Der Solidaritätszuschlag – eine Abschaffung, die keine ist
Vor [i]Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 kurzem verkündete das Bundesfinanzministerium, dass der Solidaritätszuschlag ab 2021 weitgehend abgeschafft werde. Schaut man sich den Gesetzentwurf an, stellt man schnell fest, dass das nicht stimmt: Ein großer Teil der Steuerzahler wird ihn zwar nicht mehr zahlen müssen, aber das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag bleibt 2021 zu ca. 52 % erhalten. Wie man bei einer Reform, die mehr als die Hälfte der Abgaben bestehen lässt, von einer „weitgehenden Abschaffung“ sprechen kann, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung. Leider haben viele Medien die Formulierung des Bundesfinanzministeriums ungeprüft übernommen, und schnell hieß es etwa im Tagesspiegel aus Berlin, dass „das Ende des Soli“ beschlossen worden sei.
Der [i]Auch Ostdeutsche zeigten Solidarität ? mit sich selbst Solidaritätszuschlag ist eine Kuriosität im Abgabenbereich: Zunächst wurde er 1991 für nur ein Jahr eingeführt, und zwar nicht nur für die Kosten der deutschen Einheit, sondern auch für die Kosten des damaligen Irak-Krieges. Seit 1995 gilt er unbefristet und soll der dauerhaften Finanzierung des Aufholprozesses in Ostdeutschland dienen. Das Besondere ist: Zum einen ist das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag nicht zweckgebunden, darf also auch für andere Staatsausgaben verwendet werden. Zum anderen dürfen auch Ostdeutsche den Solidaritätszuschlag entrichten und damit Solidarität mit sich selbst zeigen.
Was [i]Die reichsten 10 % zahlen ca. 50 % der Abgaben kommt nun nach der aktuellen Reform heraus? Das künftige Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag wird von etwa 10 % der Steuerzahler geleistet werden, nämlich von 3,5 %, die überhaupt nicht entlastet werden, und von weiteren 6,5 %, die teilweise entlastet werden. Bei der Einkommensteuer sieht es nicht viel anders aus: Die reichsten 10 % der Steuerzahler erbringen etwas 50 % des Aufkommens, so das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Diese [i]Grundsteuererhöhung und Vermögensteuer Belastungen treffen insbesondere Unternehmer, die zwar häufig ein höheres Einkommen haben, aber im Gegenzug auch ein hohes unternehmerisches Risiko tragen. Doch damit nicht genug – denn weitere Belastungen stehen bevor: zum einen die Erhöhung der Grundsteuer, die gewerbliche Mieter erheblich belasten wird, und zum anderen die mögliche Wiedereinführung der Vermögensteuer.
Dass [i]Gerechte Verteilung der Steuerlasten? Menschen, die mehr verdienen, auch mehr Abgaben zahlen und dass dies auch mit einem progressiven Tarif ausgestaltet werden sollte, steht für mich außer Frage. Dennoch fehlt mir aktuell ein Gesamtkonzept, das sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Abgabensystem eigentlich gerecht ist, bei dem 10 % der Steuerzahler gut die Hälfte des Steueraufkommens erbringen? Und genauso muss gefragt werden, wie gut eine soziale Marktwirtschaft funktioniert, in der die Einkommen derart „schief“ verteilt sind. S. 854
Verfassungsrechtlich [i]Reform dürfte verfassungswidrig sein begibt sich der Gesetzgeber mit der Fortführung des Solidaritätszuschlags für einen kleinen Teil der Steuerzahler zudem auf dünnes Eis: Denn der Solidaritätszuschlag verliert mit jedem Jahr – im Jahr 2021 ist er bereits 25 Jahre alt – ein Stück Rechtfertigung. Das ist deshalb erwähnenswert, weil der Solidaritätszuschlag eben keine Steuer ist, sondern eine Ergänzungsabgabe, die verfassungsrechtlich besonders begründet werden muss. Es wäre daher klüger, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen und über eine Erhöhung des Steuersatzes nachzudenken. Warum die Bundesregierung dies nicht vorschlägt, könnte purer Eigennutz sein: Denn das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag steht allein dem Bund zu, während eine Erhöhung der Einkommensteuer auch den Ländern und Gemeinden zugutekäme und daher auch der Zustimmung des Bundesrats bedürfte. Der Preis hierfür könnte hoch sein: Denn das BVerfG könnte die Reform des Solidaritätszuschlags als verfassungswidrig einstufen. Der Solidaritätszuschlag wäre dann zu erstatten.
Politisch [i]Abschaffung wäre positives Signal betrachtet würde der Staat mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags ein positives Signal setzen und zeigen, dass eine Ergänzungsabgabe, die wegen besonderer Kosten eingeführt worden ist, auch wieder abgeschafft werden kann. Das berühmte Beispiel der Schaumweinsteuer, die 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt worden ist und immer noch erhoben wird, trägt nicht zur Glaubwürdigkeit eines gerechten Steuersystems bei – zumal sich der Zustand der deutschen Marine gegenüber 1902 nicht wesentlich verbessert hat.
Im [i]Ausgabenkürzungen wären angebracht Übrigen darf durchaus mal darüber nachgedacht werden, ob der Staat nicht Ausgaben kürzen könnte. Jeder Unternehmer weiß, dass er nicht ständig die Preise erhöhen kann, sondern dass er auch über Ausgabenkürzungen nachdenken muss. Es wird Zeit, dass auch der Staat diesen Wissensstand erreicht – vielleicht kann es für den Anfang ja auch eine Ausgabenkürzung bei der Marine sein, gern verbunden mit der Abschaffung der Schaumweinsteuer.
Beste Grüße
Bernd Rätke
Fundstelle(n):
BBK 2019 Seite 853 - 854
NWB SAAAH-30339