Zu § 13a ErbStG
R E 13a.20 Vorwegabschlag bei Familienunternehmen
(1) 1Erwerber von Beteiligungen oder Anteilen an Familienunternehmen in der Rechtsform von Personen- oder Kapitalgesellschaften, die zum begünstigungsfähigen Vermögen (§ 13b Absatz 1 ErbStG) gehören, haben einen Rechtsanspruch auf einen Vorwegabschlag bis zu 30 Prozent vom Wert des begünstigten Vermögens (§ 13a Absatz 9 in Verbindung mit § 13b Absatz 2 ErbStG). 2Ein Antrag des Erwerbers ist nicht erforderlich, der Erwerber ist aber verpflichtet, die Voraussetzungen nachzuweisen. 3Der Vorwegabschlag kommt auch in Betracht in den Fällen des § 3 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 und § 7 Absatz 7 Satz 1 ErbStG (> R E 13b.1 Absatz 1 Satz 4 Nummer 3 und R E 13b.2 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). 4Der Vorwegabschlag kommt insbesondere nicht in Betracht
bei einem Einzelunternehmen,
bei Anteilen an einer Aktiengesellschaft, weil das Aktiengesetz keine entsprechenden Einschränkungen in der Satzung zulässt,
in den Fällen des § 3 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 und § 7 Absatz 7 Satz 2 ErbStG, weil es sich nicht um einen Erwerb begünstigten Vermögens handelt (> R E 3.4 Absatz 3 Satz 7 bis 9).
5Der Vorwegabschlag ist vorrangig vor Anwendung des Verschonungsabschlags nach § 13a Absatz 1 oder 10 bzw. § 13c ErbStG oder der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG zu berücksichtigen. 6Daher ist der Wert des begünstigten Vermögens (§ 13b Absatz 2 ErbStG) vor der Prüfung des Schwellenwerts für Großerwerbe von 26 Millionen EUR (§ 13a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ErbStG) stets um den sich im Einzelfall ergebenden Vorwegabschlag zu verringern. 7Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist der Vorwegabschlag auch im Fall der Optionsverschonung anwendbar, auch wenn beides zusammen zu einer Vollverschonung des begünstigten Vermögens führt. 8Es gelten aber unterschiedliche Voraussetzungen und Behaltensregelungen. 9Hinsichtlich der Voraussetzungen des Vorwegabschlags erfolgt keine Feststellung. 10Das Betriebsfinanzamt teilt das Vorliegen der Voraussetzungen und den Prozentsatz des Abschlags nachrichtlich mit (> R E 13b.30 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2).
(2) 1Der Vorwegabschlag setzt das Vorliegen bestimmter Beschränkungen von Entnahmen/Ausschüttungen, Verfügungsmöglichkeiten und Abfindungen im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung voraus (§ 13a Absatz 9 Satz 1 ErbStG); es genügt nicht, wenn diese Regelungen lediglich in einem Poolvertrag enthalten sind. 2Der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung müssen Bestimmungen enthalten, welche
die Entnahme oder Ausschüttung auf höchstens 37,5 Prozent des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG beschränken. 2Dabei bleiben bei einem Anteil am Betriebsvermögen Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt. 3Wenn in dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung auf den handelsrechtlichen Gewinn abgestellt wird, ist es unschädlich, wenn die nach § 13a Absatz 9 Satz 1 Nummer 1 ErbStG genannte Grenze bezogen auf den steuerrechtlichen Gewinn offensichtlich nicht überschritten wird;
die Verfügung zu Lebzeiten oder von Todes wegen über die Beteiligung an der Personengesellschaft oder den Anteil an der Kapitalgesellschaft auf Mitgesellschafter, auf Angehörige im Sinne des § 15 AO oder auf eine inländische Familienstiftung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 4 ErbStG oder eine entsprechende ausländische Familienstiftung beschränken; Einzelheiten zu den betroffenen Verfügungen (> R E 13b.6 Absatz 4). 2Die Voraussetzung ist nach dem Wortlaut nicht erfüllt, wenn eine Verfügung auf andere Personen nach Zustimmung der übrigen Gesellschafter möglich ist oder eine Verfügung auf eine vermögensverwaltende Familiengesellschaft, an der Angehörige des Gesellschafters beteiligt sind, vorgesehen ist;
für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindung vorsehen, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft liegt. 2Es reicht nicht aus, dass ein Verkauf an die unter Nummer 2 genannten Personen unter dem gemeinen Wert zulässig ist.
