BVerwG Urteil v. - 2 C 1/19

Zeitlich unbegrenzte Ruhensregelung für Kapitalleistungen aus zwischenstaatlicher Verwendung

Leitsatz

1. Bei Ruhensbescheiden handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist.

2. Bei der Ermittlung des Ruhensbetrags sind gemäß § 55b SVG in den bis zum geltenden Fassungen auch Versorgungsleistungen für diejenigen Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Soldat nach seinem Eintritt in den Ruhestand bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig gewesen ist.

3. Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG stehen einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung grundsätzlich nicht entgegen. Eine solche Begrenzung sieht § 55b SVG auch in den Fassungen vom und vom nicht vor.

Gesetze: § 56 BeamtVG, § 14 BewG, Art 3 Abs 1 GG, Art 33 Abs 5 GG, § 97 Abs 4 SVG, § 1a SVG, § 55a Abs 1 S 9 SVG, § 55a Abs 1 S 8 SVG, § 55b SVG, § 96 Abs 5 SVG, § 97 Abs 2 SVG, § 97 Abs 3 SVG, § 48 VwVfG

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 14 B 15.910 Urteilvorgehend Az: M 21 K 11.2507 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Kapitalbeträgen für Dienstzeiten aus einer zwischenstaatlichen Verwendung auf sein Ruhegehalt.

2Der im Jahr 1946 geborene Kläger stand als Oberstleutnant im Dienst der Beklagten. Ab Oktober 1999 war er zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei einer Einrichtung der NATO (NETMA) beurlaubt.

3Mit Ablauf des trat der Kläger in den Ruhestand, blieb aber bis 2009 weiter für die NETMA tätig. 2007 zahlte die NETMA dem Kläger als Versorgung einen ersten Kapitalbetrag in Höhe von 179 810,21 €. Darauf brachte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers mit Bescheid vom ab dem in Höhe von monatlich 660,68 € zum Ruhen.

42009 erhielt der Kläger von der NETMA einen weiteren Kapitalbetrag als Versorgung in Höhe von 42 421,82 €. Mit Änderungsbescheid vom brachte die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem in Höhe von monatlich 769,36 € zum Ruhen.

5Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid und die anschließende Klage vor dem Verwaltungsgericht blieben ohne Erfolg.

6Mit Änderungsbescheid vom brachte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers unter erstmaliger Berücksichtigung des zweiten Kapitalbetrags rückwirkend zum in Höhe von 869,66 € befristet auf den Ablauf des zum Ruhen.

7Mit weiterem Bescheid vom hob die Beklagte ihren Änderungsbescheid vom unter Bezugnahme auf die Entscheidung des u.a. - (BVerfGE 145, 249) auf und stellte fest, dass das Ruhegehalt des Klägers für die Zeit ab dem in Höhe von monatlich 1 158,55 € und zudem ohne zeitliche Begrenzung ruht.

8Der Verwaltungsgerichtshof hat den Änderungsbescheid der Beklagten vom insoweit aufgehoben, als mit ihm der Änderungsbescheid vom mit Wirkung für die Vergangenheit (Zeitraum bis einschließlich April 2018) zurückgenommen wurde.

9Mit seiner Revision beantragt der Kläger sinngemäß,

den Änderungsbescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom und der weiteren Änderungsbescheide vom und vom aufzuheben, soweit die Beklagte damit das Ruhen seines Ruhegehalts für die Zeit vom bis zum in Höhe von 869,66 € und für die Zeit ab dem in Höhe von 17,47 % der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (zunächst monatlich 1 158,55 €) festgestellt hat und die zeitliche Begrenzung des Ruhens zum Ablauf des zurückgenommen hat, sowie das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

10Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt den Antrag der Beklagten.

Gründe

12Die zulässige Revision, über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2, § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO).

13Der Senat hat den Antrag des Klägers gemäß § 88 VwGO sachdienlich ausgelegt und dabei - wie vom Kläger schriftsätzlich angekündigt - seinen Antrag in der Berufungsinstanz sowie den Umfang der Abweisung seines Antrags durch den Verwaltungsgerichtshof berücksichtigt.

