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„Rückwirkende“ Änderung des ehelichen Güterstands bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
Vorausschauende Gestaltung spart Steuern
Ehegatten, die sich gegenseitig beerben, können bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer neben den persönlichen Freibeträgen auch von der faktischen Befreiung des Zugewinnausgleichs (§ 5 ErbStG) profitieren. Nicht selten kann hierdurch in signifikantem Umfang Erbschaftsteuer vermieden werden. Waren die Ehegatten jedoch nicht durchgehend im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet, sind erbschaftsteuerliche Besonderheiten bei der Nachfolgegestaltung zu beachten. Die Ausführungen gelten für eingetragene Lebenspartnerschaften weitgehend entsprechend.
Erbschaftsteuer-„Freibetrag“ wird bei erbrechtlicher Lösung nicht für Zeiträume vor Güterstandsänderung gewährt.
Güterrechtliche Lösung von Todes wegen bei „rückwirkendem“ Wechsel in die Zugewinngemeinschaft nicht sinnvoll.
Empfehlenswert: Steuervorteile der „Rückwirkung“ zu Lebzeiten nutzen (z. B. Güterstandsschaukel).
I. Ehelicher Güterstand
Die in der Praxis am häufigsten genutzten ehelichen Güterstände sind die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand (§§ 1363 ff. BGB) und die Gütertrennung (§ 1414 BGB). Ohne ein Tätigwerden der Ehegatten wird stets der Güterstand der Zugewinngemeinschaft begründet. Daneben haben die Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) und die Errungenschaftsgemeinschaft (gesetzlicher Güterstand in der DDR nach §§ 13 ff. FGB; die nach dem Einigungsvertrag vorgesehene Überleitung in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft konnte abbedungen werden) nur noch geringe und die Wahl-Zugewinngemeinschaft (§ 1519 BGB) nahezu noch keine praktische Bedeutung. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich daher auf den Güterstandswechsel zwischen Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung.
Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Beurteilung des Güterstands für die Gestaltungsberatung zunehmend komplexer geworden ist: Seit dem Inkrafttreten der EU-Güterrechtsverordnung (VO (EU) 2016/1103 v. , ABl. 2016 L 183, ABLEU Jahr 2016 L S. 1, ber. ABl. 2017 L 113, ABLEU Jahr 2017 L S. 62 und VO (EU) 2016/1104 v. , ABl. 2016 L 183, ABLEU Jahr 2016 L S. 30, ber. ABl. 2017, L 113, 62) am können Ehegatten für ab dem geschlossene Ehen unter bestimmten Voraussetzungen eine Rechtswahl treffen. Der steuerliche Berater ist also gehalten, den Güterstand zutreffend zu ermitteln. Fehleinschätzungen können schwerwiegende Folgen haben (vgl. dazu Stein, DStR 2020 S. 368 - Teil 1, S. 417 - Teil 2).
Siehe zu familienrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zum Vermögensschutz (Asset Protection) auch Unger/Dreßler, NWB-EV 6/2017 S. 212.
II. Erbrechtlicher vs. güterrechtlicher Zugewinnausgleich
Der Zugewinnausgleich basiert, vereinfacht ausgedrückt, auf einer Trennung der Vermögensmassen der Ehegatten während der Ehe, modifiziert um eine Korrektur bei Beendigung der Ehe. Der Zugewinnausgleichsanspruch besteht grundsätzlich in Form einer übertragbaren, vererbbaren Geldforderung (vgl. Fischer/Richter in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG § 5 Rz. 6).
Dass hinsichtlich der Ermittlung und Bewertung sowohl des Anfangsvermögens, als auch des Endvermögens eine Vielzahl von Detailfragen zu berücksichtigen ist, und dass gerade bei langjährigen Ehen eine Inflationsbereinigung zu erfolgen hat, versteht sich von selbst.
Diese Probleme hat bereits der BGB-Gesetzgeber gesehen und eine wichtige Vereinfachung kodifiziert: Endet die Ehe durch den Tod eines der Ehegatten, so wird bei gesetzlicher Erbfolge der Zugewinnausgleich pauschal durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel ausgeglichen (sogenannter erbrechtlicher Zugewinnausgleich, §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB). Den exakt berechneten ZugewinnausgleichS. 153 (güterrechtlicher Zugewinnausgleich) kann der überlebende Ehegatte nur von dem oder den Erben fordern, wenn er enterbt ist und kein Vermächtnis erhält (§ 1371 Abs. 2 BGB) oder er die Erbschaft und/oder das Vermächtnis ausschlägt (§ 1371 Abs. 3 BGB).
Im Scheidungsfall ist nur der güterrechtliche Zugewinnausgleich möglich. Gleiches gilt, wenn die Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag beendet wird (§§ 1372, 1408 Abs. 1 BGB).
Weitere außersteuerliche Motive können z. B. erbrechtlicher oder insolvenzrechtlicher Natur sein (vgl. Bisle, DStR 2011 S. 2359).
III. Zugewinnausgleich in der Erbschaft- und Schenkungsteuer
Große Bedeutung in der Gestaltungsberatung genießt die Tatsache, dass der Zugewinnausgleich gemäß § 5 ErbStG nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegt. Vermögen kann also ohne Beeinträchtigung der Freibeträge gemäß §§ 16, 17 ErbStG zwischen Ehegatten „steuerfrei“ übertragen werden.
Allerdings wird der oben beschriebene zivilrechtliche Vereinfachungseffekt beim sogenannten erbrechtlichen Zugewinnausgleich durch das Steuerrecht konterkariert: Gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG gilt die fiktive güterrechtliche Zugewinnausgleichsforderung nicht als steuerpflichtiger Erwerb des überlebenden Ehegatten – es bedarf einer aufwändigen Ermittlung, die insbesondere bei langjährigen Ehen an praktische Grenzen stößt und Konfliktpotenzial birgt (vgl. Fischer/Richter in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG § 5 Rz. 13).