3Diese Beschränkungen müssen kumulativ vorliegen. 4Sie müssen in jedem Fall in einem Zeitraum von zwei Jahren vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (§§ 9, 11 ErbStG) gegeben sein und in dem Zeitraum von 20 Jahren nach diesem Zeitpunkt bestehen und tatsächlich eingehalten werden (§ 13a Absatz 9 Satz 4 und 5 ErbStG).
(3) 1Maßgebend für die Prüfung der Entnahmebeschränkung ist der Gewinn des jeweiligen Wirtschaftsjahres, in dem die Entnahme erfolgt ist. 2Bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage auf den Gewinnanteil sind die außerbilanziellen Hinzu- und Abrechnungen zu berücksichtigen. 3Aus Vereinfachungsgründen kann bei einer Personengesellschaft die auf den Gewinnanteil entfallende Steuer oder bei einer Kapitalgesellschaft die auf die Ausschüttung entfallende Steuer mit einem Steuersatz von 30 Prozent (vgl. § 202 Absatz 3 BewG) angenommen werden, es sei denn, die auf den Gewinn des Jahres entfallende Steuer ist nachgewiesen höher. 4Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt; die Steuer nach Satz 3 gilt dabei als unschädliche Entnahme zur Begleichung der Steuer. 5Bei einem Anteil am Betriebsvermögen bleiben dabei die Steuern auf Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt. 6Entnahmen oder Ausschüttungen zur Begleichung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer werden dagegen bei der Ermittlung der schädlichen Entnahmen einbezogen. 7Die Begriffe Entnahme und Ausschüttung sind nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts zu beurteilen.
(4) 1Sind die Voraussetzungen nur für einen Teil des begünstigten Vermögens gegeben, ist der Abschlag nur für diesen Teil des begünstigten Vermögens zu gewähren (§ 13a Absatz 9 Satz 2 ErbStG). 2Bei einer Beteiligung an einer Personengesellschaft trifft dies auf das Gesamthandsvermögen zu, nicht aber auf das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters. 3Für die Anwendung des Vorwegabschlags ist in diesen Fällen zusätzlich das begünstigte Vermögen nur bezogen auf das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft zu ermitteln (> R E 13b.23 Absatz 3 Satz 7). 4Wegen der nachrichtlichen Angaben des Betriebsfinanzamts > R E 13b.30 Absatz 5 Satz 2.
(5) 1Die Höhe des Abschlags bemisst sich danach, um wieviel Prozent die laut Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorgesehene Höhe der Abfindung unter dem gemeinen Wert der Gesellschaftsbeteiligung oder Anteile liegt. 2Er darf 30 Prozent nicht übersteigen (§ 13a Absatz 9 Satz 3 ErbStG). 3Beschränkungen der Entnahme oder Ausschüttung und der Verfügungsmöglichkeiten bleiben bei der Ermittlung der Höhe des Abschlags unberücksichtigt. 4Sieht die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag unterschiedliche Abfindungshöhen abhängig von dem Grund des Ausscheidens vor, ist die höchste in Betracht kommende Abfindung für die Ermittlung des Vorwegabschlags maßgebend. 5Sieht die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafter unterschiedliche Abfindungshöhen vor, ist die für den jeweiligen Erwerber geltende Abfindung für die Ermittlung des Vorwegabschlags maßgebend.
(6) 1Kommt nur der Vorwegabschlag nach § 13a Absatz 9 ErbStG zur Anwendung, unterliegen die mit dem begünstigten Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden der Schuldenkürzung nach § 10 Absatz 6 Satz 4 ErbStG. 2Dies ist auch der Fall, wenn der Schwellenwert von 26 Millionen EUR überschritten wird und der Erwerber einen Antrag nach § 28a ErbStG gestellt hat oder eine Stundung nach § 28 Absatz 1 ErbStG beantragt hat.