14Soweit die angefochtenen Bescheide der Beklagten in ihrem noch streitbefangenen Umfang in die Rechte des Klägers eingreifen, sind sie rechtmäßig. Das Ruhen des Ruhegehalts richtet sich nach § 55b Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1258) mit den Änderungen durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom (BGBl. I S. 160) (1.). Die Rücknahme des Ruhensbescheids vom gemäß § 48 VwVfG ist rechtmäßig (2.). Die von der Beklagten festgestellten Ruhensbeträge lassen keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers erkennen (3.). Das Ruhen des Ruhegehalts ohne zeitliche Begrenzung ist rechtmäßig (4.).

151. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich nach dem materiellen Recht (stRspr; vgl. 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250>, vom - 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <241> und vom - 4 C 9.07 - BVerwGE 130, 113 Rn. 10).

16Bei Ruhensbescheiden handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Ruhen kraft Gesetzes eintritt und Ruhensbescheide zwar zulässig, aber nicht erforderlich sind. Im Umfang des durch das Gesetz bestimmten Ruhens hat ein solcher Verwaltungsakt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung ( 2 C 17.12 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 27 Rn. 10 und vom - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 18 ff.). Diese Feststellung des Dienstherrn ändert nichts daran, dass sich die gesetzmäßige Höhe des Ruhensbetrags in jedem Monat aus dem in diesem Monat geltenden Recht und den jeweils vorliegenden Tatsachen ergibt.

17Ab dem Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers zum ist zunächst § 96 Abs. 5 Satz 1 SVG 2002 anwendbar. Diese Übergangsregelung führt zur Anwendung des § 55b SVG 2002. Abgeändert wird § 55b SVG 2002 durch § 97 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SVG 2002 und § 97 Abs. 3 SVG 2002, die für die zeitbezogene Berechnung des Mindestruhensbetrags in einem gewissen Zeitraum einen anderen Faktor vorsehen.

18Für die Zeit ab dem gilt § 55b SVG mit den Änderungen durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom . Aufgrund des neu angefügten § 55b Abs. 4 Satz 3 SVG 2009 i.V.m. dem ebenfalls neu angefügten § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG 2009 ist für alle am vorhandenen Ruhestandsbeamten und diejenigen, die bis zum in den Ruhestand getreten sind, bei der Verrentung von Kapitalbeträgen auf die Anlage 9 zum Bewertungsgesetz (BewG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 944), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 18 Nr. 10 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2878), abzustellen ( 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 16). Der Bescheid der Beklagten vom ist daher bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte § 55b Abs. 4 Satz 3 SVG 2009 bei der Verrentung des Kapitalbetrags nicht angewendet hat.

19Die ebenfalls mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz eingeführte Regelung für die Dynamisierung in § 55a Abs. 1 Satz 8 SVG 2009 erfasst aufgrund ihres Wortlauts nur Kapitalbeträge von Beamten, die ab dem in den Ruhestand getreten sind ( 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 12). Auf die ausgezahlten Kapitalbeträge des bereits im Jahr 2004 in den Ruhestand getretenen Klägers fand und findet die Regelung daher keine Anwendung.

20Mit dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2010/2011 vom (BGBl. I S. 1552) wurde die Regelung zur Verrentung von Kapitalbeträgen in § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG wiederum geändert. Der Gesetzgeber ersetzte die Worte "Anlage 9 zum Bewertungsgesetz" durch die Worte "der Tabelle zu § 14 Absatz 1 Satz 4 des Bewertungsgesetzes". Diese Änderung trat rückwirkend am in Kraft. Bei denjenigen Beamten, die ab dem in den Ruhestand getreten sind und noch treten, ist die Verrentung daher nach der Tabelle vorzunehmen, die jeweils zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gilt ( 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 16). Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Beamter zwar vor dem in den Ruhestand getreten ist, der Anspruch auf den Kapitalbetrag aber erst im Zeitraum ab dem entsteht.

