BVerwG Beschluss v. - 4 BN 30/19

Unwirksame Konzentrationszonenplanung wegen fehlender hinreichender Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen bezüglich Landschaftsschutzgebieten; Auslegung eines Klageantrags

Gesetze: § 35 Abs 3 S 3 BauGB, § 1 Abs 3 S 1 BauGB, § 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 3 BauGB, § 88 VwGO, § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 2 D 63/17.NE Urteil

Gründe

1Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

21. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsgegnerin beimisst.

3Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

4a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob

ein Normenkontrollantrag mit dem wörtlich beantragt wird, eine Flächennutzungsplanänderung (insgesamt) für unwirksam zu erklären, vor dem Hintergrund des 4 CN 3.18 - dahingehend ausgelegt werden darf, dass sich der Antrag nur insoweit auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Flächennutzungsplanänderung richtet, wie mit dieser die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen,

dies gegebenenfalls selbst dann gilt, wenn der anwaltlich vertretene Normenkontrollkläger in der mündlichen Verhandlung in Ansehung des 4 CN 3.18 - an seinem Antrag auf uneingeschränkte Feststellung der Unwirksamkeit der Flächennutzungsplanänderung festhält,

ein anwaltlich vertretener Kläger gegebenenfalls offenlassen darf, ob sein Normenkontrollantrag als vollständiger Angriff auf die Flächennutzungsplanänderung zu verstehen ist oder sich nur gegen dessen Rechtswirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB richtet, mit der Folge, dass er in jeder Auslegungsvariante eine teilweise (kostenpflichtige) Klageabweisung verhindern kann,

ein anwaltlich vertretener Kläger wegen einer bestehenden Rechtsunsicherheit offenlassen darf, wie sein Klageantrag zu verstehen ist, oder ob in diesem Falle die Klage wegen Unbestimmtheit des Klageantrages abzulehnen ist, oder ob das Gericht in dieser Situation bei der Auslegung des Klageantrages nicht wenigstens an dessen Wortlaut festhalten muss, wenn der Kläger seine Klage nicht teilweise zurücknimmt.

5Diese Fragen sind allein auf die Besonderheiten des Einzelfalles zugeschnitten und führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ( 4 B 51.18 - juris Rn. 13). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Übrigen geklärt, dass bei der Bestimmung des Rechtsschutzziels eines Klägers sämtliche Umstände, insbesondere die Gesamtheit des Vorbringens des Beteiligten, zu berücksichtigen sind ( 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 7). Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Wille des Beteiligten, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück ( 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5 und vom - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 17; Beschluss vom - 6 B 12.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 55 Rn. 4). Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. 4 B 42.14 - SächsVBl. 2015, 164 Rn. 12 m.w.N.). Der gestellte Antrag ist danach so auszulegen bzw. umzudeuten, dass er den zu erkennenden Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung trägt ( - NVwZ 2016, 238 Rn. 34; 4 C 4.15 - BVerwGE 156, 94 Rn. 9). Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht ( 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 8). § 88 VwGO ermächtigt das Gericht dagegen nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und anstelle dessen, was ein Beteiligter erklärtermaßen will, etwas anderes anzunehmen (BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 9.89 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17 S. 1 und vom - 2 B 91.98 - juris Rn. 7). Mehr ist verallgemeinernd nicht auszuführen.

6b) Die Grundsatzfragen, die auf die rechtlichen Maßstäbe für die Festlegung harter Tabuzonen zielen, führen nicht zur Zulassung der Revision.

7aa) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob planerische Ermessensspielräume der Gemeinde bei der Auswahl und Bewertung der harten Tabukriterien bestehen, wie sich diese Spielräume gegebenenfalls bestimmen und welche Rolle dabei die kommunale Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG spielt, oder ob planerische Ermessensspielräume insoweit von vornherein ausgeschlossen sind.