(7) 1Der Vorwegabschlag fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen des § 13a Absatz 9 Satz 1 ErbStG nicht über einen Zeitraum von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§§ 9, 11 ErbStG) bestehen bleiben (§ 13a Absatz 9 Satz 5 ErbStG). 2Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung in der Weise geändert werden, dass die Voraussetzungen für den Vorwegabschlag nicht mehr gegeben sind, oder gegen die Voraussetzungen verstoßen wird. 3Dabei ist es unbeachtlich, durch welchen Gesellschafter gegen die Voraussetzungen verstoßen wird. 4Der Vorwegabschlag fällt auch dann weg, wenn die Änderungen vorgenommen werden, nachdem der Erwerber nicht mehr Gesellschafter ist und unabhängig vom Grund seines Ausscheidens, z. B. auch durch Tod. 5Wird innerhalb des Zeitraums von 20 Jahren die Abfindungsbeschränkung dergestalt geändert, dass ein niedrigerer Prozentsatz des Vorwegabschlags zur Anwendung kommen würde, ist der Vorwegabschlag entsprechend zu kürzen. 6Der Erwerber ist verpflichtet, dem für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) innerhalb einer Frist von einem Monat, nachdem der jeweilige Tatbestand verwirklicht wurde, schriftlich mitzuteilen, wenn sich die Bestimmungen oder die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben (§ 13a Absatz 9 Satz 6 ErbStG). 7Die Gründe für die Änderung der Bestimmungen oder der tatsächlichen Verhältnisse sind unbeachtlich. 8Die Frist ist für jeden Erwerber gesondert zu prüfen. 9Der Steuerbescheid ist in diesen Fällen nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO zu ändern (Nachversteuerung). 10Der Steuerpflichtige ist im Steuerbescheid auf seine Anzeigepflicht hinzuweisen (§ 153 Absatz 2 AO) und darauf, dass eine Anzeige auch dann zu erfolgen hat, wenn der Vorgang zu keiner Besteuerung führt. 11Die Finanzämter haben die Einhaltung der Voraussetzungen für den Vorwegabschlag in geeigneter Form zu überwachen. 12Im Rahmen der Nachversteuerung ist die Steuer abhängig von der anzuwendenden Verschonungsregelung neu zu berechnen. 13Wird durch den Wegfall des Vorwegabschlags erstmals der Schwellenwert von 26 Millionen EUR überschritten, entfällt die zunächst in Anspruch genommene Steuerbefreiung nach § 13a Absatz 1 oder Absatz 10 ErbStG rückwirkend. 14Für den Erwerb kann dann erstmals ein Antrag nach § 13c ErbStG oder § 28a ErbStG gestellt werden. 15Ein Verstoß gegen die Lohnsummenregelung (§ 13a Absatz 3 ErbStG) oder gegen die Behaltensregelungen (§ 13a Absatz 6 ErbStG) wirkt sich als solcher nicht auf den Vorwegabschlag nach § 13a Absatz 9 ErbStG aus.
(8) 1Der Vorwegabschlag entfällt nicht, wenn begünstigtes Vermögen
im Wege des Übergangs von Todes wegen übergeht,
durch Schenkung unter Lebenden übertragen wird oder
entgeltlich veräußert wird.
2Voraussetzung hierfür ist, dass das begünstigte Vermögen dabei auf Personen im Sinne von § 13a Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 ErbStG unter Beachtung der im Zeitpunkt des ursprünglichen Erwerbs geltenden Beschränkungen übergeht. 3Wird in den Fällen des Satzes 1 beim nachfolgenden Erwerber gegen die Voraussetzungen des Vorwegabschlags verstoßen, verliert auch der vorangegangene Erwerber den Vorwegabschlag, wenn bei ihm die Frist von 20 Jahren noch nicht abgelaufen ist.
(9) Bei einem Wegfall des Vorwegabschlags für einen Erwerb ist der erhöhte Wert des begünstigten Vermögens bei der Ermittlung des Schwellenwerts (§ 13a Absatz 1 Satz 1 ErbStG) zu Grunde zu legen (>R E 13a.2 Absatz 2).
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
VAAAH-28560