Uni als erste Tätigkeitsstätte? Nicht immer ...
BFH entscheidet Fall zu verpflichtendem Auslandssemester
Dass eine zur beruflichen Qualifikation respektive zum Studium in Vollzeit außerhalb eines Dienstverhältnisses aufgesuchte Bildungseinrichtung nach gesetzlicher Festlegung erste Tätigkeitsstätte ist, hat der BFH jüngst selbst „schmerzlich“ in Erinnerung gerufen. Mit dem vor wenigen Wochen veröffentlichten Urteil v. - VI R 24/18 (dazu Geserich, NWB 43/2020 S. 3152) stellte das Gericht fest, dass es für die Einordnung nach § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG (sogar) ohne Belang ist, wie lang die Bildungsmaßnahme dauert – entsprechend war die Lehranstalt selbst bei einem nicht einmal vier Monate umfassenden Schweißtechnikerlehrgang erste Tätigkeitsstätte. Mit Gerichtsbescheid vom selben Tag hat der BFH aber auf der anderen Seite zu einer vom Bund der Steuerzahler unterstützten Musterklage (Verfahren VI R 3/18) eine für die Steuerpflichtigen positive Entscheidung gefällt. Demnach wurden die im Rahmen eines einheitlichen Studiengangs während zweier obligatorischer Auslandssemester aufgesuchten (Bildungs-)Einrichtungen jeweils nicht zur ersten Tätigkeitsstätte.
Nach der Studienordnung in diesem Fall blieb die bereits über eine abgeschlossene Erstausbildung verfügende Studentin während des Auslandsaufenthalts Mitglied der (inländischen) Fachhochschule. Der BFH kam insbesondere aufgrund dieser weiterhin bestehenden Zuordnung zu dem Schluss, dass die ausländischen zugleich auswärtige Einrichtungen seien, die eben nicht der Fiktion („Als erste Tätigkeitsstätte gilt ...“) des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG unterfallen. Es bedeutet dies, dass sich Steuerpflichtige dort nicht auf die immer gleichen Wege-, Unterkunfts- und anfänglich ferner Verpflegungsbedingungen einstellen können – eine aus meiner Sicht inhaltlich zutreffende Betrachtung, die sich im Umkehrschluss aus der Begründung der Abzugsbeschränkungen an der ersten Tätigkeitsstätte ergibt. Das Gericht schafft damit – wie es auch selbst erwähnt – zudem eine Gleichstellung mit der Situation bei Ausübung einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit. Dies ist ebenfalls richtig, denn es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber Fälle von zu vorweggenommenen Werbungskosten führenden Ausbildungen schlechter stellen wollte als die bereits laufende Berufstätigkeit.
Die systematisch überzeugende Entscheidung ist als erfreulich zu werten, ganz sicher auch für die Mobilität und Flexibilität von Studierenden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Situation des Verfahrens etwa mit obligatorischer auswärtiger Studienphase sicherlich nicht auf alle Fälle übertragbar ist. Ferner darf es sich – als besonderer Fallstrick – aufgrund der Abzugsversagungen in § 9 Abs. 6 und § 4 Abs. 9 EStG (vgl. zu diesen etwa Hilbert, NWB 3/2020 S. 136) nicht um den ersten Bildungsabschnitt nach der Schule handeln. Zwar kann über § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dann trotzdem ein Kostenabzug in Betracht kommen, aber eben nur als (nicht vor- oder rücktragsfähige) Sonderausgaben und beschränkt auf 6.000 € pro Jahr. Darüber hinaus sind dabei zur Ermittlung der Höhe der Aufwendungen zwar viele, aber eben auch nicht alle der entsprechenden Betriebsausgaben- und Werbungskostenregelungen anzuwenden.
Lukas Hilbert
Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 3217
GAAAH-62290