8Die Fragen sind auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts bezogen, wonach einer Gemeinde bei der Bestimmung der harten Tabuzonen kein Beurteilungsspielraum im Sinne eines der gerichtlichen Prüfung entzogenen Exekutivvorbehalts bei Auswahl und Bewertung der von ihr herangezogenen harten Tabukriterien zuzubilligen ist (UA S. 23). Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu bestätigen, dass diese Annahme zutrifft. Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. etwa 4 BN 4.18 - juris Rn. 6), dass der Plangeber nur in Bezug auf die Festlegung von weichen Tabuzonen einen Bewertungsspielraum hat, nicht aber bezüglich der harten Tabukriterien. Denn "harte" und "weiche" Tabukriterien unterliegen unterschiedlichen Rechtsregimen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB einerseits, § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB andererseits; vgl. etwa 4 CN 1.11 - BVerwGE 145, 231 Rn. 10 und 12). Der Senat hat den Gemeinden bei der Markierung harter Tabuzonen jedoch eine "Typisierungsbefugnis" zugestanden, wie z.B. im Zusammenhang mit der Bestimmung eines den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Rechnung tragenden Mindestabstandes zum Schutz einer Wohnbebauung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Schallimmissionen von Windenergieanlagen. Danach ist die Gemeinde berechtigt, den maßgeblichen Parametern, wie etwa Windrichtung und -geschwindigkeit, Leistungsfähigkeit der Anlagen oder Tonhaltigkeit der Rotorgeräusche, in mehr oder weniger pauschaler Weise Rechnung zu tragen ( 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <300> und vom - 4 CN 3.18 - NVwZ 2019, 491 Rn. 26). Das hat auch das Oberverwaltungsgericht anerkannt, wenn es ausführt, dass es der Gemeinde grundsätzlich nicht verwehrt sei, ihrer Planung realistische, stringente und hinreichend zurückhaltende Szenarien hinsichtlich der in ihrem Gemeindegebiet zu erwartenden Art und dem Umfang der Nutzung der Windenergie zugrunde zu legen und hierauf aufbauend etwa Schutzabstände zu definieren (UA S. 24, S. 41 unten).

9bb) Ferner möchte die Beschwerde rechtsgrundsätzlich klären lassen,

welche Anforderungen an die Untersuchungstiefe und Begründung der harten Tabukriterien zu stellen sind,

ob die Anforderungen übertragbar sind, die im Rahmen des Abwägungsgebotes an einen ordnungsgemäßen Abwägungsvorgang zu stellen sind,

und welche Grenzen im Hinblick auf Untersuchungstiefe und Begründung durch die Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gesetzt werden.

10Die Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, denn sie sind so unbestimmt formuliert, dass sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich sind. Der Senat könnte sie deshalb nur im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs beantworten. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 1.16 - ZfBR 2016, 372 Rn. 2 und vom - 4 BN 2.18 - ZfBR 2018, 469 Rn. 2). Es ist im Übrigen geklärt, dass die Gemeinde in der dem Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 5 BauGB beizufügenden Begründung u.a. nachvollziehbar darzulegen hat, welche Flächen aus zwingenden rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für eine Windenergienutzung ausscheiden (vgl. 4 BN 23.17 - ZfBR 2018, 598 Rn. 26). An dieser Verpflichtung hat sie den Umfang ihrer Ermittlungen auszurichten und die Ergebnisse in der Begründung zu dokumentieren.

11c) Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag der Antragstellerin aus mehreren Gründen als begründet angesehen. Soweit es beanstandet hat, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Differenzierung zwischen "harten" und "weichen" Tabuzonen in verschiedenen Punkten nicht den rechtlichen Anforderungen genüge bzw. nicht nachvollziehbar sei und dass diese Abwägungsmängel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB beachtlich seien und zur Unwirksamkeit des Plans führten, braucht der Senat nicht allen von der Beschwerde geltend gemachten Gründen für die Zulassung der Revision nachzugehen. Denn die Zulassung scheitert jedenfalls daran, dass Revisionszulassungsgründe nicht hinsichtlich jeder selbständig tragenden Begründung des Oberverwaltungsgerichts aufgezeigt sind und vorliegen.

