BFH Urteil v. - VII R 12/18

vZTA nach Unionszollkodex - Tarifierung eines Probeneinlasssystems für ein Massenspektrometer

Leitsatz

1. Die gegen eine vZTA i.S. des Art. 33 Abs. 1 UZK erhobene Anfechtungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) erledigt sich nicht, wenn die vZTA aufgrund einer Änderung der KN nach Klageerhebung ungültig geworden ist.

2. Ein Probeneinlasssystem für ein Massenspektrometer ist unter Anwendung der Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN in die Unterpos. 8424 89 00 KN einzureihen.

Gesetze: FGO § 100 Abs. 1 Satz 1; EUV 952/2013 Art. 33 Abs. 1; EUV 952/2013 Art. 34 Abs. 1; KN Unterpos. 8424 89 00 Kap. 90 Anm. 2 Buchst. a Unterpos. 9027 90 50 Abschn. XVI Anm. 3 KN Unterpos. 8424 89 00, Kap. 90 Anm. 2 Buchst. a, Unterpos. 9027 90 50, Abschn. XVI Anm. 3

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für ein „. (Probeneinlasssystem)“ namens . (X) und schlug eine Einreihung als Teil eines Massenspektrometers in die Unterpos. 9027 90 50 der Kombinierten Nomenklatur (KN) vor.

2 Der X wird in einem Massenspektrometer mit i.d.R. induktiv gekoppeltem Plasma eingesetzt, das im Rahmen der anorganischen Elementaranalytik der Ultraspurenanalyse dient. Dabei wird die Masse der Ionen, die nach der Ionisierung der zu untersuchenden Substanzen im Plasma erzeugt wurden, analysiert, detektiert und ausgewertet. Ein solches Spektrometer besteht aus verschiedenen miteinander verbundenen Modulen, im Wesentlichen aus einem Probeneinlasssystem, einer Ionisationseinheit sowie einem Analysator mit nachgeschaltetem Detektor und einer separaten Einheit zur Steuerung und Auswertung. Dabei bilden die Ionisations- und die Detektoreinheit räumlich die zentrale Massenspektrometer-Einheit. Das Probeneinlass- oder Probenzufuhrsystem bereitet die Proben für die spätere Analyse auf. Dazu werden die zu untersuchenden Substanzen sowie definierte Trägersubstanzen durch sog. Autosampler mittels peristaltischer Pumpen angesaugt und z.B. dem X über Schlauchleitungen zugeführt.

3 Der X besitzt einen eigenen Stromanschluss. Er wird über Schläuche mit dem Autosampler verbunden und an den Injektor der Ionisationseinheit angeschlossen, um die zu untersuchende Probe ionisieren zu können. Ihm liegen standardmäßig zwei PFA-Zerstäuber (PFA = Perfluoralkoxy-Polymere = Kunststoff) bei, wovon einer auf der Vorderseite des Gehäuses in das Gerät eingeführt wird. Der Zerstäuber besitzt eine Röhrenform mit einer zentrierten Kapillare, einem Schlauchanschlussstück, einem Anschluss für die Argonversorgung und einer sich nach vorne verengenden Düse. Die zu untersuchende Probe befindet sich in der Kapillare in der Mitte des Zerstäubers. Das Argon wird um die Kapillare herum durch den Zerstäuber geführt und reißt die zu untersuchende Flüssigkeitssäule mit sich, wodurch aufgrund der Verengung an der Spitze des Zerstäubers aus der Probenflüssigkeit ein Aerosol wird. Über den Massenflussregler, der im Spektrometer verbaut ist, können die Intensität des Argongasflusses und damit auch die Intensität der Zerstäubung geregelt werden. Der Zerstäuber mündet in eine beheizte PFA-Sprühkammer ein, die bei Bedarf gewechselt werden kann und in der sich die Probe und das Argon vermischen. Die Sprühkammer ist von einem Metallblock umgeben, der durch eine elektrische Heizung (Heizdrähte) beheizt werden kann. Durch das Erwärmen wird die Tröpfchengröße des Aerosols verringert. Die Sprühkammer ist über Schläuche mit dem sog. Condenser verbunden. Hierbei handelt es sich um ein aus Quarzglas bestehendes Rohr, das ebenfalls von einem Metallblock umgeben ist, der über ein Peltier-Element gekühlt werden kann. Durch die Kühlung wird das überschüssige kondensierte Lösungsmittel aus dem Aerosol getrennt und mittels einer externen peristaltischen Pumpe aus dem Condenser entfernt. Das Ausscheiden des Lösungsmittels durch den Kühlvorgang verbessert die Eigenschaften der zu analysierenden Probe, so dass ein fast gasförmiges Aerosol in die zentrale Massenspektrometer-Einheit eingeführt wird.

