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Grundlagen - Stand: 22.09.2023

Betriebsunterbrechung und Betriebsverpachtung im Ganzen

Gunnar Tetzlaff

A. Problemanalyse

I. Rechtsinstitute

1Stellt ein Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit ein, liegt darin nicht notwendigerweise eine Betriebsaufgabe i. S. von § 16 Abs. 3 EStG, die die Aufdeckung stiller Reserven zur Folge hätte. Nach § 16 Abs. 3b EStG erfolgt keine Betriebsaufgabe, wenn ein Fall der Betriebsunterbrechung oder der Betriebsverpachtung im Ganzen vorliegt. Beide Rechtsinstitute werden unter den Oberbegriff „Betriebsunterbrechung i. w. S.“ subsumiert und werden im Folgenden näher dargestellt. Solange die Voraussetzungen für eine Betriebsfortführung grundsätzlich vorhanden sind und der Steuerpflichtige keine Aufgabeerklärung abgegeben hat, unterbleibt die Aufdeckung der im Betrieb enthaltenen stillen Reserven, da der Betrieb nicht als aufgegeben gilt (Fiktion der Betriebsfortführung). Die Betriebsfortführungsfiktion wurde durch die Rechtsprechung entwickelt und war jahrzehntelang, bis zur Kodifizierung von § 16 Abs. 3b EStG, nicht gesetzlich geregelt. Die Auswirkungen der Aufgabeerklärung werden im Folgenden nur in Grundlagen, und auf den Fall der Betriebsverpachtung beschränkt, dargestellt.

II. Betroffene Betriebe

2Die Betriebsfortführungsfiktion aus § 16 Abs. 3b EStG findet Anwendung, soweit es sich um eine Betriebsverpachtung im Ganzen oder um einen Fall der Betriebsunterbrechung (sog. ruhender Gewerbebetrieb) eines Betriebs oder Teilbetriebs handelt. Sie ist sowohl bei Einzelunternehmen als auch bei Personengesellschaften/Mitunternehmerschaften anzuwenden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung erstreckt sich der Geltungsbereich von § 16 Abs. 3b EStG auch auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) oder aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG i. V. m. § 14 Satz 2 EStG).

Für mehrere (Sonder-)Fälle grundsätzlich gewerblicher Einkünfte sieht die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich von § 16 Abs. 3b EStG jedoch nicht als eröffnet an. Die Regelung gilt nicht für gewerblich geprägte Personengesellschaften, da diesen aufgrund der gewerblichen Prägung das Verpächterwahlrecht nicht zusteht, für die Besitzpersonengesellschaft bei einer (mitunternehmerischen) Betriebsaufspaltung und die Verpachtung des Betriebs eines Mitunternehmers an seine Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). § 16 Abs. 3b EStG kommt ebenfalls nicht zur Anwendung, wenn eine Betriebsaufgabe anlässlich (d. h. in engem zeitlichen Zusammenhang) der Beendigung der aktiven, werbenden Tätigkeit durch schlüssige und unmissverständliche Handlung erfolgt und dies dem Finanzamt gegenüber zeitnah erklärt wird.

3-9Einstweilen frei

B. Problemlösung

I. Betriebsunterbrechung (ruhender Gewerbebetrieb)

1. Tatbestandsvoraussetzungen

10Ein ruhender Betrieb (Betriebsunterbrechung i. e. S.) und damit keine Betriebsaufgabe ist anzunehmen, wenn eine Absicht zur Fortführung der werbenden Tätigkeit innerhalb eines „überschaubaren Zeitraums“ in gleichartiger oder ähnlicher Weise besteht (Fortführungsabsicht). Eine eindeutige Abgrenzung des entscheidenden Begriffs des „überschaubaren Zeitraums“ lässt sich aus der Rechtsprechung nicht ableiten; die Länge des Zeitraums bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der BFH hielt teilweise eine vorübergehende Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit bei einem Zeitraum von 30 bis 40 Jahren. für möglich, ohne darin jedoch eine allgemeine Höchstgrenze zu sehen In der Literatur wird ein Zeitraum von mehr als 25 Jahren jedoch teilweise abgelehnt. In einem aktuellen Urteil hielt der BFH (zumindest bei Handelsunternehmen) sogar einen Zeitraum von 61 Jahren für unschädlich, da ein außergewöhnlich langer Zeitraum der Annahme einer Betriebsunterbrechung nicht entgegenstehe. Auch die Tatsache, dass der bisherige Betriebsinhaber verstorben ist, steht nach Auffassung des BFH der Annahme einer Betriebsunterbrechung nicht entgegen, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen von einer (Erbes-)Erbengemeinschaft gehalten werden.

