BFH Beschluss v. - VII B 309/02

Ausschluss der Saldierung auf Molkereiebene zwischen Erzeugern aus den alten und neuen Bundesländern

Leitsatz

1. Für die Abgabepflicht des Milcherzeugers kommt es nicht darauf an, ob der Mitgliedstaat die an die Gemeinschaft abzuführenden Abgaben bereits abgerechnet hat.

2. Der Ausschluss einer Saldierung auf Molkereiebene zwischen Erzeugern aus den alten und den neuen Bundesländern ist durch die besondere Situation der Milchwirtschaft in dem Gebiet der neuen Bundesländer gerechtfertigt. Er beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen (gemeinschaftsrechtlichen) Grundlage.

3. Die §§ 8, 12 MOG stellen eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der MGV dar.

4. Die MGV ist nicht wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nichtig.

Gesetze: VO (EWG) Nr. 3950/92 VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 2VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 3 Abs. 2VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 4VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 5VO (EWG) Nr. 536/93 VO (EWG) Nr. 536/93 Art. 3 Abs. 1 und 3VO (EWG) Nr. 536/93 Art. 5 Abs. 2VO (EWG) Nr. 536/93 Art. 6MGV § 7bMOG § 8MOG § 12GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3

Instanzenzug:

Gründe

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Milcherzeuger. Er war Genosse der W eG (W), die Aktionärin der K AG (K) war. Die K hatte unter dem mit der W einen Milchlieferungsvertrag abgeschlossen. Hiernach sollte die K die von den Genossen der W erzeugte Milch abnehmen und diese zur Andienung der Milch verpflichtet sein. Die K erstellte die für den Kläger bestimmten Milchgeldabrechnungen im Auftrag der W und gab als Käuferin die Anmeldung für die Milchgarantiemengenabgabe ab. Einen entsprechenden Milchlieferungsvertrag schloss die K unter dem mit der P eG (P) ab. Genossin der P war unter anderem die N GmbH iG (N) in G (in den neuen Bundesländern).

Der Kläger lieferte im Milchwirtschaftsjahr 1997/1998 41 001 kg und im Milchwirtschaftsjahr 1998/1999 66 410 kg Milch unter der Erzeugernummer der N, der er Milchkühe verpachtet hatte, die jedoch in seinem Betrieb verblieben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) setzte deshalb gegen den Kläger mit Bescheid vom in der Gestalt des Bescheids vom letztlich ... DM Abgaben fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Kläger habe die in seinem Betrieb erzeugte und unter seiner Erzeugernummer gelieferte Milch auf Grund seines genossenschaftlichen Verhältnisses mit der W dieser zur Verfügung gestellt. Abnehmerin der Milch sei daher die W und nicht die K gewesen. Es habe nicht festgestellt werden können, ob die K die Mitteilungen über die Höhe der dem Kläger zustehenden Referenzmenge im Namen der W oder in eigenem Namen abgegeben habe. Der Kläger habe die entsprechenden Unterlagen trotz Aufforderung in der mündlichen Verhandlung nicht zur Verfügung gestellt. Der Kläger sei auch Erzeuger der Milch gewesen, die er unter der Erzeugernummer der N geliefert habe. Die K sei gleichfalls nicht Abnehmerin dieser Milch gewesen, weil sie nur mit der W und der P Milchlieferungsverträge abgeschlossen habe. Zu den Erzeugern habe die K in keinen direkten vertraglichen Beziehungen gestanden. Da das HZA dennoch zugunsten des Klägers auf der Ebene der K eine Saldierung ungenutzter Referenzmengen vorgenommen habe, könne offen bleiben, ob die Saldierungsbestimmungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl I, 586), zuletzt geändert durch die Verordnung vom (BGBl I, 535), den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprächen. Es sei auch zweifelhaft, ob das HZA zu Recht den Bundessaldierungssatz angewendet habe. Der Kläger habe die von ihm erzeugte und an die W abzuliefernde Milch einer anderen Genossenschaft im Namen eines anderen Erzeugers zur Verfügung gestellt. Eine Saldierung auf der Ebene der P scheitere daran, dass ein nicht zu dieser Genossenschaft gehörender Erzeuger die Milch geliefert habe. Aus Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABLEG— Nr. L 405/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 614/97 der Kommission vom (ABlEG Nr. L 94/4) ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Zuweisung ungenutzter Referenzmengen. Denn für den Erzeuger sei nach Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 3 VO Nr. 3950/92 die ihm zustehende Referenzmenge maßgeblich. An den Gemeinschaftshaushalt seien jedoch nur Abgaben für Mengen abzuführen, welche die für den jeweiligen Mitgliedstaat in Art. 3 VO Nr. 3950/92 festgelegten Gesamtmengen überschreiten würden. Die MGV verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG). § 12 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl I, 1397) verdeutliche, welchem Ziel die zu erlassenden Regelungen dienen sollten und auf welche Fragen sie sich beziehen könnten. Dem Gesetzgeber sei es verwehrt, genauere Vorgaben zu machen, weil das umzusetzende Gemeinschaftsrecht einzelstaatliches Recht überlagere. Die jeweilige Verordnung des Gemeinschaftsrechts habe nicht benannt werden müssen, weil diese unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelte. Die MGV sei auch nicht wegen Verstoßes gegen das aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG folgende Zitiergebot unwirksam. Selbst wenn die VO Nr. 3950/92 habe zitiert werden müssen, würde es sich nur um einen nicht offensichtlichen Verfahrensverstoß handeln.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordere und weil die Vorentscheidung auf Verfahrensmängeln beruhe.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärungsfähigen Rechtsfrage in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 133/95, BFHE 180, 450, BStBl II 1997, 82, 83; vom VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463).

a) Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Erhebung der Abgaben von ihm noch zulässig ist, selbst wenn die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) die Milchwirtschaftsjahre 1997/ 1998 und 1998/1999 mit der Europäischen Gemeinschaft bereits abgerechnet hat, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie auf der Grundlage des einschlägigen Gemeinschaftsrechts eindeutig zu bejahen ist.

Aus Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2, Abs. 2 Unterabs. 3 und Art. 4 VO Nr. 3950/92 sowie aus Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 (VO Nr. 536/93) der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (ABlEG Nr. L 57/12) folgt, dass es für die Abgabenpflicht des Milcherzeugers auf die Überschreitung der einzelbetrieblichen Referenzmenge und nicht darauf ankommt, ob die Bundesrepublik die an die Gemeinschaft abzuführenden Abgaben bereits abgerechnet hat. Ferner ergibt sich aus Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 3950/92, dass es gemeinschaftsrechtlich keine strenge Akzessorietät zwischen den von den Migliedstaaten erhobenen Abgaben und den an die Gemeinschaft abzuführenden Beträgen gibt.

Dies steht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) insbesondere für den Fall in Einklang, dass von einem Milcherzeuger geschuldete Abgaben nacherhoben werden. Hiernach darf ein Milcherzeuger, bei dem wegen einer unzutreffenden Berechnung ein zunächst nicht erhobener Teil des geschuldeten Abgabenbetrags nacherhoben wird, aus der verspäteten Zahlung keinen Vorteil ziehen (vgl. , EuGHE 1998, I-145 Rdnr. 29). Dementsprechend kann sich ein Milcherzeuger nicht darauf berufen, dass von ihm selbst wegen der bereits erfolgten Abrechnung der von dem betreffenden Mitgliedstaat an die Gemeinschaft abzuführenden Beträge keine Abgaben mehr nacherhoben werden dürften. Der Kläger kann sich für die von ihm vertretene Auffassung auch nicht auf das (EuGHE 2001, I-8453) berufen. Dort hat der EuGH entschieden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, lediglich die von ihnen tatsächlich erhobenen Milchabgaben an die Gemeinschaft abzuführen, ohne dass der Betrag dieser Abgaben eine eigene Zahlungsschuld des betreffenden Mitgliedstaaates darstellt (a.a.O. Rdnr. 38). Dies bedeutet indessen nicht, dass ein Mitgliedstaat von der Erhebung der objektiv vom Milcherzeuger geschuldeten Abgaben absehen dürfte. Im Gegenteil bleibt trotz der Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaates zur Abführung der erhobenen Beträge gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 536/93 die Schuldnerschaft des Milcherzeugers nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 3950/92 unberührt (a.a.O. Rdnr. 37).

