BGH Beschluss v. - VIII ZR 371/18

Wohnraummiete: Schadensersatz des Mieters nach berechtigter fristloser Kündigung wegen Pflichtverletzung des Vermieters; Erstattung der Maklerkosten für die Anmietung der bisherigen Wohnung

Gesetze: § 249 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 284 BGB, § 543 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 4 S 64/17vorgehend AG Ludwigsburg Az: 9 C 570/15nachgehend Az: VIII ZR 371/18 Urteil

Gründe

I.

1Der Beklagte macht als ehemaliger Mieter einer Wohnung des Klägers Schadens- beziehungsweise Aufwendungsersatzansprüche geltend. Nachdem der Kläger beziehungsweise ein von diesem beauftragter Handwerker den zur Wohnung gehörenden Balkon ohne Einverständnis des Beklagten betrat, kündigte dieser das Mietverhältnis fristlos und zog, nach Bezug einer Zwischenunterkunft, in ein zu Eigentum erworbenes Hausanwesen. Im Einzelnen macht er im Wege der Widerklage, soweit im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren noch von Interesse, folgende Ansprüche - jeweils nebst Zinsen - geltend:

2Das Amtsgericht hat der Widerklage teilweise stattgegeben. Dem Beklagten stünden die Ansprüche auf Zahlung der Maklerkosten für den Hauserwerb sowie die Kosten für den Umzug sowie der zwischenzeitlichen Einlagerung des Umzugsguts zwar nicht in voller Höhe, jedoch insoweit zu, als sie bei Anmietung einer in der Nähe der bisherigen Wohnung gelegenen Unterkunft angefallen wären. Diese fiktiven Kosten seien hinsichtlich des Maklers auf 2.200 € und bezüglich der Kosten für die Einlagerung des Hausrats und des Umzugs auf 2.500 € zu schätzen.

3Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Widerklage auch bezüglich der zuerkannten (fiktiven) Maklerkosten für den Hauserwerb sowie der Kosten für die Einlagerung und den Umzug abgewiesen.

4Das Berufungsgericht hat im Urteilstenor die Revision zugelassen, "soweit es um die Frage des Anspruchs auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens" gehe. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat es ausgeführt, diese Frage habe grundsätzliche Bedeutung.

5Der Beklagte hat bezüglich der nicht zuerkannten Rechtsanwaltskosten aus einem früheren Rechtsstreit Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er hält die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung - hinsichtlich der Maklerkosten für die Anmietung der Wohnung - für unwirksam, hat auch insoweit Revision und für den Fall, dass der Senat diese Beschränkung für zulässig erachtet, vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

II.

6Das Berufungsgericht hat die Revision zulässigerweise beschränkt auf die geltend gemachten "Kündigungsfolgeschäden" in Form der Maklerkosten für den Hauserwerb, die Einlagerungs- und Umzugskosten, die Kosten der Zwischenunterkunft sowie diejenigen für den Umbau der Einbauküche zugelassen. Damit ist die Revision bezüglich der Maklerkosten, welche im Zuge der Anmietung der Wohnung anfielen, unzulässig; die insoweit vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Ebenso unbegründet ist die Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Rechtsanwaltskosten, die in einem weiteren zwischen den Parteien geführten Prozess entstanden sind.

71. Die Revision des Beklagten ist nach § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Ersatz der Maklerkosten richtet, die im Zuge der Anmietung der Wohnung angefallen sind, weil sie vom Berufungsgericht diesbezüglich nicht zugelassen worden ist.

8a) Das Berufungsgericht hat die Revision nur in eingeschränktem Umfang zugelassen. Wie sich aus der Urteilsformel sowie - damit übereinstimmend - aus den Entscheidungsgründen ergibt, hat es einen Klärungsbedarf nur bezüglich der Ersatzfähigkeit von Kündigungsfolgeschäden eines Mieters (§ 280 Abs. 1 BGB) gesehen, der das Mietverhältnis wegen einer Pflichtverletzung des Vermieters - berechtigt - gekündigt hat.

