BSG Beschluss v. - B 13 R 280/12 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Beschwerdefrist - Wiedereinsetzung - Verschulden des Prozessbevollmächtigten - Adressierung an unzuständiges Gericht

Gesetze: § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73 Abs 6 S 7 SGG, § 85 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: SG Landshut Az: S 7 R 772/09 A-FdV Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 6 R 240/10 Urteil

Gründe

1I. Das Bayerische LSG hat im Urteil vom einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente unter Berücksichtigung fiktiver Beitragszeiten nach dem ZRBG im Hinblick auf ihren Arbeitseinsatz von Mai 1942 bis zum im Lager Sered verneint.

2Das Urteil des LSG wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Deutschland am zugestellt. Diese haben mit einem an das Bayerische LSG adressierten Schriftsatz vom , der dort per Telefax am eingegangen ist, Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte, mit Datum und Aktenzeichen bezeichnete Urteil erhoben und zugleich die Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde um einen Monat beantragt. Das LSG hat dieses Schreiben samt Verfahrensakten am an das BSG übersandt, wo es am eingegangen ist; zugleich hat es den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Abgabenachricht erteilt.

3Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Telefax vom auf diesen Sachverhalt sowie die versäumte Beschwerdefrist hingewiesen und vor einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum gegeben. Weder die Klägerin noch die Beklagte haben sich geäußert.

4II. Die Beschwerde ist unzulässig. Denn sie ist nicht - wie § 160a Abs 1 S 2 SGG dies vorschreibt - innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils "bei dem Bundessozialgericht" eingelegt worden. Sie ist vielmehr erst am und damit nach Ablauf der am um 24 Uhr endenden einmonatigen Beschwerdefrist beim BSG eingegangen. Mithin hat die Klägerin die Beschwerdefrist versäumt.

5Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist (§ 67 SGG) gewährt werden. Sie war nicht "ohne Verschulden" an der Einhaltung der Beschwerdeeinlegungsfrist verhindert. Die Fristversäumnis beruht hier ausschließlich darauf, dass ihre Prozessbevollmächtigten den Beschwerdeschriftsatz vom entgegen der Rechtslage und der klaren Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils nicht an das BSG, sondern an das Berufungsgericht adressiert und versandt haben. Umstände, die ein fehlendes Verschulden der Prozessbevollmächtigten an dieser Fehladressierung des Rechtsmittels begründen könnten, haben diese nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).

6Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist vorliegend auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil ein pflichtwidriges Verhalten des LSG für die Fristversäumung primär ursächlich war. Allerdings ist anerkannt, dass Wiedereinsetzung auch dann zu gewähren ist, wenn eine fristwahrende Rechtsmittelschrift an das unzuständige Gericht übersandt worden ist und aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens dieses Gerichts erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingeht (BSG <Großer Senat> BSGE 38, 248, 258 ff = SozR 1500 § 67 Nr 1 S 8 ff; BSG Beschlüsse vom - B 10 EG 4/10 R - Juris RdNr 13, und vom - B 4 AS 161/11 B - Juris RdNr 9, jeweils mwN). Dies setzt jedoch voraus, dass die Rechtsmittelschrift bei Behandlung durch das unzuständige Gericht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Rechtsmittelgericht eingegangen wäre ( aaO; - NJW 2012, 1591 RdNr 21 f). Denn die Gerichte sind im Rahmen ihrer nachwirkenden Fürsorgepflicht nicht verpflichtet, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtzeitigen Eingang einer vom Rechtsmittelführer falsch adressierten Rechtsmittelschrift bei dem zuständigen Gericht zu gewährleisten ( aaO; - NJW 2008, 932 RdNr 5).

7Hier ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeschrift der Klägerin bei einer Behandlung durch das LSG im ordentlichen Geschäftsgang zuverlässig noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist an das BSG gelangt wäre. Das Telefax mit der Beschwerdeschrift ist am Morgen des beim LSG eingegangen. In dem Schriftsatz war nicht angegeben, wann das LSG-Urteil den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden war; für die Mitarbeiter der Poststelle oder der Geschäftsstelle war mithin nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um eine eilige Sache handelte, bei der der Fristablauf unmittelbar bevorstand. Unter diesen Umständen waren besondere beschleunigende Maßnahmen im Rahmen der nachwirkenden Fürsorgepflicht nicht geboten (s aber - NJW-RR 2003, 901, Juris RdNr 12 f, das bei Erkennbarkeit des Fristablaufs aus dem Schriftsatz eine Weiterleitung noch am selben Tag verlangt hat). Eine Behandlung hätte demnach jedenfalls noch als ordnungsgemäß angesehen werden müssen, die dazu führt, dass das Schreiben am dem zuständigen Richter vorliegt und die Geschäftsstelle Gelegenheit hat, dessen Verfügung am umzusetzen (vgl - Juris RdNr 4; - Juris RdNr 10 hält im Ergebnis eine Bearbeitung jedenfalls am dritten Arbeitstag nach Eingang für geboten). Dann hätte aber eine Zuleitung an das BSG im ordentlichen Geschäftsgang - dh mit normaler Post, ohne Übermittlung als Telekopie - nicht mehr bewirkt, dass die falsch adressierte Beschwerdeschrift noch vor Fristablauf beim BSG eingegangen wäre. Ein möglicherweise hier pflichtwidrig zu langes Zuwarten des LSG mit der Weiterleitung der Beschwerdeschrift wäre somit für die Fristversäumung jedenfalls nicht kausal geworden; weiterer Ermittlungen beim LSG bedarf es daher nicht, zumal die Klägerin selbst zu alledem nichts vorgetragen hat.

8Die mithin nicht fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2012:230712BB13R28012B0

Fundstelle(n):
OAAAH-24553