b) Die vom Kläger formulierte Frage, ob § 7b MGV gegen Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 3950/92 verstößt, weil er eine Saldierung auf Molkereiebene zwischen Erzeugern aus den alten und den neuen Bundesländern weitgehend ausschließt, ist nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat bereits entschieden, dass die besondere Situation der Milchwirtschaft in dem Gebiet der neuen Bundesländer (vgl. Senatsurteil vom VII R 73/97, BFHE 186, 179) es vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz, der Bestandteil des Gemeinschaftsrechts ist, gerechtfertigt erscheinen lässt, Milcherzeugern, deren Betrieb ganz oder teilweise in den neuen Bundesländern liegt, die Referenzmengen nach besonderen Grundsätzen zuzuteilen (vgl. Senatsbeschluss vom VII S 21/98, BFH/NV 1999, 532, 533). Der Gemeinschaftsgesetzgeber musste nämlich Regelungen finden, die einerseits die Erreichung seines Ziels garantieren, die Milchüberproduktion in der Gemeinschaft zu drosseln, ohne andererseits den Mitgliedstaaten zu genaue Vorgaben zu machen, die sie daran gehindert hätten, der von ihnen am besten zu beurteilenden Situation einzelner Erzeuger oder einzelner Regionen Rechnung zu tragen. Deshalb hat das Gemeinschaftsrecht durch eine Reihe von Regelungen eine flexible Verwaltung der Milchquoten ermöglicht (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 532, 534). So räumte schon Art. 4a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (VO Nr. 857/84) des Rates vom über die Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Art. 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 90/13), der durch Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 590/85 des Rates vom zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (ABlEG Nr. L 68/1) eingefügt wurde, den Mitgliedstaaten für einen begrenzten Zeitraum die Befugnis ein, die von Erzeugern oder Käufern nicht genutzten Referenzmengen Erzeugern oder Käufern derselben Region und gegebenenfalls auch anderer Regionen zuzuteilen. Nach Art. 4a Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 857/84 i.d.F. des Anhangs VI zur Verordnung (EWG) Nr. 3577/90 des Rates vom über die für die Landwirtschaft erforderlichen Übergangsmaßnahmen und Anpassungen auf Grund der Herstellung der deutschen Einheit (ABlEG Nr. L 353/23) sollte die Möglichkeit der Zuteilung nicht genutzter Referenzmengen nicht zwischen dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und den übrigen Gebieten der Bundesrepublik gelten.

Auch die Bestimmungen der VO Nr. 3950/92 stehen einer Berücksichtigung der besonderen Situation der Milchwirtschaft in dem Gebiet der neuen Bundesländer nicht entgegen, wie sich dies schon aus dem 11. Erwägungsgrund zur VO Nr. 3950/92 ergibt. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 überlässt es grundsätzlich der Entscheidung der Mitgliedstaaten, ungenutzte Referenzmengen zuzuteilen. Wie aus Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 536/93 folgt, ist den Mitgliedstaaten hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt worden (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 136/99, BFH/NV 2000, 1000, 1001, in dem bereits stillschweigend von der Vereinbarkeit des § 7b MGV mit Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 ausgegangen wurde). Es ist zudem durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt (vgl. Urteil vom Rs. C-267/88 bis C-285/88, EuGHE 1990, I-435 Rdnr. 17 f.), dass bei der Zuweisung von Referenzmengen regionale Besonderheiten berücksichtigt werden dürfen. Vor dem Hintergrund der auch vom Gemeinschaftsgesetzgeber anerkannten besonderen Situation der Milchwirtschaft in den neuen Bundesländern ist es nicht unverhältnismäßig, den Milcherzeugern, deren Betrieb ganz oder teilweise dort liegt, vorrangig die Möglichkeit eines weiteren Ausbaus ihrer Produktion zu geben und die Milcherzeuger, deren Betrieb in den alten Bundesländern liegt, an den nicht vollständig in den neuen Bundesländern ausgenutzten Referenzmengen nicht uneingeschränkt teilhaben zu lassen.

c) Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die §§ 8, 12 MOG eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der MGV darstellen, ist gleichfalls nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat bereits entschieden, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen vom —MOG 1972— (BGBl I, 1617) als Ermächtigungsgrundlage den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprach (vgl. Beschluss vom VII B 116/85, BFHE 145, 289, 296). Hieran hat der Senat in der Folgezeit festgehalten (vgl. Urteil vom VII R 184/85, BFHE 146, 302, 306). Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist hinsichtlich des Bescheinigungsverfahrens wiederholt davon ausgegangen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG 1972 eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung ist (vgl. Urteile vom 3 C 41.87, BVerwGE 79, 171, 174; 3 C 48.86, BVerwGE 79, 192, 193).

Eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits entschiedene Rechtsfrage kann zwar noch von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sein, wenn die Finanzgerichte der Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt sind oder im Fachschrifttum oder auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde selbst neue gewichtige Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht erwogen hat (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 180, 450, 451, BStBl II 1997, 82, 83; Senatsbeschluss vom VII B 123/02, BFH/NV 2003, 294). Dafür genügt jedoch nicht der Hinweis, dass § 8 Abs. 1 MOG 1972 durch § 12 Abs. 2 Satz 1 MOG ersetzt worden ist. Denn die maßgeblichen Tatbestandsmerkmale beider Regelungen entsprechen sich (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, 396, BStBl II 1999, 587; vom IX B 109/00, BFH/NV 2001, 599, 600).

Soweit der Kläger geltend macht, durch die §§ 8, 12 MOG werde dem Verordnungsgeber in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise die Entscheidung darüber übertragen, ob eine Abgabe erhoben werde oder nicht, gelten unverändert die Grundsätze, die der Senat in seinem Beschluss in BFHE 145, 289, 296 dargelegt hat. Obgleich die VO Nr. 3950/92 die VO Nr. 857/84 abgelöst hat, enthält nach wie vor das Gemeinschaftsrecht, auf das in den §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 2 Satz 1 MOG jeweils i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG Bezug genommen wird, die materiell-rechtlichen Vorschriften über die Erhebung der Milchabgabe. Der Gesetzgeber ist zudem befugt, mit einer Verweisung auf Gemeinschaftsrecht Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen näher zu bestimmen (vgl. Bundesverfassungsgericht —BVerfG—, Beschlüsse vom 2 BvR 618/68, BVerfGE 29, 198, 210; vom 2 BvL 19/70, BVerfGE 34, 348, 366).

Dabei kann hier dahinstehen, ob der Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auf das in einer einzelstaatlichen Ermächtigung in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht angewendet werden kann (vgl. und 1042/75, BVerfGE 45, 142, 166, das diese Frage offen gelassen hat). Denn Art. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 regelt die Höhe der Abgabe, wobei die Art. 1 und 2 VO Nr. 536/93 detaillierte Bestimmungen zur Berechnung der Abgabe enthalten. Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 3950/92 stellt auch eine ausreichend bestimmte Regelung für die Ermittlung der einzelbetrieblichen Referenzmenge dar. Hierbei wird an die Summe der einzelbetrieblichen Referenzmengen jeweils gleicher Art —d.h. jeweils für Lieferungen und Direktverkäufe— sowie an die in Art. 3 dieser Verordnung festgelegten Gesamtmengen angeknüpft. Hinsichtlich der Kürzungen zur Aufstockung der einzelstaatlichen Reserve nach Art. 5 VO Nr. 3950/92 enthält Art. 6 VO Nr. 536/93 nähere Bestimmungen. Der Auffassung von Thiele (Das Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik der EG, 1997, S. 110), die §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 2 Satz 1 MOG seien wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit des in Bezug genommenen Gemeinschaftsrechts verfassungswidrig, vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen.