4 Mit vZTA . vom reihte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt —HZA—) den X in die Unterpos. 8419 89 98 KN ein. Es liege ein „Apparat, elektrisch beheizt, zum Behandeln von Stoffen durch auf einer Temperaturveränderung beruhende Vorgänge, keine Ware der Unterpos. 8419 11 00 bis 8419 89 30“ vor.

5 Mit Einspruchsentscheidung vom wies das HZA den Einspruch hinsichtlich des Begehrens, den X in die Unterpos. 9027 90 50 KN einzureihen, zurück, hob die am erteilte vZTA auf und reihte den X außerdem mit vZTA . vom in die Unterpos. 8424 89 00 KN ein.

6 Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Hauptantrag, das HZA zu verpflichten, der Klägerin eine vZTA zu erteilen, mit der der X für den Zeitraum vom bis zum in die Unterpos. 9027 90 50 KN eingereiht werde, sei zulässig. Für diesen Zeitraum sei der Klagegegenstand nicht entfallen und der Rechtsstreit deshalb nicht in der Hauptsache erledigt, weshalb die Klägerin zu Recht an der im Zeitpunkt der Klageerhebung statthaften Verpflichtungsklage festgehalten habe. Die Aufhebung der Unterpos. 8424 89 00 KN zum habe zwar zur Folge, dass die vZTA unwirksam geworden sei. Der Verlust der Wirksamkeit wirke jedoch nur für die Zukunft. Bis zum sei die vZTA noch wirksam und ab Geltung der die vZTA betreffenden neuen Vorschriften ab dem auch für die Klägerin bindend gewesen. Die Klägerin habe den X im Wirksamkeitszeitraum der vZTA laufend importiert und gegen die ergangenen Einfuhrabgabenbescheide Einspruch eingelegt. Sollte die Ware für diesen Zeitraum in eine günstigere KN-Position eingereiht werden, sei das HZA im Rahmen der Einspruchsentscheidungen daran gebunden.

7 Der Hauptantrag sei jedoch unbegründet, weil das HZA den X zu Recht in die Unterpos. 8424 89 00 KN eingereiht habe. Einzelkomponenten, die —wie der X— gesondert gestellt würden, seien wie Teile einer körperlichen Einheit zu behandeln, weshalb sich die Einreihung des X nach der Anm. 2 zu Kap. 90 KN richte. Der X stelle eine Ware der Pos. 8424 KN dar. Da der X aus mehreren Bestandteilen bestehe, sei die Anm. 3 zu Abschn. XVI KN anzuwenden, wonach kombinierte Maschinen nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit einzureihen seien. Die Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN gelte auch dann, wenn sich die Ware als ein Teil einer Ware des Kap. 90 KN darstelle. Der X bestehe aus drei in verschiedenen Positionen des Abschn. XVI KN erfassten Maschinen, die zusammen arbeiteten und in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht seien. Dabei handele es sich um eine beheizbare Sprühkammer, die in die Pos. 8419 KN einzureihen sei. Das den Condenser kühlende Peltier-Element sei als Maschine zur Kälteerzeugung in die Pos. 8418 KN und der Zerstäuber in die Pos. 8424 KN einzureihen. Ausschlaggebend sei —zumindest nach der Allgemeinen Vorschrift zur Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 3 Buchst. c— die Pos. 8424 KN. Der Hilfsantrag sei bereits unzulässig.