21Das Inkrafttreten des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes (BesStMG) vom (BGBl. I S. 2053) betrifft nicht den Versorgungsfall des Klägers. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 SVG 2019 sind die für den Kläger maßgeblichen Regelungen in der bis zum geltenden Fassung weiter anzuwenden.

222. Das Berufungsurteil ist bereits rechtskräftig, soweit es die Rücknahme des Bescheids vom hinsichtlich der Höhe des Ruhensbetrags in der Zeit vom bis zum betrifft. Die Beklagte hat insoweit kein Rechtsmittel eingelegt.

23Die Aufhebung des Ruhensbescheids vom ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Abs. 2 VwVfG rechtmäßig.

24a) Die Aufhebung von Ruhensbescheiden richtet sich nach den Regeln über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, wenn ein Ruhensbescheid von Anfang an rechtswidrig war oder nachträglich rechtswidrig geworden ist (so zu Versorgungsfestsetzungsbescheiden bereits 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 15 und vom - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 9).

25Der aufgehobene Bescheid vom enthielt für den Kläger begünstigende Regelungen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Begünstigend waren in dem Bescheid sowohl die Befristung bis zum als auch die Feststellung zur Höhe des Ruhensbetrags wegen des ersten Kapitalbetrags. Ob Ruhensbescheide stets die begünstigende Feststellung enthalten, dass kein höherer Ruhensbetrag besteht, kann hier dahinstehen. Im Fall des Klägers enthielt der Änderungsbescheid vom hinsichtlich der Höhe des Ruhensbetrags bereits deshalb eine begünstigende Regelung, weil die Beklagte mit ihm den vorherigen Ruhensbescheid mit einem höheren Ruhensbetrag teilweise aufgehoben und den im Bescheid vom für den ersten Kapitalbetrag angesetzten Ruhensbetrag in Höhe von monatlich 769,36 € nachträglich auf monatlich 703,65 € reduziert hat (vgl. Bescheid vom , Anlage 1, Seite 1: 179 810,21 €/255,54 = 703,65 €).

26Die Rücknahme der begünstigenden Regelungen des Ruhensbescheids vom richtet sich nach § 48 Abs. 2 VwVfG, dessen Voraussetzungen im Fall des Klägers erfüllt sind. Auch die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG stand der Rücknahme nicht entgegen.

27b) Dass die Beklagte bei der Rücknahme des Bescheids vom kein Ermessen ausgeübt hat, macht ihre Rücknahmeentscheidung nicht rechtswidrig.

28Die Rücknahme von rechtswidrigen begünstigenden Regelungen in Ruhensbescheiden mit Wirkung für die Zukunft erlaubt und erfordert regelmäßig keine Ermessenserwägungen. Insoweit unterscheiden sich begünstigende Regelungen in Ruhensbescheiden nicht von den Regelungen in Versorgungsfestsetzungsbescheiden. Bei diesen ist dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines rechtswidrigen (rechtswidrig gewordenen) begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft in der Regel gegenüber dem Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des mangelhaften Verwaltungsakts das Übergewicht beizumessen, wenn der Verwaltungsakt den dauernden regelmäßigen Bezug von Leistungen aus öffentlichen Mitteln zum Gegenstand oder zur Folge hat (vgl. 2 C 18.81 - RiA 1982, 165 <167> und vom - 6 C 92.78 - Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 21 S. 6). Von dieser Regel sind Ausnahmen nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände zuzulassen ( 6 C 92.78 - Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 21 S. 6).

29Der Gedanke, dass bei der Rücknahme von Verwaltungsakten zwischen Zeiten in der Vergangenheit, in denen sich eher der Grundsatz der Rechtssicherheit durchsetzt, und Zeiten in der Zukunft, in denen sich eher der Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit durchsetzt, zu differenzieren ist, findet sich auch andernorts. So ist in den Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Norm für nichtig erklärt hat, das Rücknahmeermessen in diesen Fällen ab dem Monat auf Null reduziert, der auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts folgt. Die Behörde ist in diesen Fällen verpflichtet, die Festsetzung ab diesem Zeitpunkt an die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Rechtslage anzupassen ( 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 24 ff. und vom - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 20 ff.).