11Damit ein ruhender Betrieb vorliegen kann, ist es nach Auffassung des BFH erforderlich, dass die zurückbehaltenen, nicht grundlegend umgestalteten und weiterhin gebrauchstauglichen Wirtschaftsgüter jederzeit die Wiederaufnahme des Betriebs gestatten. Die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung. Zwischen dem stillgelegten und dem wiederaufgenommenen Betrieb soll wirtschaftliche Identität herrschen. Ausgehend von der Schwierigkeit des praktischen Nachweises der Fortführungsabsicht hält es die neuere BFH-Rechtsprechung für ausreichend, wenn die Fortführung der werbenden Tätigkeit objektiv möglich ist und keine eindeutige Aufgabeerklärung abgegeben wird.

12Werden wesentliche Betriebsgrundlagen zerstört, z. B. durch Brand, kann die Absicht der Betriebsfortführung durch Ersatzbeschaffung z. B. durch Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR bekundet werden.

13Typische Fälle für Betriebsunterbrechungen sind u. a.:

  • Saisonbetriebe wie z. B. Eisdielen in Badeorten oder Hotels in Wintersportorten,

  • Ferienwohnungen, die vorübergehend nicht über Feriendienstorganisationen (Vermittler) vermietet werden,

  • ein Handelsvertreter gibt bisherige Vertretungen auf und übernimmt nach einiger Zeit neue,

  • Betriebe, die aufgrund von behördlichen Maßnahmen stillgelegt werden, wobei die Stilllegung nicht auf Dauer angelegt ist.

2. Rechtsfolgen

14Bei einer Betriebsunterbrechung besteht der (nicht mehr aktive) Betrieb fort und eine Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven unterbleibt in diesem Zeitraum. Erzielt der Steuerpflichtige aus der Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen an Dritte während der Betriebsunterbrechung Einnahmen, so unterliegen diese der Einkommensteuerpflicht.

15Während der Dauer der Einstellung ist die Gewinnermittlung nach den maßgebenden Grundsätzen (§ 4 Abs. 1, § 5 oder § 4 Abs. 3 EStG) weiter vorzunehmen. Wird der Betrieb im Anschluss an die Betriebsunterbrechung aufgegeben, handelt es sich um eine begünstigte Betriebsaufgabe.

16Für die Zwecke der Gewerbesteuer ist auf die Art und die Dauer der Betriebsunterbrechung abzustellen. Vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben nach § 2 Abs. 4 GewStG die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf. Eine vorübergehende Unterbrechung liegt u. a. bei den sog. Saisonbetrieben, insbesondere beim Bauhandwerk, den Bauindustrien, den Kurortbetrieben aller Art oder den Zuckerfabriken, vor. Dies gilt auch für die kurzfristigen Betriebsunterbrechungen nach einer Umstrukturierung bzw. anlässlich einer Betriebsverlegung sowie für die gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen. Die Gewerbesteuerpflicht bleibt ebenfalls bestehen, wenn der vorübergehende Stillstand der gewerblichen Tätigkeit durch nicht beeinflussbare Ereignisse ausgelöst wurde.

17Das entscheidende Kriterium für das Bestehenbleiben der Gewerbesteuerpflicht ist, ob die Voraussetzung der Nachhaltigkeit der Betätigung (siehe § 15 Abs. 2 EStG) bestehen bleibt. Somit bedeuten auch andere Unterbrechungen, die nicht durch die Art des Betriebs veranlasst sind, keine Betriebseinstellung, wenn sich der Unternehmer in der erkennbaren Absicht betätigt, nachhaltig Erträge zu erzielen. Die Rechtsprechung stellt dabei auf die Absicht der Betriebsfortführung ab, die anhand des Vorhandenseins und -bleibens der wesentlichen Betriebsgrundlagen nachgewiesen wird. Eine absolute zeitliche Grenze für die beabsichtigte Wiederaufnahme des Gewerbebetriebs besteht nicht. Es ist auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen. Allerdings führt die bloße Absicht des Unternehmers, die Tätigkeit nach einem längeren Zeitraum wiederaufzunehmen, nicht zu einer vorübergehenden Unterbrechung.

18-19Einstweilen frei

II. Betriebsverpachtung im Ganzen

1. Grundlagen der Betriebsverpachtung
a) Begriff der Betriebsverpachtung

20Wird ein ganzer Gewerbebetrieb durch einen Steuerpflichtigen verpachtet, wäre grundsätzlich davon auszugehen, dass keine Betriebsunterbrechung, sondern eine Betriebsaufgabe vorliegt, da der bisherige Betriebsinhaber in der Regel langfristig oder auf Dauer nicht mehr in einer Weise tätig ist, die die für den Tatbestand der gewerblichen Tätigkeit notwendigen Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG erfüllt. Dies hätte die Überführung des Betriebsvermögens in den privaten Bereich und damit die sofortige, unter den Voraussetzungen der §§ 16, 34 EStG ggf. begünstigte, Versteuerung der stillen Reserven zur Folge. Dem Steuerpflichtigen wird jedoch seit langem von der Rechtsprechung ein steuerliches Wahlrecht gewährt, das es ihm ermöglicht, die sofortige Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden. Seit dem ist dieses Wahlrecht auch im Einkommensteuergesetz enthalten. Es wird in der Literatur im allgemeinen als Verpächterwahlrecht bezeichnet.

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