SteuerStud Nr. 12 vom Seite 769

Gesetzgeberische Meilensteine des Jahres 2020

Dr. Martin Weiss | Steuerberater | steuerstud-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen und Leser,

so hatten wir uns den Beginn des neuen Jahrzehnts sicher alle nicht vorgestellt! Auch der Gesetzgeber war – abgesehen von der dringend anstehenden Umsetzung der „ATAD“, also der „Anti Tax Avoidance Directive“ der EU – eher auf ein durchschnittliches Jahr in Bezug auf seine Aktivitäten eingestellt. So rapide jedoch, wie sich die Situation an der Gesundheitsfront im Verlauf des Jahres entwickelt hat – und noch entwickelt – so schnell musste der Gesetzgeber allerdings auch auf neue Bedürfnisse der Stpfl. und die dramatisch schlechtere makroökonomische Entwicklung reagieren.

Mit zwei „Corona-Steuerhilfegesetzen“ hat er die durch die COVID-19-Krise hervorgerufenen Probleme in – für seine Verhältnisse – erstaunlicher Geschwindigkeit angepackt (s. hierzu den Kurzüberblick ab S. 772). So würde man sich das immer wünschen – fast schade, dass es für diese Art der Beschleunigung einen so betrüblichen Anlass brauchte! So wurden etwa Erleichterungen bei Umwandlungen in Form einer längeren, jetzt zwölfmonatigen Frist zur Anmeldung der Umwandlung nach dem Übertragungsstichtag in § 17 UmwG implementiert. Für die Vorschriften des UmwStG, die nicht direkt auf die Norm verweisen, hat der Gesetzgeber in den Anwendungsregelungen des § 27 UmwStG entsprechende Erleichterungen vorgesehen.

Die Ironie ist nun, dass ausgerechnet das vermeintlich sichere Projekt ATAD offenbar – entgegen unionsrechtlichen Verpflichtungen – dieses Jahr nicht mehr umgesetzt wird, während eine „Buchstabensuppe“ von Gesetzen zahlreiche weitere Aspekte des Steuerrechts munter ändert. Erfreulicherweise ist nicht jede dieser Änderungen mit einem Verfalldatum („sunset clause“) versehen worden. So ist der gewerbesteuerliche Freibetrag bei den Zinsaufwendungen des § 8 Nr. 1 GewStG von 100.000 € auf 200.000 € erhöht worden, wobei die Gewerbebetriebe davon bereits im Erhebungszeitraum 2020 und danach auch dauerhaft profitieren können. Ebenso ist der Anrechnungsfaktor des § 35 EStG bei der Steuerermäßigung für die Gewerbesteuer von 3,8 auf 4,0 erhöht worden – insoweit „rückwirkend“ bereits für den VZ 2020 und ebenfalls ohne zeitliche Begrenzung – ein längst überfälliger Schritt.

Zudem hat sich der Gesetzgeber zu vor Jahresbeginn noch undenkbaren Veränderungen bei der Behandlung steuerlicher Verluste durchgerungen. Noch Ende 2019 hatte er – versteckt im „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ – eine massive Verschlechterung des Verlustausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen umgesetzt (§ 20 Abs. 6 Satz 5, 6 EStG; vgl. auch Weiss, SteuerStud 10/2020 S. 640, 644, NWB EAAAH-54571). Mit dem Fortschreiten der Krise hat er nun zumindest teilweise ein Einsehen gehabt und die Höchstbeträge beim Verlustrücktrag unter § 10d Abs. 1 EStG „mal eben“ verfünffacht. Die „Mindestbesteuerung“ des § 10d Abs. 2 EStG – als vorhersehbare langfristige Hürde für die Nutzung der nun anfallenden „COVID-19-Verluste“ – bleibt jedoch erst einmal unverändert.

„Never let a good crisis go to waste“, würde man da auf Englisch sagen. Für die schnelle Umsetzung der Hilfen für die Stpfl. ist der Gesetzgeber zu loben. Man darf hoffen, dass der positive Schwung bei der Gesetzgebung im neuen Jahr erhalten bleibt, auch wenn die 2021 anstehende Bundestagswahl bereits als „Gegengewicht“ zu erwarten ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine angenehme Lektüre sowie ein gutes und vor allem gesundes neues Jahr!

Ihr

Martin Weiss

Fundstelle(n):
SteuerStud 12/2020 Seite 769
NWB MAAAH-59366