30Für eine Reduzierung des Rücknahmeermessens in der vorliegenden Konstellation spricht jedoch vor allem die strikte Gesetzesbindung im Bereich der Beamten- und Soldatenversorgung nach § 3 BeamtVG und § 1a SVG (siehe hierzu auch 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 25, vom - 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 11 und vom - 2 C 18.10 - Buchholz 449.4 § 53 SVG Nr. 1 Rn. 21). Durch die Gesetzesbindung ist es den Dienstherrn und den Gerichten grundsätzlich verwehrt, Soldaten und Beamten eine gesetzlich nicht vorgesehene Besoldung oder Versorgung zu gewähren (vgl. 2 C 18.06 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 16 Rn. 29 und vom - 2 C 2.13 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 13 Rn. 18). Das Aufrechterhalten einer rechtswidrigen Begünstigung trotz Rücknahmemöglichkeit würde im Ergebnis der Gewährung eines höheren Ruhegehalts entsprechen, auf das gesetzlich kein Anspruch besteht.

31Daraus folgt, dass das Ermessen des Dienstherrn bei der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Regelungen in Ruhensbescheiden bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 VwVfG zumindest hinsichtlich der Rücknahme für die Zukunft in der Regel reduziert ist und der Dienstherr die begünstigenden Regelungen insoweit in der Regel aufheben muss. Ob die Beklagte die begünstigenden Regelungen in den Ruhensbescheiden schon vor dem Monat April 2018 oder für einen früheren Zeitpunkt hätte aufheben müssen, kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen.

323. Die Höhe des Ruhensbetrags ist im Berufungsurteil im Ergebnis rechtsfehlerfrei ermittelt. Zeiten des Klägers, in denen er nach dem Eintritt in den Ruhestand bei der NETMA tätig gewesen ist, und die dafür erhaltenen Versorgungsleistungen sind bei der Berechnung des Ruhensbetrags nach § 55b SVG in den bis zum geltenden Fassungen zu berücksichtigen (a). Rechtsfehler der Beklagten bei der Verrentung des Kapitalbetrags wirkten und wirken sich nicht zu Lasten des Klägers aus. Maßgeblich ist in seinem Fall zumindest der Mindestruhensbetrag (b).

33a) Bei der Ermittlung des Ruhensbetrags sind gemäß § 55b SVG in den bis zum geltenden Fassungen auch diejenigen Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Soldat nach seinem Eintritt in den Ruhestand bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung tätig gewesen ist.

34Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG. Die Norm differenziert nicht danach, ob die Zeiten bei der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung vor oder nach dem Eintritt in den Ruhestand abgeleistet worden sind. Entscheidend ist danach allein, dass der Soldat aus der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung eine Versorgung erhält. Dies ist auch bei Soldaten der Fall, die den Dienst bei dieser Einrichtung nach dem Eintritt in den Ruhestand ableisten und hierfür eine Versorgung erhalten. Eine Einschränkung, wie sie die mit dem Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz (BesStMG) eingeführten neuen Regelungen enthalten, findet sich in § 55b SVG in den bis zum geltenden Fassungen nicht.

35Wie die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt, entsprach die Einbeziehung von Zeiten nach dem Eintritt in den Ruhestand auch dem Willen des Gesetzgebers. Als dieser § 55b SVG und § 160b BBG a.F., die Vorgängerregelung des § 56 BeamtVG, einführte, hielt er in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich fest, dass die Regelung in jedem Fall Anwendung finden soll, in dem ein Beamter, Soldat oder Versorgungsempfänger vor der Berufung in das Beamten- oder Soldatenverhältnis, während desselben oder nach seiner Versetzung in den Ruhestand im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung verwendet worden ist und eine Versorgung erhält (BT-Drs. V/2251 S. 8).