8 Ihre Revision begründet die Klägerin dahin, der X sei weder eine kombinierte Maschine noch ein Apparat i.S. der Anm. 3 zu Abschn. XVI KN. Die vom X verrichtete Tätigkeit bestehe zwar aus Zerstäuben, Erhitzen und Kühlen. Dies bedeute jedoch nicht, dass diese Arbeit von drei Maschinen, Geräten oder Apparaten ausgeführt werde. Der X bestehe nicht aus selbständigen Geräten, sondern aus integralen Bauelementen, die keinerlei bauliche oder funktionale Eigenständigkeit hätten. Der X sei daher als eine Vorrichtung zu betrachten. Den Begriffen der Maschine, des Geräts und des Apparats sei immanent, dass die betreffende Vorrichtung eine gewisse Eigenständigkeit aufweise und dementsprechend als einzelne Maschine erkennbar sei. Der Zerstäuber als Bauteil des X sei keine Maschine i.S. der Pos. 8424 KN, weil dieser zentral über das Massenspektrometer gesteuert werde. Deshalb sei der Zerstäuber ein unverzichtbares Bauteil und Funktionsbestandteil des X und wiederum des Massenspektrometers. Die Sprühkammer könne nicht der Pos. 8419 KN zugeordnet werden, weil auch diese vom Massenspektrometer gesteuert werde und sie keinem Behandeln von Stoffen durch auf Temperaturveränderung beruhende Vorgänge diene. Zudem sei der Schritt der Temperaturänderung nur im Zusammenhang mit der Kühlung und der Zerstäubung zu betrachten. Schließlich gehöre der Condenser nicht in die Pos. 8418 KN, weil das Peltier-Element keine eigene, selbständige Funktion ausübe und die Kühlung nicht als Funktion i.S. der Pos. 8418 KN betrachtet werden könne. Weder die Funktion des Zerstäubens noch die Funktionen des Trocknens und des Kühlens würden durch eine Maschine eigener Art ausgeübt. Daher habe die Einreihung nach der Anm. 2 Buchst. b zu Kap. 90 KN in die Unterpos. 9027 90 50 KN zu erfolgen, weil der X speziell für Massenspektrometer konzipiert sei. Darüber hinaus sei die Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN eng auszulegen und ein Rückgriff auf die AV 3 Buchst. c unzulässig, weil ansonsten für die Anm. 2 Buchst. b zu Kap. 90 KN kaum noch ein Anwendungsbereich bliebe. Die Anm. 3 zu Kap. 90 KN komme ebenfalls nicht zur Anwendung.

9 Abgesehen davon habe das FG ein anderes Bauteil eines Massenspektrometers, den sog. Autosampler, in Kap. 90 KN eingereiht. Für das FG sei in diesem Verfahren maßgeblich gewesen, dass eine gesonderte Tarifierung eines Gerätes des Kap. 90 KN nur dann zulässig sei, wenn sich die Funktion dieses Teils deutlich von der Funktion des Geräts unterscheide, dessen Teil es ist. Schließlich weist die Klägerin auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Estron vom  - C-138/18 (EU:C:2019:419, Rz 62, Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2019, Nr. C 255, 11) hin, mit dem ein so genannter Verbinder als Ware des Kap. 90 KN eingereiht worden sei.

10 Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der Vorentscheidung das HZA unter Aufhebung der vZTA . vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom zu verpflichten, ihr eine vZTA zu erteilen, mit der die Ware „X (Zerstäubersystem)“ für den Zeitraum vom bis zum in die Unterpos. 9027 90 50 KN eingereiht wird,

hilfsweise,

unter Abänderung der Vorentscheidung festzustellen, dass die vZTA . vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom rechtswidrig und die Ware „X (Zerstäubersystem)“ in die Unterpos. 9027 90 50 KN einzureihen war,