12Das Oberverwaltungsgericht hat die 125. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin für unwirksam erklärt, weil diese in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen genüge, die an ein schlüssiges und fehlerfreies gesamträumliches Planungskonzept zu stellen seien. Der Rat der Antragsgegnerin habe weite Teile des Außenbereichs zu Unrecht den harten Tabukriterien zugeordnet. Das gelte für die Waldflächen im Stadtgebiet, regionalplanerisch festgelegte Bereiche zum Schutz der Natur, den dokumentierten Umgang mit Naturschutzgebieten in der Stadt P., die Siedlungsgebiete nach dem Flächennutzungsplan und dem Regionalplan mit Wohngebietscharakter nebst einer Pufferzone von 300 m und die Behandlung der Landschaftsschutzgebiete. Die zu Unrecht als harte Tabuzonen behandelten Gebiete könnten auch nicht als weiche Tabuzonen aufrechterhalten werden. Die genannten Mängel seien als Fehler im Abwägungsvorgang beachtlich. Sie seien offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen.

13Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts ist jeder Abwägungsfehler beachtlich und führt für sich allein zur Unwirksamkeit der verfahrensgegenständlichen 125. Änderung (vgl. hierzu etwa 4 CN 7.14 - BVerwGE 152, 372 Rn. 14; siehe auch Gatz, DVBl. 2017, 461 <462>). Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 53.15 - n.v. Rn. 2 m.w.N. und vom - 4 BN 4.18 - juris Rn. 10). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Hiernach scheitert die Beschwerde jedenfalls daran, dass in Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Behandlung der Landschaftsschutzgebiete durch die Antragsgegnerin werde der angesichts der unterschiedlichen Rechtsregime erforderlichen Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen nicht gerecht, weshalb ein beachtlicher Abwägungsfehler gegeben sei, kein Grund für die Zulassung der Revision vorliegt.

14aa) Die Beschwerde hält insofern für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob

Landschaftsschutzgebiete mit Bauverboten für Windenergieanlagen harte Tabuzonen darstellen,

das jedenfalls dann gilt, wenn eine Entlassung aus dem Landschaftsschutz nicht in Betracht kommt oder ob dann zusätzlich geprüft werden muss, ob in eine Ausnahme- oder Befreiungslage hinein geplant werden kann, und

welche Anforderungen gegebenenfalls an den Nachweis zu stellen sind, dass weder Entlassungen aus dem Landschaftsschutz noch Ausnahmen oder Befreiungen möglich sind.

15Die Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass harte Tabuzonen nur solche Flächen sind, deren Bereitstellung für die Windenergienutzung an § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB scheitert, weil dem auf unabsehbare Zeit unüberwindbare rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen (vgl. 4 CN 1.11 - BVerwGE 145, 231 Rn. 12). Dies muss in der Begründung zum Flächennutzungsplan nachvollziehbar dargelegt werden (vgl. 4 BN 23.17 - ZfBR 2018, 598 Rn. 26). Zudem muss in der Begründung dokumentiert sein, dass sich die Gemeinde auf der ersten Stufe des Planungsprozesses den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst gemacht hat ( 4 CN 1.11 - BVerwGE 145, 231 Rn. 11). Diesen Anforderungen wird die Planung der Antragsgegnerin nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann der Planbegründung und deren Anhang schon nicht entnommen werden, auf welcher Ebene die Antragsgegnerin Fragen des Landschaftsschutzes tatsächlich in den Blick genommen hat und ob sie sich den Unterschied zwischen harten und weichen Tabus und die daraus folgenden unterschiedlichen Abwägungsmaßstäbe vor Augen geführt hat (UA S. 43 f.). Vor diesem Hintergrund kam es darauf, welche Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind, dass weder Entlassungen aus dem Landschaftsschutz noch Ausnahmen oder Befreiungen möglich sind, für das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblich nicht an (UA S. 44 f.).