36Voraussetzung für die Anwendung des § 160b BBG a.F. war nach der Begründung die Anrechnung der Dienstzeit bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung als ruhegehaltfähig, sowohl bei dem entsandten Beamten wie bei demjenigen, der erst nach Beendigung des internationalen Dienstes in das Beamtenverhältnis berufen wird oder der den internationalen Dienst als Ruhestandsbeamter leistet (BT-Drs. V/2251 S. 8). Für die Erfüllung dieser Voraussetzung sorgte der Gesetzgeber mit dem gleichen Entwurf, sodass aus der Begründung deutlich hervorgeht, dass er in § 160b BBG a.F. und § 55b SVG auch die Versorgungsleistungen berücksichtigen wollte, die ein Beamter oder Soldat nach seinem Eintritt in den Ruhestand durch eine Tätigkeit bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung erarbeitet.

37Unerheblich ist daher nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift entgegen der Ansicht des Klägers, ob und inwiefern Beamte und Soldaten nach dem Eintritt in den Ruhestand gegenüber ihrem Dienstherrn noch zur Dienstleistung verpflichtet sind.

38Auch dass sich die Ruhegehaltfähigkeit der Zeiten bei der zwischenstaatlichen Einrichtung für den Kläger wegen des Höchstruhegehaltssatzes nicht mehr auf die Höhe des Ruhegehalts auswirkt, ist ohne rechtliche Relevanz (vgl. 6 C 14.78 - Buchholz 232.5 § 56 BeamtVG Nr. 2 S. 10). Der Gesetzgeber hatte schon bei der Schaffung des § 55b SVG im Jahr 1967 den Höchstruhegehaltssatz von damals 75 % im Blick und legte den Faktor für die Berechnung des Ruhensbetrags so fest, dass ein ruhegehaltfähiges Jahr bei der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung zu einer effektiven Verringerung des Ruhegehalts in der Höhe führt, um das das Ruhegehalt wegen eines ruhegehaltfähigen Dienstjahres im Durchschnitt anwächst (vgl. BT-Drs. V/2251 S. 7). Aufgrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung wirkt sich der Höchstruhegehaltssatz bei ruhegehaltfähigen Zeiten in einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung im Grundsatz ebenso aus wie bei ruhegehaltfähigen Zeiten bei dem Dienstherrn: Ab dem Erreichen des Höchstruhegehaltssatzes können grundsätzlich keine weiteren für die Höhe der Versorgung relevanten ruhegehaltfähigen Dienstjahre mehr erdient werden - weder beim Dienstherrn noch bei der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung. Der zeitweilig bei zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen tätige Soldat oder Beamte (Mischlaufbahn-Soldat oder -Beamter) kann lediglich davon profitieren, dass die Versorgung bei der Einrichtung für jedes dort absolvierte Jahr höher ist als die Versorgung, die das deutsche Versorgungsrecht im Ergebnis je Jahr gewährt. Die Anzahl der im Ergebnis berücksichtigten Jahre ist jedoch grundsätzlich gleich - unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem Eintritt in den nationalen Ruhestand abgeleistet wurden.

39Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG stehen dem nicht entgegen. Sie verwehren es dem Gesetzgeber nicht, die Versorgung der Mischlaufbahn-Soldaten und -Beamten an diejenige der allein beim Dienstherrn tätigen Kolleginnen und Kollegen (Nur-Soldaten und -Beamte) anzugleichen, auch wenn dies unter bestimmten Voraussetzungen zu einer nicht nur geringfügigen Kürzung der Versorgungsbezüge führt (vgl. - BVerfGE 76, 256 <297 f.>). Der Dienstherr kann sich von der ihm nach Art. 33 Abs. 5 GG obliegenden Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <298> und vom - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 82; 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 25 f.). Der Gefahr, dass sich die mit der Vereinnahmung einer Kapitalabfindung verbundenen wirtschaftlichen Risiken zu Lasten des Empfängers der Abfindung verwirklichen können, kann der Betroffene dadurch begegnen, dass er sein von § 55b SVG eröffnetes Wahlrecht ausübt und den Kapitalbetrag an seinen Dienstherrn abführt ( u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 88). Dies trifft auf Zeiten bei der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung vor und nach dem Eintritt in den Ruhestand in gleichem Maße zu.