hilfsweise,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

11 Das HZA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12 Die Funktionen Zerstäuben, Trocknen durch Erhitzen und Kühlen würden jeweils unmittelbar vom Wortlaut einer Position des Kap. 84 KN erfasst, und diese Funktionen würden jeweils von selbständigen Vorrichtungen innerhalb des X ausgeführt. Es handle sich deshalb um Maschinen i.S. des Abschn. XVI KN. Da eine Hauptfunktion nicht gegeben sei, sei die AV 3 Buchst. c anzuwenden. Somit sei der X in die in der Nomenklatur zuletzt genannte Pos. 8424 KN einzureihen. Der X sei ein Teil des gesamten Massenspektrometer-Systems, das sich als funktionelle Einheit darstelle und der Pos. 9027 KN zuzuweisen sei. Die für Teile zu beachtende Anm. 2 zu Kap. 90 KN gelte entgegen der Auffassung der Klägerin auch für Maschinenkombinationen. Der X sei ein eigenständiger Apparat, der sich zudem in einem separaten Tischgehäuse befinde und damit auch eine bauliche Eigenständigkeit aufweise. Dass das gesamte Massenspektrometer-System über eine zentrale Steuerungseinheit gesteuert werde, ändere daran nichts, weil es nicht zum Wesen einer Maschine gehöre, dass sie ohne Zusätze oder Aggregate selbständig Arbeiten durchführen könne.

Gründe

II.

13 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Vorentscheidung entspricht im Ergebnis Bundesrecht (§ 126 Abs. 4 FGO).

14 1. Für den Zeitraum vom bis zum ist jedenfalls eine Anfechtung der vZTA . vom gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig. Ob die mit dem Hauptantrag ebenfalls begehrte Verpflichtung des HZA zur Erteilung einer neuen vZTA, mit der der X in die Unterpos. 9027 90 50 KN eingereiht wird, gemäß § 101 Satz 1 FGO zulässig ist, kann im Streitfall dahinstehen, weil das HZA den X zu Recht in die Unterpos. 8424 89 00 KN eingereiht hat. Hinsichtlich des Zeitraums vom bis zum ist der Hauptantrag unzulässig.

15 a) Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren hat sich für den Zeitraum vom bis zum nicht nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erledigt.

16 Die vZTA . vom ist zwar gemäß Art. 34 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) aufgrund einer Änderung der KN aufgrund der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEU 2016, Nr. L 294/1) mit Ablauf des ungültig geworden, weil sie dem damit gesetzten Recht nicht mehr entsprach.

17 Für die Zeit davor entfaltet die vZTA jedoch eine rechtliche Wirkung, die nicht dadurch entfallen ist, dass die vZTA später mit Wirkung ex nunc ungültig wurde. Gemäß Art. 33 Abs. 2 UZK ist eine vZTA sowohl für die Zollbehörden als auch für ihren Inhaber verbindlich. Dementsprechend kann der Einführer die vZTA bei der Erfüllung von Zollförmlichkeiten nicht mehr —wie unter Geltung des Zollkodex (ZK)— unbeachtet lassen, sondern hat gemäß Art. 20 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom zum UZK die Referenznummer der vZTA zwingend in der Zollanmeldung anzugeben, wenn von den Zollförmlichkeiten Waren betroffen sind, die unter die vZTA fallen. Die beiderseitige Bindung einer vZTA gilt gemäß Art. 252 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zum UZK ab dem auch für solche vZTA, die —wie im Streitfall— zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft waren.

18 Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzinteresse an der beantragten Aufhebung der vZTA . vom . Nach den Feststellungen des FG, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht wurden und an die der Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat die Klägerin den X im Wirksamkeitszeitraum der vZTA laufend importiert und gegen die ergangenen Einfuhrabgabenbescheide Einspruch eingelegt. Die durch die vZTA vorgegebene zolltarifliche Einreihung des X hatte das HZA somit aufgrund der Bindungswirkung der vZTA der Abgabenberechnung für die vom bis zum durchgeführten Einfuhren zugrunde zu legen (Art. 33 Abs. 2 Buchst. a UZK).

19 Die Klägerin hat auch das gemäß § 44 Abs. 1 FGO erforderliche Vorverfahren durchgeführt. Die vZTA . vom ist gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung an die Stelle der ursprünglich mit dem Einspruch angefochtenen vZTA . vom getreten. Im April 2015 galt noch Art. 12 Abs. 5 Buchst. a iii ZK, wonach die Änderung einer vZTA mit Wirkung ex nunc grundsätzlich möglich war.

20 b) Hinsichtlich des Zeitraums vom bis zum hat sich die vZTA gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO erledigt, weshalb insofern weder eine Anfechtungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO noch eine Verpflichtungsklage gemäß § 101 Satz 1 FGO zulässig ist. Aufgrund der eingetretenen Erledigung ist nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO (analog) statthaft.