16bb) Auch die Fragen, ob

harte Tabukriterien generell hilfsweise als weiche Tabukriterien abgewogen werden dürfen,

die hilfsweise Abwägung weitergehend voraussetze, dass "Zweifel" an der Einordnung bestehen müssen,

es für die hilfsweise Einordnung als weiche Tabukriterien einer sinngemäßen Klarstellung in der Planbegründung bedarf, wonach sich der Plangeber vergewissert hat, dass, sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass als hart definierte Kriterien aus planungsrechtlicher Sicht doch nicht als solche zu werten sind, sie nach dem Willen des Rates in gleicher Weise als weiche Tabukriterien gewollt sind,

die hilfsweise Einordnung als weiche Tabukriterien eine auf jedes einzelne weiche Tabukriterium bezogene, eigenständig in den Planaufstellungsvorgängen dokumentierte Abwägung voraussetze,

und schließlich welche Anforderungen ansonsten an die hilfsweise Abwägung zu stellen sind,

führen nicht zur Zulassung der Revision. Die ersten beiden Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Oberverwaltungsgericht offengelassen hat, ob es zulässig ist, als hart definierte Kriterien zusätzlich hilfsweise auch als weiche Kriterien heranzuziehen. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichts, Rechtsfragen zu klären, die sich die Vorinstanz nicht gestellt und die sie deshalb auch nicht beantwortet hat (BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 10.16 - juris Rn. 5, vom - 4 B 11.17 - ZfBR 2017, 587 Rn. 11 und vom - 4 B 50.18 - juris Rn. 1). Maßgeblich war für das Oberverwaltungsgericht - wie bereits ausgeführt - die auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gestützte Erwägung, dass eine hilfsweise Behandlung als weiches Tabukriterium zwingend voraussetzt, dass der Plangeber sich die Unterschiede zwischen harten und weichen Tabukriterien bewusst macht, den mit einem Wechsel von einem harten zu einem weichen Tabu verbundenen "fundamentalen" Perspektivwechsel auch tatsächlich vollzieht und dies in den Aufstellungsvorgängen hinreichend eindeutig dokumentiert (UA S. 47 f.). Hinsichtlich der dritten und vierten Frage bedarf es keines Revisionsverfahrens. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass weiche Tabukriterien der Ebene der Abwägung (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) zuzuordnen sind und dass folglich der Plangeber seine Entscheidung für weiche Tabuzonen rechtfertigen muss. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen. Andernfalls scheitert seine Planung unabhängig davon, welche Maßstäbe an die Kontrolle des Abwägungsergebnisses anzulegen sind, schon an dem fehlenden Nachweis, dass er die weichen Tabukriterien auf der Stufe der Abwägung in die Planung eingestellt hat ( 4 CN 1.11 - BVerwGE 145, 231 Rn. 13). Dass für eine hilfsweise Bewertung als weiches Tabu etwas anderes gelten könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen und wird von der Beschwerde auch nicht dargelegt. Die letzte Frage ist so unbestimmt formuliert, dass sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich ist. Der Senat könnte sie deshalb nur im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs beantworten. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens (vgl. oben).

172. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung der vorinstanzlichen Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.

18Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz u.a. des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sowie durch eine präzise Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom - 1 B 3.15 - juris Rn. 7).

19Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Abweichung des vorinstanzlichen Urteils von dem Urteil des Senats vom - 4 CN 1.11 - (BVerwGE 145, 231) ist hiernach nicht dargetan. Einen Rechtssatz, wonach den Gemeinden ein Beurteilungsspielraum im Sinne eines der gerichtlichen Prüfung entzogenen Exekutivvorbehalts bei Auswahl und Bewertung der von ihr herangezogenen harten Tabukriterien zuzubilligen ist, hat der Senat nicht aufgestellt.

203. Verfahrensfehler, die zur Zulassung der Revision führen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), liegen ebenfalls nicht vor.

21a) Die Auslegung des Antrages durch das Oberverwaltungsgericht (§ 88, § 86 Abs. 3 VwGO) ist nicht zu beanstanden.

