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Verlustrettung bei Anteilsübertragungen in Zeiten von Corona
Analyse des § 8d KStG aus der Sicht von Start-ups
[i] Dörr/Eggert, Verlustabzug bei Körperschaften (§§ 8c, 8d KStG), Grundlagen, NWB QAAAE-69367 Zahlreiche Start-ups haben aufgrund der Corona-Pandemie Liquiditätsschwierigkeiten, was die Aufnahme von neuem Kapital erforderlich macht. Dabei droht bei Überschreiten der 50 %-Anteilsübertragungsgrenze des § 8c KStG der Untergang der steuerlichen Verlustvorträge, wenn die Start-ups nicht ausreichend stille Reserven nachweisen können. Der in der Praxis aufgrund von Rechtsunsicherheit bisher kaum angewendete § 8d KStG bietet die Möglichkeit, diese Verluste vollständig zu „retten“. Der nachfolgende Beitrag verdeutlicht, dass der umstrittene Begriff des Geschäftsbetriebs in einer dynamischen Gesamtbetrachtung weit auszulegen ist und auch Start-up-typische Kurswechsel, sog. Pivots, damit in der Regel keine § 8d-Schädlichkeit besitzen.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Situation von Start-ups durch Corona
[i]Finanzielle Herausforderungen für Start-ups durch CoronaDie gesamte Weltwirtschaft steht aufgrund der Corona-Pandemie vor einer tiefen Rezession. Das Frühjahrsgutachten der Bundesregierung erwartet für 2020 einen massiven Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um über 6 % und damit die schwerste Rezession seit dem Bestehen der Bundesrepublik (für 2020 erwarteter S. 1549Konsum -7,4 %; Exporte -11,6 %). Die durch das Corona-Virus ausgelöste Wirtschaftskrise erfasst dabei insbesondere auch innovative Start-up-Unternehmen, die im Unterschied zu vielen etablierten Unternehmen in der Regel weder hohe finanzielle Reserven aufweisen (und damit über geringe Rücklagen verfügen) noch laufende Gewinne erwirtschaften. Neben dem allgemeinen Wirtschaftsabschwung, der sich negativ auf die meisten Start-ups auswirkt, stehen junge Unternehmen in bestimmten, vom „Lock-down“ besonders hart getroffenen Branchen, wie z. B. Event- oder Catering-Start-ups, Mobilitäts- oder Reiseplattformen, vor enormen finanziellen und damit existenziellen Herausforderungen, wie eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim um Prof. Dr. Andreas Kuckertz zeigt.
[i]Keine steuerlichen Hemmnisse bei der Aufnahme von neuem KapitalDie Refinanzierung über klassische Kreditinstrumente von Banken ist Start-ups häufig verschlossen. Des Weiteren wird bei Hilfsprogrammen häufig gefordert, dass die Unternehmen nach einer gewissen Zeit wieder rentabel wirtschaften, was bei Start-ups in der Gründungsphase in der Regel nicht der Fall ist. Kurz- bis mittelfristig ist zudem davon auszugehen, dass die externen Mittelzuflüsse von Investoren, die für viele innovationsbringende Start-ups entscheidend sind, zurückgehen werden, sodass die Aufnahme von zusätzlichem Wachstumskapital weiter erschwert wird. (für ursächlich ist die in Krisenzeiten abnehmende Risikofreude von Investoren (pro-zyklische Innovationsinvestitionen). [i]Zum Corona-Hilfsmaßnahmenpaket für Start-ups s. NWB 20/2020 S. 1466 In dieser Situation ist es wichtig, dass neben dem Milliardenunterstützungspaket der Bundesregierung für junge und innovative Unternehmen keine steuerlichen Hemmnisse bei der Kapitalbeschaffung durch Aufnahme neuer Gesellschafter bestehen. Insbesondere die Gefahr des Verlustuntergangs durch § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG und der damit verbundene Untergang von Verlustvorträgen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Denn gerade Start-ups haben das Leistungsvermögen, gestärkt aus der Corona-Krise herauszugehen, wenn sie angemessen unterstützt werden, wodurch eine zügige Erholung und ein rasches Wachstum sichergestellt wird.
II. Start-ups und der drohende Verlustuntergang
1. Untergang steuerlicher Verlustvorträge nach § 8c KStG
[i]Gefahr substanzieller Anteilseignerwechsel...Um diese schwierige Zeit zu überstehen und Liquiditätsengpässe auszugleichen, sind viele junge Unternehmen verpflichtet, neues Kapital aufzunehmen, teilweise durch Veräußerung eines hohen Unternehmensanteils. Bei Vereinigung von mehr als 50 % der Anteile bei einem Erwerber droht gem. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG ein vollständiger Verlustuntergang. So ist es möglich, dass einzelne Investoren zur Rettung ihrer Beteiligung im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Anteile erwerben (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG) und dadurch innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als 50 % der Anteile in der Person des Investors vereinigt werden.
[i]... auch bei ErwerbergruppenZudem besteht die Gefahr, dass auch die Durchführung einer Finanzierungsrunde mit Beteiligung unterschiedlicher Investoren (z. B. verschiedene Venture Capital-Fonds oder unterschiedliche Business-Angels) zu einem schädlichen Beteiligungserwerb i. S. des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG führen kann.
So gilt gem. § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG auch die Vereinigung von mehr als 50 % der Anteile in einer Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen als ein Erwerber i. S. des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG. Aufgrund der Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs „gleichgerichtetes Interesse“ ist vorstellbar, dass die Finanzverwaltung im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung sowohl bei Business-Angels als auch bei Venture Capital-Fonds ein solches gleichgerichtetes Interesse bejaht, da bei beiden Investorengruppen die Beteiligung als Kapitalanlage mit dem Ziel der gewinnbringenden Veräußerung im Rahmen eines zukünftigen Exits im Mittelpunkt steht. Diese Vermutung ist u. E., insbesondere bei institutionellen Investoren, schwer zu widerlegen.S. 1550
2. Ausnahmen vom Untergang steuerlicher Verlustvorträge
[i]Erhalt der Verlustvorträge ist von großer RelevanzDie Vermeidung des Untergangs steuerlicher Verlustvorträge ist von hoher Relevanz: Verlustvorträge haben einen positiven Einfluss auf den Kaufpreis und folglich auf die entsprechende Kapitalausstattung von Start-ups. Zudem verhindern vorhandene steuerliche Verlustvorträge bei Erreichen des Break-Even und der anschließenden Erwirtschaftung von Periodengewinnen den Entzug von Liquidität durch Steuerzahlung auf die Substanz. Diese zusätzliche Liquidität ist von hoher Bedeutung in der liquiditätsintensiven Wachstumsphase innovativer Unternehmen, da sie statt Steuerzahlungen zu leisten, wohlfahrtserhöhende Investitionen tätigen könnten. Neben das persönliche Interesse der an der Unternehmung Beteiligten, tritt somit auch ein gesamtwirtschaftliches Interesse, dass bei Wagniskapitalinvestitionen der Erhalt der steuerlichen Verlustvorträge gesichert wird.