21 Nach der ständigen Senatsrechtsprechung zur früheren Rechtslage unter Geltung des ZK ist der Klagegegenstand entfallen und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, wenn eine im Wege der Verpflichtungsklage angefochtene vZTA gemäß Art. 12 Abs. 5 ZK ungültig wird. Eine Fortführung des auf Verpflichtung des HZA zur Erteilung einer vZTA gerichteten Klageverfahrens kommt nicht in Betracht, weil es keinen zollrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Tarifauskunft gibt. Nach Art. 12 Abs. 1 ZK erteilen die Zollbehörden eine vZTA auf schriftlichen Antrag sowie unter den Voraussetzungen der Art. 6 und Art. 7 der Zollkodex-Durchführungsverordnung. Wird dem Antragsteller eine vZTA erteilt, ist sein Antrag beschieden, und zwar unabhängig davon, ob er die tarifliche Einreihung durch die Zollbehörde für zutreffend hält oder nicht. Ein eventuelles späteres Ungültigwerden der erteilten vZTA gemäß Art. 12 Abs. 5 ZK (ob diese angefochten ist oder nicht) führt daher nicht dazu, den Antrag auf Erteilung einer vZTA nunmehr als nicht beschieden anzusehen (Senatsbeschluss vom  - VII R 38/12, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2014, 135; Senatsurteil vom  - VII R 83/96, ZfZ 1998, 372).

22 Davon ausgehend ist hinsichtlich des Zeitraums vom bis zum eine Aufhebung der vZTA . vom nicht möglich, weil diese mit Ablauf des ungültig geworden ist und sich somit die Hauptsache für den genannten Zeitraum, in dem noch der ZK anzuwenden war, erledigt hat. Eine Bindungswirkung, wie sie ab Geltung des UZK ab dem besteht, kam der vZTA unter Geltung des ZK nicht zu.

23 c) Das FG hat die Klage jedoch im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die vZTA . vom rechtmäßig war. Das HZA hat den X zu Recht als „mechanischen Apparat zum Zerstäuben von Flüssigkeiten (Kombination aus Apparat zum Zerstäuben von Flüssigkeiten und Apparat zur Kälteerzeugung und elektrisch beheizte Vorrichtung zum Behandeln von Stoffen durch auf einer Temperaturveränderung beruhende Vorgänge —ohne kennzeichnende Haupttätigkeit—, in Warenzusammenstellung mit nichtcharakterbestimmendem Beipack)“ in die Unterpos. 8424 89 00 KN eingereiht.

24 aa) Der X wird als solcher nicht vom Wortlaut einer Position der KN in der bis zum gültigen Fassung erfasst (vgl. AV 1). Vielmehr hat das FG die eingeführten Waren zu Recht als Teile von Massenspektrometern der Pos. 9027 KN angesehen.

25 Bei einem Massenspektrometer handelt es sich um eine funktionelle Einheit bestehend aus einem Probeneinlasssystem, einer Ionisationseinheit und einem Analysator mit nachgeschaltetem Detektor sowie einer separaten Einheit zur Steuerung und Auswertung. Diese Einzelkomponenten sind miteinander verbunden und üben gemeinsam eine genau bestimmte, in der Pos. 9027 KN erfasste Funktion aus, nämlich die physikalische oder chemische Untersuchung in Form der Analyse der Masse der Ionen einer bestimmten Substanz (Anm. 3 zu Kap. 90 KN i.V.m. Anm. 4 zu Abschn. XVI KN).

26 Der Begriff „Teil“ setzt voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktionieren das Teil unabdingbar ist. Das mechanische oder elektrische Funktionieren der Maschine muss von diesem Teil abhängen (EuGH-Urteile Rohm Semiconductor vom  - C-666/13, EU:C:2014:2388, Rz 45 f., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 94; Data I/O vom  - C-297/13, EU:C:2014:331, Rz 35, ZfZ 2014, 194, und G.E. Security vom  - C-143/15, EU:C:2016:115, Rz 60 ff., ABlEU 2016, Nr. C 145, 12). Auch Einzelkomponenten einer funktionellen Einheit, die —wie der X— gesondert gestellt werden, sind wie Teile einer körperlichen Einheit zu behandeln, weshalb sich die Einreihung des X nach der Anm. 2 zu Kap. 90 KN richtet.