22Es entsprach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa - DVBl. 2013, 1129, vom - 10 D 82/13.NE - ZfBR 2016, 52, vom - 7 D 105/14.NE - BauR 2017, 1653, vom - 7 D 100/15.NE - BauR 2018, 468 und vom - 2 D 95/15.NE - ZNER 2018, 171), Flächennutzungspläne mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB im Falle eines beachtlichen Abwägungsmangels insgesamt für unwirksam zu erklären. Durch Urteil vom - 4 CN 3.18 - (NVwZ 2019, 491) hat der Senat jedoch entschieden, dass sich der Ausspruch der Unwirksamkeit einer fehlerhaften Konzentrationszonenplanung auf die Beseitigung der Ausschlusswirkung zu beschränken hat (so auch schon OVG Lüneburg, Urteile vom - 12 KN 285/12 - BauR 2014, 838, vom - 12 KN 216/13 - ZNER 2016, 88, vom - 12 KN 64/14 - NuR 2016, 706 und vom - 12 KN 144/17 - ZfBR 2018, 471; - BauR 2016, 617). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am lagen die Entscheidungsgründe dieses Urteils indessen noch nicht vor und es war offen, ob sich das Oberverwaltungsgericht dieser Rechtsprechung anschließen wird. Da die Antragstellerin schriftsätzlich vorgetragen hatte (Schriftsatz vom , S. 2; Bl. 122 GA), dass es ihr allein darum gehe, ihr Vorhaben zu verwirklichen, dem aber die verfahrensgegenständliche Flächennutzungsplanänderung entgegenstehe, war ihr Antrag bei dem nach § 88 VwGO gebotenen Verständnis von Beginn an nur auf die Beseitigung der Ausschlusswirkung gerichtet. Vor diesem Hintergrund ist die Antragstellung sachgerecht, bestimmt genug und das Antragsziel i.S.v. § 88 VwGO durch das Oberverwaltungsgericht zutreffend ermittelt.

23b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Oberverwaltungsgericht den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

24Die Antragsgegnerin rügt, anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 25) ihr unterstelle, habe sie an keiner Stelle - auch nicht "der Sache nach" - vertreten, für die Wirksamkeit der Flächennutzungsplanung komme es nur darauf an, dass der Windenergie im Ergebnis substantiell Raum eingeräumt werde. Vielmehr sei sie während des gesamten Aufstellungsvorganges davon ausgegangen, dass jeder Flächenausschluss im Einzelfall planerisch gerechtfertigt werden müsse. Das Oberverwaltungsgericht habe damit das Gegenteil des Vorgetragenen angenommen sowie relevanten Vortrag der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt und hierdurch gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargetan.

25Der von der Antragsgegnerin beanstandete Einschub findet sich bei der vorangestellten Darlegung der allgemeinen rechtlichen Anforderungen an die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts für die Planung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung. Die nachfolgende Anwendung dieser Grundsätze auf die streitgegenständliche Änderung des Flächennutzungsplans stellt entscheidungserheblich nicht darauf ab, dass die Abwägung sich als fehlerhaft erweist, weil weitere Flächen für die Windenergienutzung unter Hinweis auf einen dafür bereits an anderer Stelle vorgehaltenen substantiellen Raum ausgeschlossen werden. Die vom Oberverwaltungsgericht festgestellten, seine Entscheidung tragenden Abwägungsfehler betreffen vielmehr die Bestimmung der harten Tabuzonen, die Behandlung der weichen Tabukriterien und die Auswahl unter den Potentialflächen (UA S. 28).

264. Damit sind in Bezug auf die selbständig tragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Behandlung der Landschaftsschutzgebiete leide an einem beachtlichen Abwägungsfehler, keine Revisionszulassungsgründe gegeben. Es kann daher offen bleiben, ob eine der sonstigen Grundsatz-, Divergenz- oder Verfahrensrügen, die sich auf andere selbständig tragende Begründungen des Urteils beziehen, erfolgreich wären.

27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:161219B4BN30.19.0

Fundstelle(n):
NAAAH-42920