NWB Nr. 36 vom Seite 2649

Vorsicht geboten

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Die „funktionsfähige betriebliche Einheit“ als Anwendungsvoraussetzung des § 6 Abs. 3 EStG

§ 6 Abs. 3 EStG ist eine der zentralen Vorschriften im Bereich der Umstrukturierungen von Unternehmen. Sie ermöglicht unter Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips eine ertragsteuerneutrale Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils auf eine andere Person. Allerdings hatte das Bundesfinanzministerium zum Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG bislang eine sehr restriktive Auffassung vertreten. Ende letzten Jahres dann die Kehrtwende. Mit Schreiben vom akzeptierte die Finanzverwaltung endlich die inzwischen ergangene und gefestigte BFH-Rechtsprechung. Insbesondere die damit erfolgte Aufgabe der Gesamtplanbetrachtung bei zeitgleicher Übertragung des Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG und von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 EStG ist aus Sicht der Praxis erfreulich.

Doch wer meint, nun sei alles geklärt, der irrt! Nicht nachvollziehbar bleibt zum Beispiel, warum die taggleiche Entnahme oder Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens buchwertschädlich sein soll. Zumindest soweit die Entnahme oder Veräußerung vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils erfolgt, steht diese Auffassung – so Kraft in NWB 1/2020 S. 20 –, nicht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Für die Übergabe von Einzelunternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt hält das BMF-Schreiben sogar nur „Steine statt Brot“ bereit, weshalb Böttcher/Ferstl in NWB 10/2020 S. 717 unter Darstellung der bilanziellen Folgen verschiedene Lösungsansätze vorgestellt haben. Wulf wiederum hat sich in NWB 20/2020 S. 1493 mit dem Zusammenspiel von § 6 Abs. 3 EStG und §§ 13a, 13b ErbStG auseinandergesetzt, um die Gestaltungsmöglichkeiten zur Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei der Familien-GmbH & Co. KG aufzuzeigen.

Mit den Gestaltungsmöglichkeiten bei der buchwertneutralen Übertragung betrieblicher Sachgesamtheiten befasst sich in dieser Ausgabe nun Weeg auf . Neben einem Überblick über aktuelle Abgrenzungs- und Gestaltungsfragen zu betrieblichen Sachgesamtheiten, analysiert er insbesondere die neu aufgenommene „funktionsfähige betriebliche Einheit“, welche nunmehr als Anwendungsvoraussetzung des § 6 Abs. 3 EStG zu sehen ist. Dabei nimmt er auch eine systematische Abgrenzung von der bislang im Kontext des § 6 Abs. 3 EStG maßgeblichen „steuerfunktionalen Einheit“ vor. Es zeigt sich, dass auch in Zukunft in Fällen der vorweggenommenen Erbfolge oder bei Unternehmensrestrukturierungen Vorsicht geboten ist, da die Existenz einer „funktionsfähigen betrieblichen Einheit“ aktuell noch mit diversen steuerlichen Zweifelsfragen verbunden sein kann.

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 2649
NWB LAAAH-57178