27 bb) Nach Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN sind Teile und Zubehör, die sich als Waren einer Position des Kap. 90 oder des Kap. 84, 85 oder 91 KN (ausgenommen der Pos. 8487, 8548 oder 9033 KN) darstellen, dieser Position zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente sie bestimmt sind. Maschinenteile oder -zubehör, die als eigenständige Waren von diesen Positionen erfasst werden, können somit nicht in die Positionen eingereiht werden, die in dem Klammerzusatz in Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN genannt sind. Stellt sich somit ein Teil oder ein Zubehör als Ware einer Position der Kapitel 84, 85, 90 oder 91 KN dar, ist es —von den genannten Ausnahmen abgesehen— nach eigener Beschaffenheit einzureihen, auch wenn es eigens zur Verwendung als Teil oder Zubehör einer bestimmten Maschine oder eines bestimmten Apparats, Geräts oder Instruments hergestellt worden ist (vgl. EuGH-Urteil Data I/O, EU:C:2014:331, Rz 45, ZfZ 2014, 194, und Erläuterungen zum Harmonisierten System —ErlHS— 31.2 zu Abschn. XVI zur Parallelvorschrift in Anm. 2 zu Abschn. XVI KN).

28 Bei der fertigen Ware, mit der das Teil verglichen werden muss, handelt es sich dabei nicht um die Ware, für die das Teil bestimmt ist (hier das Massenspektrometer), weil es nach der Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN ausdrücklich nicht darauf ankommt, für welche Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente das Teil oder Zubehör bestimmt ist (erst bei der —allerdings erst nachrangig anzuwendenden— Anm. 2 Buchst. b zu Kap. 90 KN ist die Bestimmung des Teils oder Zubehörs maßgeblich). Im Rahmen der Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN ist vielmehr auf eine Ware im Sinne einer Position des Kap.  84, 85, 90 oder 91 KN abzustellen mit ihren objektiven Merkmalen, wie sie in der KN beschrieben wird (vgl. auch ErlHS 54.1 zu Abschn. XVI zur Parallelvorschrift in Anm. 2 zu Abschn. XVI KN, die auf die jeweilige Stelle des Abschn. XVI KN Bezug nimmt; Senatsurteil vom  - VII R 32/17, ZfZ 2019, 25). Erst wenn eine Einreihung nach der Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN —gegebenenfalls unter Einbeziehung der AV— nicht erfolgen kann, darf auf die Anm. 2 Buchst. b zu Kap. 90 KN zurückgegriffen werden.

29 Verfügt eine Ware noch nicht oder nicht eindeutig über alle Beschaffenheitsmerkmale der in Kap. 84, 85, 90 oder 91 KN genannten Waren oder bestehen aufzulösende Positionskonkurrenzen, sind die AV anzuwenden (vgl. zu einem Rückgriff auf die AV 2 Senatsurteil in ZfZ 2019, 25).

30 Eine Einreihung des X als Ware der Kap. 84, 85, 90 oder 91 KN (vgl. Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN) ist weder nach AV 1 noch nach AV 2 Buchst. a möglich, weil diese Ware als solche weder in vollständiger noch in unvollständiger Form von einer Position der Kap. 84, 85, 90 oder 91 KN erfasst ist.

31 Sofern für die Einreihung einer Ware mehrere Positionen in Betracht kommen, ist die AV 3 anzuwenden. Sofern nicht eine der in Frage kommenden Positionen als die genauere i.S. der AV 3 Buchst. a anzusehen ist, richtet sich die Einreihung nach der AV 3 Buchst. b. Danach werden Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der AV 3 Buchst. a nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann. Anderenfalls erfolgt die Einreihung gemäß AV 3 Buchst. c nach der zuletzt genannten in Frage kommenden Position. Für Waren des Abschn. XVI KN wird allerdings die AV 3 Buchst. b durch die Anm. 3 zu Abschn. XVI KN verdrängt, weil die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln den AV 2 ff. vorgehen (vgl. AV 1). Danach sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, kombinierte Maschinen aus zwei oder mehr Maschinen verschiedener Art, die zusammen arbeiten sollen und ein Ganzes bilden, sowie Maschinen, die ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt sind, zwei oder mehrere verschiedene, sich abwechselnde oder ergänzende Tätigkeiten (Funktionen) auszuführen, nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit (Hauptfunktion) einzureihen. Dabei gilt nach AV 2 Buchst. a jede Anführung einer Ware in einer Position auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Auf die Funktionsfähigkeit der Ware kommt es dabei nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom  - VII B 37/09, BFH/NV 2010, 84).

