögen diversifizieren – Privater Vermögensaufbau durch Unternehmer, , NWB YAAAH-38253
Für Unternehmen in Krisensituationen gibt es viele Lösungsmöglichkeiten, die Umstrukturierung gemeinschaftlich mit geeigneten Partnern zu realisieren. Diese Partner treten als Minderheits- oder Mehrheitsgesellschafter auf oder übernehmen Unternehmen vollständig.
Strategische Partner sind überwiegend an vollständigen Unternehmensübernahmen interessiert, da damit Synergien ohne Interessenkonflikte leichter realisiert werden können.
Es gibt jedoch auch viele Investoren, die sich als Minderheits- oder Mehrheitsgesellschafter bei Unternehmen in Krisensituationen engagieren.
Bei der Auswahl geeigneter Investoren kommt es darauf an, den „richtigen“ Partner auszuwählen. Ein weiterer Aspekt ist eine attraktive Unternehmensbewertung. Unternehmerfamilien sind häufig überrascht, welche günstigen
Modalitäten sich in diesen Situationen erreichen lassen.
Fundstelle(n):
NWB-BB 4/2021 Seite 106
TAAAH-74181