40Auch die Änderungen des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes (BesStMG) und die Äußerungen des Gesetzgebers zu diesem Gesetz sprechen entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen das hier gefundene Ergebnis. Die maßgebliche Regelung des § 55b SVG in der bis zum gültigen Fassung war eindeutig und verfassungskonform. Dass der Gesetzgeber die Regelung im Rahmen seines Gestaltungsspielraums geändert hat, steht dem nicht entgegen.

41b) Unter Einbeziehung der Zeiten nach dem Beginn des Ruhestands hat die Beklagte im Bescheid vom ein Ruhen in Höhe von 17,47 % der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (im Ergebnis zunächst monatlich 1 158,55 €) festgestellt. Dies verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (aa). Auch die nach der Teilaufhebung des Bescheids vom verbleibende Feststellung des Ruhensbetrags im Bescheid vom für die vorherigen Zeiten stellt keine Rechtsverletzung zu seinen Lasten dar (bb).

42aa) Wie die Beklagte im Bescheid vom rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, führen die insgesamt 9,74 Jahre des Klägers bei der Einrichtung der NATO bei einem Faktor von 1,79375 % je Jahr nach § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG 2002 zu einem Ruhensbetrag in Höhe von 17,47 % der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Bei ruhegehaltfähigen Dienstbezügen in Höhe von damals 6 631,66 € belief sich der Ruhensbetrag auf monatlich 1 158,55 €.

43Der Faktor von 1,79375 % je Jahr ergibt sich hierbei nicht aus einer Anwendung von § 97 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SVG 2002 und § 97 Abs. 4 Satz 1 SVG 2002, sondern unmittelbar aus § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG 2002 in der ab dem gültigen Fassung. § 97 Abs. 2 Satz 1 SVG 2002 war gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 SVG 2002 mit dem Inkrafttreten der achten auf den folgenden Anpassung nach § 89b SVG i.V.m. § 70 BeamtVG, also ab dem , nicht mehr anzuwenden (vgl. BT-Drs. 17/1878 S. 47; BGBl. 2010 I S. 1552). Auch für die Anwendung des § 97 Abs. 4 Satz 1 SVG 2002 bleibt insofern kein Raum.

44Ob die Beklagte die Höchstgrenzenberechnung des § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 3 und 4 SVG 2002 rechtsfehlerfrei durchgeführt hat, kann dahinstehen. Der Kläger wäre durch Rechtsfehler in diesem Bereich nicht beschwert, weil die Beklagte ohnehin zutreffend die Geltung des Mindestruhensbetrags festgestellt hat. Der Mindestruhensbetrag war auch noch nicht nach § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 2002 auf die von der NETMA gewährte Versorgung zu deckeln, weil der Mindestruhensbetrag in der Höhe geringer war als die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags in Höhe von monatlich 1 513,09 €.

45Die beiden an den Kläger gezahlten Kapitalbeträge sind getrennt zu verrenten. Die Verrentung des ersten Kapitalbetrags war nach § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG in der bis zum geltenden Fassung durchzuführen. Die Unionsrechtswidrigkeit der Verrentung mit geschlechtsspezifischen Sterbetafeln führt entgegen der Annahme im Berufungsurteil jedoch nicht zur Bildung eines Mittelwerts, sondern zur Anwendung des Verrentungsdivisors für Frauen ( 2 C 19.19 - Rn. 18 ff. <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>; vgl. insbesondere , Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 17, 33 ff.). Auf dieser fehlerhaften Annahme beruht das Berufungsurteil jedoch nicht, da sich bei rechtsfehlerfreier Verrentung ein Betrag in Höhe von monatlich 1 513,09 € statt des vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Betrags in Höhe von 1 613,68 € ergibt. Beide Beträge standen der Anwendung des Mindestruhensbetrages in Höhe von 17,47 % der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (im Ergebnis zunächst 1 158,55 € monatlich) nicht entgegen.