32 cc) Der X stellt sich unter Anwendung der Anm. 3 zu Abschn. XVI KN und der Berücksichtigung der vom FG festgestellten Hauptfunktion als Ware der Pos. 8424 KN dar.

33 Die beheizbare Sprühkammer ist für sich betrachtet in die Pos. 8419 KN einzureihen. Diese Position erfasst „Apparate und Vorrichtungen, auch elektrisch beheizt (ausgenommen Öfen und andere Apparate der Position 8514), zum Behandeln von Stoffen durch auf einer Temperaturänderung beruhende Vorgänge, z.B. Heizen, Kochen, Rösten, Destillieren, Rektifizieren, Sterilisieren, Pasteurisieren, Dämpfen, Trocknen, Verdampfen, Kondensieren oder Kühlen, ausgenommen Haushaltsapparate; nicht elektrische Durchlauferhitzer und Heißwasserspeicher“. Zu dieser Position gehören somit alle Apparate und Vorrichtungen, die dazu dienen, feste, flüssige oder auch gasförmige Stoffe entweder einer mehr oder weniger intensiven Wärmebehandlung zu unterwerfen oder sie zu kühlen, um lediglich die Temperatur der Stoffe zu ändern oder aber um eine hauptsächlich auf Temperaturänderung (Kochen, Verdampfen, Destillieren, Trocknen, Rösten, Kondensieren usw.) beruhende Umwandlung der Stoffe zu erreichen (ErlHS 15.0 zu Pos. 8419). Nach den Feststellungen des FG wird das Aerosol in der beheizbaren Sprühkammer einer Wärmebehandlung unterzogen, seine Temperatur geändert und seine Beschaffenheit im Hinblick auf die nachfolgende Untersuchung verbessert. Denn durch das Erwärmen wird die Tröpfchengröße des Aerosols verringert.

34 Das Peltier-Element ist als Maschine zur Kälteerzeugung in Pos. 8418 KN „Kühl- und Gefrierschränke, Gefrier- und Tiefkühltruhen und andere Einrichtungen, Maschinen, Apparate und Geräte zur Kälteerzeugung, mit elektrischer oder anderer Ausrüstung; Wärmepumpen, ausgenommen Klimageräte der Position 8415“ einzureihen. Nach ErlHS 02.0 zu Pos. 8418 sind unter den hier erfassten Maschinen, Apparaten, Geräten und Einrichtungen zur Kälteerzeugung in der Regel Maschinen oder Einrichtungen zu verstehen, die bei einem ununterbrochenen Arbeitskreislauf an ihrem Kühlelement (Verdampfer) eine niedrige Temperatur (von etwa 0°C oder darunter) erzeugen. Nach den Feststellungen des FG handelt es sich bei dem Peltier-Element um einen aus Halbleiterelementen bestehenden thermoelektrischen Wandler, dessen eine Seite sich beim Durchfluss von Gleichstrom abkühlt, während sich die andere Seite erwärmt.

