IWB Nr. 3 vom Seite 1

Mit Engelszungen

Nils Henrik Feddersen | Verantw. Redakteur | iwb-redaktion@nwb.de

[i]Leidet der Ausdruck am Mangel direkter Kommunikation?Die infolge der Pandemie ergangenen Beschränkungen lassen meinen Alltag verarmen: Es fehlt mir an Abwechslung, an neuen Eindrücken, an unmittelbarem Austausch, ... Darunter leidet inzwischen meine Ausdrucksfähigkeit, fürchte ich. Dabei ist guter Ausdruck schon die Hälfte gelungener Kommunikation. Nicht umsonst ist eine redegewandte Person im Englischen silver tongued. Die erfolgreiche Teilhabe am Diskurs über gesellschaftliche, erst recht juristische Fragen wird durch Sprachfertigkeit nicht nur sehr erleichtert. Bei komplexen Ideen oder Figuren gelingt sie überhaupt erst damit.

[i]Wie die Ptolemäer sich Osiris mitteilen wolltenNoch einen Schritt über die Engelszungen hinaus ging man im Alten Ägypten. Zur Zeit der Ptolemäer wurden hervorgehobene Tote nach ihrer Mumifizierung mit einer nachgebildeten goldenen Zunge bestattet. Archäologen vermuten, dass die Toten sich damit bei ihrer Ankunft im Totenreich dem Gott Osiris verständlich machen können sollten.

[i]Praxisrelevante Fragen zu konzerninternen ServiceverrechnungenSo symbolhaft geht es gegenüber der Finanzverwaltung und vor Gericht heute nicht mehr zu. Aber der Antragsteller sollte über die reine Sachinformation hinaus auch die Deutung der Umstände durch die übrigen Beteiligten im eigenen Sinn beeinflussen können. Ein praktisches Beispiel liefert der von Heidecke/Panchenko ab S. 126 vorgestellte Streitfall, den das FG München zu entscheiden hatte. Der Sachverhalt reißt unterschiedliche Fragen an: die Fremdüblichkeit von Routinevergütungen, das Ja oder Nein einer Funktionsverlagerung sowie Begriff und Ausprägung von Standortvorteilen.

[i]Individuelle Prüfung jedes Anlagenbauprojekts im Hinblick auf die MehrwertsteuerNicht weniger kompliziert sind einige umsatzsteuerliche Fragen, die sich Berater und Unternehmensbeteiligte vor dem Start eines Bau- oder Montageprojekts im Ausland stellen. Carlson/Eisenreich geben ab Hinweise zur Prüfung, welche Umsätze vorliegen, wo bei mehrgliedrigen Anlagenbauprojekten der Ort der Lieferung liegt und was dies für die Steuerbarkeit der Leistungen bedeutet. Auch hierbei ist ein (er)klärendes Wort zu viel im Vorfeld besser als eines zu wenig, um Registrierungs- und Meldepflichten oder gar eine unnötige Steuerzahlung zu vermeiden.

[i]Das Abzugssteuerverfahren soll neu geregelt werdenIm Top-Beitrag dieses Hefts stellt Grotherr ab die geplante Reform des Quellensteuerentlastungsverfahrens dar. Das Thema ist schon an sich mehrgleisig, weil hier unterschiedliche Motive und Anlässe von und für Finanzverwaltung und Gesetzgeber zusammenfließen. Aber die Bezeichnung des Änderungsgesetzes wäre selbst mit goldener Zunge der Gottheit Osiris schwer zu vermitteln – Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz ist schlicht ein Zungenbrecher.

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Nils Henrik Feddersen

Fundstelle(n):
IWB 3 / 2021 Seite 1
NWB KAAAH-70594