46bb) Durch die teilweise Aufhebung des Änderungsbescheids vom bleibt für den Zeitraum von Juli 2009 bis einschließlich April 2018 der Änderungsbescheid vom wirksam. Mit diesem Bescheid stellte die Beklagte für den genannten Zeitraum fest, dass der Ruhensbetrag monatlich 869,66 € beträgt. Diese Feststellung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der festgestellte Betrag zu seinen Gunsten zu niedrig ist. Sowohl der verrentete Betrag als auch der Mindestruhensbetrag für 9,74 Jahre lagen schon ab dem über dem Betrag von 869,66 €.

474. Die Beklagte hat in dem Änderungsbescheid vom zutreffend festgestellt, dass das Ruhegehalt des Klägers ohne zeitliche Begrenzung ruht und den Änderungsbescheid vom dementsprechend rechtsfehlerfrei aufgehoben.

48Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG stehen einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung grundsätzlich nicht entgegen ( u.a. - BVerfGE 145, 249). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG in den Fassungen vom und vom mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG, ebenda). Der Senat hat daraufhin bereits hinsichtlich dieser Fassungen der Ruhensvorschriften entschieden, dass er an seinen abweichenden Ausführungen in den Urteilen zu den Verfahren BVerwG 2 C 47.11 und 2 C 25.09 nicht mehr festhält (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 50.18 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 2 Rn. 12 und vom - 2 B 73.18 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 9 Rn. 11).

49Dass im Fall des Klägers § 55b SVG in späteren Fassungen Anwendung findet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch diese Fassungen enthalten keine Regelung dahingehend, dass das Ruhen enden muss, sobald die Summe der Ruhensbeträge die Höhe des Kapitalbetrags erreicht (a.A.: OVG Lüneburg, Beschluss vom - 5 LA 236/17 - juris Rn. 42; a.A. vor der genannten Entscheidung des BVerfG: - juris Rn. 33 ff. und vom - 1 A 707/15 - juris Rn. 32 ff.).

50§ 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 2002 sieht zwar vor, dass der Ruhensbetrag die von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf, doch bezieht sich dies allein auf den jeweiligen monatlichen Ruhensbetrag in Relation zur Höhe des verrenteten Kapitalbetrags.

51Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei dem Ruhensbetrag i.S.d. § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 2002 nicht um eine Summe von Ruhensbeträgen, sondern um den im jeweiligen Monat ruhenden Betrag handelt. Aus den Regelungen des § 55b SVG 2002 geht hervor, dass sie jeweils der Berechnung von monatlichen Ruhensbeträgen dienen. So handelt es sich etwa bei den dort genannten Höchstgrenzen gemäß § 55b Abs. 3 SVG 2002 i.V.m. § 55 Abs. 2 SVG 2002 um monatsbezogene Werte. Bei der Versorgung mit Kapitalbeträgen ermöglicht es § 55b Abs. 4 SVG 2009 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 8 und 9 SVG 2009, mittels der Verrentung monatsbezogene Werte zu ermitteln, die dann zu monatsbezogenen Ruhensbeträgen führen. Dass dies auch den Begriff des Ruhensbetrags prägt, zeigt sich an § 55b Abs. 8 SVG 2009, der sich auf den bei Anwendung der Abs. 1 bis 7 ergebenden Ruhensbetrag bezieht. Gemeint ist vom Gesetzgeber auch hier der im jeweiligen Monat ruhende Betrag.