35 Der Zerstäuber ist in Pos. 8424 KN „Mechanische Apparate, auch handbetrieben, zum Verteilen, Verspritzen oder Zerstäuben von Flüssigkeiten oder Pulver; Feuerlöscher, auch mit Füllung; Spritzpistolen und ähnliche Apparate; Sandstrahlmaschinen, Dampfstrahlapparate und ähnliche Strahlapparate“ einzureihen. Nach ErlHS 01.0 zu Pos. 8424 gehören hierher Maschinen und Apparate zum Verteilen, Verspritzen oder Zerstäuben von Dampf, Flüssigkeiten oder festen Stoffen (z.B. Sand, Pulvern, körnigen Stoffen oder Metallsand) in Form eines Strahls, Regens (auch tropfenweise) oder Nebels. Nach den Feststellungen des FG kommt dem Nebulizer die Funktion zu, die flüssige Probe zu zerstäuben und sie damit in ein Aerosol, also einen Nebel, umzuwandeln. Dies geschieht auf mechanischem Weg. Das Argon strömt durch den Zerstäuber und reißt aufgrund des entstehenden Unterdrucks die sich in der Kapillare in der Mitte des Zerstäubers befindliche Probenflüssigkeit mit sich, wodurch es an der Verengung an der Spitze des Zerstäubers zur Zerstäubung kommt. Dass der Zerstäuber über den Massenflussregler im Spektrometer gesteuert wird, steht der Einreihung des Zerstäubers in die Pos. 8424 KN nicht entgegen, weil es auf die Funktionsfähigkeit der Waren nicht ankommt (s.o.). Dass der Zerstäuber im Vergleich zum Massenspektrometer selbständig arbeiten können muss, ist ebenfalls keine Voraussetzung.

36 Das FG hat die Zerstäuberfunktion i.S. der Anm. 3 zu Abschn. XVI KN als Hauptfunktion angesehen, indem es zu dem Ergebnis kam, dass ein Probeneinlass- oder Probenzufuhrsystem auch ohne beheizbare Sprühkammer und ohne einen kühlbaren Condenser, jedoch nicht ohne einen Zerstäuber denkbar ist. Dabei handelt es sich um eine für den Senat bindende Feststellung des FG (§ 118 Abs. 2 FGO). Der X ist daher in die Pos. 8424 KN einzureihen.

37 dd) Eine Anwendung der von der Klägerin für einschlägig gehaltenen Anm. 2 Buchst. b zu Kap. 90 KN kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Einreihung bereits unter Anwendung der vorrangigen Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN erfolgen kann.

38 Eine Einreihung des X in Pos. 9021 KN ist ferner auch nicht allein deshalb geboten, weil sich der X möglicherweise durch eine große Präzision oder sorgfältige Fertigung auszeichnet, auch wenn dies ein Kennzeichen der dort erfassten Waren ist (vgl. auch EuGH-Urteil Estron, EU:C:2019:419, Rz 62, ABlEU 2019, Nr. C 255, 11).

39 Soweit die Klägerin auf die angebliche Einreihung eines Autosamplers in Kap. 90 KN hinweist, führt dies ebenfalls nicht zu einem anderen Einreihungsergebnis, weil diese Ware nicht mit der streitgegenständlichen vergleichbar ist.

40 ee) Schließlich kommt auch eine Einreihung in Pos. 9033 KN als Teil einer Ware des Kap. 90 KN in Hinblick auf die Anm. 3 zu Abschn. XVI KN nicht in Betracht. Zudem handelt es sich lediglich um eine Gattungsposition, die gegenüber der genaueren Pos. 8424 KN gemäß AV 3 Buchst. a nachrangig ist.

41 2. Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vZTA .vom begehrt, ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO statthaft, soweit sie die Gültigkeit der vZTA bis zum betrifft. Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat jedoch aufgrund der Rechtmäßigkeit der angegriffenen vZTA keinen Erfolg (s.o.).

42 Ob die Klägerin für den genannten Zeitraum ein berechtigtes Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO an der beantragten Feststellung hat (vgl. dazu Senatsurteil vom  - VII R 54/02, BFH/NV 2004, 797), kann daher dahinstehen.

43 3. Auch der zweite Hilfsantrag der Klägerin führt nicht zum Erfolg, weil die Vorentscheidung dem Bundesrecht entspricht (s.o.).

44 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:U.191119.VIIR12.18.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 1303 Nr. 24
BFH/NV 2020 S. 1032 Nr. 10
BFH/PR 2020 S. 247 Nr. 9
DB 2020 S. 6 Nr. 23
DStR 2020 S. 10 Nr. 23
DStRE 2020 S. 760 Nr. 12
HFR 2020 S. 953 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 26/2020 S. 1904
HAAAH-50069