9Zu diesen Kündigungsfolgeschäden hat das Berufungsgericht die im Vorfeld der Anmietung der Wohnung angefallenen Maklerkosten nicht gezählt. Zwar macht die Revision im Ansatz zu Recht geltend, dass auch diese Maklerkosten im Sinne des § 284 BGB möglicherweise erst durch die zur Kündigung führende Pflichtverletzung des Vermieters "vergeblich" wurden. Jedoch ist bei verständiger Auslegung aus den Entscheidungsgründen mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass das Berufungsgericht als "Kündigungsfolgeschaden" lediglich die übrigen Schadenspositionen - mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten aus einem früheren Verfahren, auf die sich die Revisionszulassung evident nicht erstreckt - angesehen hat.

10Dies folgt sowohl aus der Erwähnung im Tatbestand, wo diese Schäden im Zusammenhang genannt und von den Maklerkosten für die Anmietung abgegrenzt - "des Weiteren" - wurden. Insbesondere behandelt das Berufungsgericht die aus seiner Sicht für die Ersatzfähigkeit maßgebenden Rechtsfragen der Adäquanz sowie des Schutzzwecks nicht bei den zeitlich vor der Pflichtverletzung sowie der Kündigung aufgewandten Maklerkosten für die Anmietung, sondern lediglich bei den übrigen Schadenspositionen. Gerade mit allein diesbezüglich unterschiedlichen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur wird die Revisionszulassung begründet.

11Diese Rechtsfragen von Adäquanz und Schutzzweck stellen sich nur bei einem eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann, woraus die für eine beschränkte Revisionszulassung notwendige Klarheit - wie in den Fällen einer sich allein aus den Entscheidungsgründen ergebenden Beschränkung - ebenso folgt (st. Rspr.; vgl. nur , BKR 2014, 245 Rn. 18; vom - II ZR 16/16, NJW-RR 2018, 39 Rn. 9; vom - VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947 Rn. 15; Beschlüsse vom - VIII ZR 63/11, juris Rn. 4; vom - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 10; jeweils mwN). Die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, welche Schäden des das Mietverhältnis kündigenden Mieters adäquat kausal auf die Pflichtverletzung des Vermieters zurückzuführen sind und in den Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht fallen, ist für die Berechtigung auf Ersatz der bereits im Zuge der Anmietung der Wohnung angefallenen Maklerkosten nicht von Bedeutung. Zwar muss die Pflichtverletzung für die Vergeblichkeit der Aufwendungen im Sinne des § 284 BGB ursächlich sein (vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2019, § 284 Rn. 43); Fragen der Adäquanz und des Schutzzwecks stellen sich jedoch insoweit nicht.

12b) Die danach vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung ist entgegen der Auffassung des Beklagten wirksam.

13aa) Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig (st. Rspr.; vgl. etwa , NVwZ-RR 2017, 579 Rn. 23; vom - VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 13; Beschluss vom - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 20). Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken oder der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte (st. Rspr.; vgl. nur , aaO; vom - V ZR 184/16, NJW 2018, 1309 Rn. 6; vom - VIII ZR 355/18, aaO Rn. 16; jeweils mwN).

14Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (, WM 2016, 1031 Rn. 12; vom - VIII ZR 295/15, aaO Rn. 14; vom - V ZR 184/16, aaO; vom - VIII ZR 355/18, aaO; Beschlüsse vom - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; vom - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4). Allerdings muss es sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein; auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs ist zulässig (, aaO Rn. 21; vom - XI ZR 108/15, aaO Rn. 11 f.; vom - VIII ZR 295/15, aaO; Beschlüsse vom - III ZR 127/10, aaO; vom - VI ZR 225/10, aaO; vom - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 21).

15bb) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

16Die vom Beklagten geltend gemachten Schadenspositionen, die zeitlich nach der Pflichtverletzung des Vermieters anfielen, stellen im Gegensatz zu den zuvor getätigten Aufwendungen für die Anmietung der Wohnung tatsächlich und rechtlich selbständige Teile des Gesamtstreitstoffs dar. Der Beklagte hätte deshalb seine Revision auf die weitere Geltendmachung der Maklerkosten für die Anmietung als vergebliche Aufwendungen nach § 284 BGB beschränken können (vgl. , NJW-RR 2015, 1048 Rn. 15). Dieser Aufwendungsersatzanspruch kann auch neben dem Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB bezüglich der weiteren Positionen geltend gemacht werden (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 387; Staudinger/Schwarze, aaO Rn. 19); ein Widerspruch zum übrigen Teil des Streitstoffs kann daher nicht auftreten.