52Darüber hinaus zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 1998 und die Vorgängerregelung in § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG 1968 nicht geschaffen hat, um das Ruhen im Falle der Versorgung durch Kapitalbeträge auf die Höhe des gesamten Kapitalbetrags zu begrenzen. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG bezog sich bei seiner Einführung mit dem Gesetz vom (BGBl. I S. 848) allein auf laufende Versorgungsleistungen der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen. Die Regelung begrenzte die Höhe des monatlichen Ruhensbetrags auf die Höhe der laufenden Versorgungsleistung im jeweiligen Monat. Die Empfänger von Kapitalbeträgen erhielten diesen Schutz damals nicht (vgl. u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 99). Sie schützte der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, den Kapitalbetrag an den Dienstherrn abzuführen und dadurch das Ruhen abzuwenden (vgl. BT-Drs. V/2251 S. 7).

53Mit dem Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie anderer versorgungsrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 2442) erweiterte der Gesetzgeber den Schutz für die Empfänger von Kapitalbeträgen, indem er in § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 auch auf § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG verwies. Durch die in § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 erstmals vorgesehene Verrentung der Kapitalbeträge war es möglich geworden, die inhaltlich unveränderte Regelung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG auch auf Kapitalbeträge anzuwenden. Bei der Anwendung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG 1994 war dabei nach § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrags ergebende Betrag zugrunde zu legen. Die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags begrenzt seitdem für jeden einzelnen Monat die Höhe des Ruhensbetrags. Die Einführung der darüber hinausgehenden, vom Kläger beanspruchten Begrenzung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag ist im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/5919) nicht erkennbar.

54Die Einführung des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 1998 mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 vom (BGBl. I S. 1666) brachte ebenfalls nicht die vom Kläger gewünschte Begrenzung. Grund für diese Verschiebung des ansonsten unangetasteten § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. war nach der Begründung des Gesetzesentwurfs allein die systematische Zusammenfassung mit den neuen Mindestbelassungsregeln (BT-Drs. 13/9527 S. 41, 45).

55Die vom Kläger gegen die gesetzgeberische Entscheidung vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. So kann nicht generell gesagt werden, dass allein die Beklagte von der Regelung des § 55b SVG profitiert. Wer von § 55b SVG profitiert, hängt bei den Kapitalbeträgen wegen des Verrentungsdivisors davon ab, ob die betroffene Person ein Alter erreicht, das der statistischen Lebenserwartung entspricht. Da die statistische Lebenserwartung den Durchschnitt abbildet, führt dies dazu, dass die Beklagte zumindest theoretisch durch die Regelung im Ergebnis insgesamt weder profitiert noch verliert. Auch ein fester Zinssatz ist im Ausgangspunkt neutral. Es hängt von der Zinsentwicklung ab, für wen die Regelung vorteilhaft ist.

56Der wirtschaftliche Wert eines Kapitalbetrags wird zudem nicht allein durch seinen Nennwert, sondern wesentlich durch das mit ihm verbundene Anlage- bzw. Nutzungspotenzial bestimmt. Ein Kapitalbetrag bietet eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, die dienstrechtlich nicht eingeschränkt sind, also allein von den Bedürfnissen und der Anlagestrategie ihres Empfängers abhängen und damit über eine verzinsliche Anlage in der Art einer kapitalbildenden Lebensversicherung (oder privaten Rentenversicherung) mit Einmaleinzahlung weit hinausgehen können ( u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 86). Einem Beamten oder Soldaten, der keine solche Einsatzmöglichkeit für sich sieht oder die genannten Risiken eines Kapitalbetrags nicht eingehen möchte, hat der Gesetzgeber seit der ersten Fassung des § 55b SVG stets die allein von seiner Willensentscheidung abhängige Wahlmöglichkeit eröffnet, den Kapitalbetrag abzuführen und dafür das volle Ruhegehalt zu erhalten. An dem einmal ausgeübten Wahlrecht muss sich der Beamte oder Soldat für die Dauer des Bezugs von Ruhegehalt festhalten lassen.

575. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:071020U2C1.19.0

Fundstelle(n):
BAAAH-71851