NWB Nr. 10 vom Seite 609

Vermittlungsausschuss ist kein Lückenfüller

Klaus Korn | Steuerberater – Mitherausgeber der NWB und of counsel der c•k•s•s Carlé • Korn • Stahl • Strahl Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Verfassungswidrige Kompetenzüberschreitung mit geringen Folgen

Das Haushaltsbegleitgesetz 2004 v.  (BGBl 2003 I S. 3076) und das Steuerbereinigungsgesetz 1999 v.  (BGBl 1999 I S. 2601) sind verfassungswidrig, soweit darin Regelungen auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses ohne konkrete Vorgaben durch den Bundestag bzw. Bundesrat und ohne nochmalige anschließende Beratung durch den Bundestag getroffen worden sind. Das entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen v.  und über die Normenkontrollverfahren 2 BvL 4/11, 2 BvL 4/13, 2 BvL 5/11 und 2 BvL 1/09, die der Bundesfinanzhof und das Finanzgericht Baden-Württemberg eingeleitet hatten. Danach darf der Vermittlungsausschuss eine Änderung, Ergänzung oder Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur vorschlagen, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen des ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleibt. Wird der Rahmen überschritten, bedarf es eines erneuten Beschlusses des Bundestags. Wird der Anrufungsauftrag auf einzelne Vorschriften begrenzt, muss der Vermittlungsausschuss die übrigen Regelungen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes als endgültig hinnehmen. Dass das Haushaltsbegleitgesetz 2004 formell nicht verfassungsgerecht zustande kam, hatte das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss v.  - 2 BvR 758/07 (BGBl 2010 I S. 68) entschieden und deshalb die darin geregelte Kürzung des Ausgleichsbetrags gem. § 45a Abs. 2 Satz 3 Personenbeförderungsgesetz verworfen. Daraufhin erfolgte eine Nachbesserung mit dem „Gesetz zur bestätigenden Regelung verschiedener steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes“ v.  (BGBl 2011 I S. 554).

Bemerkenswert ist, wieviel Zeit das Gericht benötigte, um über die Normenkontrollverfahren zur Erhöhung der Biersteuer und zur Verringerung des Betriebsausgabenabzugs von Bewirtungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG von 80 % auf 70 % zu entscheiden. Grundlage für die Gesetzesänderungen war das sog. Koch/Steinbrück-Papier, das nach der „Rasenmäher-Methode“ ohne Beratung im Bundestag zahlreiche Steuerverschärfungen in das Gesetz einfügte. Wie zu befürchten war (s. Korn, NWB 34/2013 S. 2696), sind die „Steuerbürger“ einmal mehr leer ausgegangen, denn das Bundesverfassungsgericht hat unter dem Gesichtspunkt der Verlässlichkeit der Finanz- und Haushaltsplanung lediglich die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und die uneingeschränkte Anwendung des verfassungswidrig zustande gekommenen Gesetzes angeordnet. Diese Stützung des Gesetzgebers erfolgte für die formell verfassungswidrige Anwendungsregelung in § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999 wegen deren geringer Bedeutung nicht. Der vom Deutschen Bundestag verabschiedete Entwurf des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 sah eine Regelung in § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG 1999 vor, die eine Herabschleusung des Körperschaftsteuersatzes von 45 % auf 40 % auf bestimmte, durch Umwandlungen entstehende Übernahmegewinne verhinderte, jedoch für den Veranlagungszeitraum 1999. Diese Lücke hat der Vermittlungsausschuss geschlossen, obwohl dies in keiner Weise Gegenstand seiner Anrufung war.

Klaus Korn

Fundstelle(n):
NWB 2019 Seite 609
QAAAH-08173