172. Die insoweit vorsorglich für den Fall einer beschränkten Revisionszulassung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unbegründet, weil er den von ihm geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht dargelegt hat (§ 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO). Der Beklagte zeigt weder eine Divergenz des angegriffenen Urteils zu einer Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen anderen Gerichts auf noch vermag er darzulegen, inwiefern dem seiner Auffassung nach vorliegenden Rechtsanwendungsfehler eine von ihm angeführte, aber nicht näher begründete symptomatische Bedeutung zukommen könnte (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom - VIII ZR 74/18, NJW-RR 2019, 1202 Rn. 35).

18a) Soweit der Beklagte eine Divergenz darin sieht, dass in der Rechtsprechung anerkannt sei, dem Mieter stehe ein kündigungsbedingter Schadensersatz wegen des entgangenen Gebrauchs der Mietsache jedenfalls für den Zeitraum zu, in dem der Vermieter auch gegen seinen Willen am Mietvertrag festgehalten werden könne (unter Verweis auf , NJW 2017, 1104 Rn. 26), demgegenüber vorliegend die rechtsirrige Leitlinie aufgestellt worden sei, der Mieter könne nicht einmal seine "Vertragseingehungskosten" für einen Zeitraum verlangen, in dem der Vermieter sich gebunden habe, ist dies unzutreffend. Zum einen enthält die vorgenannte Entscheidung keinen derartigen Rechtssatz, sondern betrifft die Begrenzung des kündigungsbedingten Schadensersatzes - konkret von Mietmehrkosten - auf einen bestimmten Zeitraum. Zum anderen hat das Berufungsgericht einen Obersatz nicht aufgestellt, sondern einzelfallbezogen das Vorliegen vergeblicher Aufwendungen verneint.

19b) Es hat dabei erkannt, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der im Zuge der Anmietung entstandenen Maklerkosten nach § 284 BGB bestehen kann, da es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die der Beklagte im Hinblick auf den abgeschlossenen Mietvertrag gemacht hat und die durch dessen (frühe) Beendigung - möglicherweise - nutzlos geworden sind (sog. nutzlose Aufwendungen; vgl. , BGHZ 123, 96, 99; Staudinger/Schwarze, aaO Rn. 34). Jedoch können diese nach § 284 BGB nur ersetzt werden, wenn sie "ihren Zweck nicht erreicht" haben, sie mithin "vergeblich" waren. Nach der Intention des § 284 BGB besteht ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen nur in dem Umfang, in dem der Zweck der Aufwendungen durch die Nichterbringung der Leistung - vorliegend durch die nicht weitere Leistungserbringung - nicht erreicht oder vereitelt worden ist (vgl. , NJW 2016, 491 Rn. 31).

20Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht das Vorliegen nutzloser Aufwendungen im konkreten Fall ohne zulassungsrelevante Rechtsfehler verneint. Aufgrund der nach vierjähriger (Mindest-)Mietdauer möglichen ordentlichen Kündigung durch den Vermieter habe der Beklagte kein schutzwürdiges Vertrauen in ein längerfristiges Mietverhältnis haben können. Er habe hiernach nicht davon ausgehen dürfen, seinen Aufwendungen in Form der Maklerkosten stünden über diesen Zeitraum hinaus Leistungen des Vermieters gegenüber (vgl. , aaO S. 101 [Kündigung des Mietverhältnisses vor Überlassung der Mietsache]).

213. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten bezüglich der nicht zuerkannten Rechtsanwaltskosten aus einem anderen zwischen den Parteien geführten Verfahren ist zwar zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) aufgrund der gebotenen Zusammenrechnung mit dem Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer erreicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZR 196/05, NJW-RR 2007, 417 Rn. 11; vom - V ZR 91/18, NZM 2019, 630 Rn. 4), jedoch unbegründet. Die Rechtssache hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:201020BVIIIZR371.18.0

Fundstelle(n):
XAAAH-67659