Das gilt insbesondere auch für den von der Beschwerde unter dem vorgenannten Gesichtspunkt angegriffenen Ausschluss einer Saldierung von Überlieferungen im alten Bundesgebiet ansässiger Milcherzeuger mit ungenutzten Referenzmengen in den neuen Bundesländern. Denn diese Regelung ist, wie erwähnt, im Gemeinschaftsrecht selbst zumindest angelegt und kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass dieses in einer Fußnote zu Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 für die Bundesrepublik hinsichtlich der neuen Bundesländer besondere Gesamtreferenzmengen ausweist.

Deshalb kann unerörtert bleiben, ob die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, auf dessen Urteil vom 9 B 02.1730 der Kläger sich nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ergänzend berufen hat, geäußerten Zweifel daran durchgreifen, dass die an die Stelle der MGV getretene Zusatzabgabenverordnung vom (BGBl I, 27) hinsichtlich ihrer Regelungen über die Möglichkeiten einer Übertragung von Referenzmengen und deren Einziehung den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, könnte dies nicht die Rechtswidrigkeit der, wie dargelegt, auf einer rechtsstaatlich ausreichenden Grundlage beruhenden Abgabenerhebung im Falle des Klägers zur Folge haben, welcher von diesen eben erwähnten Regelungen nicht betroffen ist.

Soweit der Kläger behauptet, in den neuen Bundesländern seien vorläufige Referenzmengen aufgrund von bloßen ”Richtlinien” zugeteilt worden, betrifft dies den tatsächlichen Vollzug des § 16b MGV, wobei nicht ersichtlich ist, inwieweit der Kläger, der nicht zu den davon betroffenen Landwirten in den neuen Bundesländern gehört, hierdurch beschwert sein könnte.

d) Die in der Beschwerdebegründung formulierte Frage, ob die MGV wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) nichtig ist, bedarf gleichfalls keiner Klärung mehr. Es ist mittlerweile geklärt, dass in einer Rechtsverordnung lediglich das zugrunde liegende einzelstaatliche förmliche Parlamentsgesetz, nicht jedoch auch eine gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage anzugeben ist (vgl. 3 C 10.02, zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt).

e) Die vom Kläger ferner aufgeworfenen Fragen, ob eine eingetragene Genossenschaft, die keinen eigenen Geschäftsbetrieb mehr hat sowie über kein Vermögen mehr verfügt, Abnehmerin i.S. des Art. 9 Buchst. e VO Nr. 3950/92 sein kann und ob Abnehmer nur sein kann, wer nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 536/93 zugelassen wurde, wären in einem Revisionsverfahren mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat das HZA die Saldierung zugunsten des Klägers auf der Ebene der K durchgeführt, weil es diese als Abnehmerin der Milch angesehen hat. Die K war nach dem eigenen Vorbringen des Klägers auch zugelassene Abnehmerin. Der Senat müsste daher in einem Revisionsverfahren nicht der vom FG problematisierten Frage nachgehen, ob die W und nicht die K Abnehmerin der Milch war, die der Kläger geliefert hat. Der Kläger wird durch die zu seinen Gunsten auf der Ebene der K durchgeführte Saldierung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

2. In Ermangelung klärungsbedürftiger und klärungsfähiger Rechtsfragen ist die Revision auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen.

3. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind in der Beschwerdebegründung nicht schlüssig dargelegt worden, wie dies nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich ist.

a) Der Kläger rügt, das FG hätte aufklären müssen, wer die Tätigkeiten nach Art. 7 VO Nr. 536/93 sowie nach den §§ 10, 11 und 12 MGV verrichtet habe, ob die K, die W und die P als Abnehmer zugelassen gewesen seien und wie hoch die Saldierungsmöglichkeiten bei der W und der P gewesen seien.

Wird vorgebracht, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), ist unter anderem darzulegen, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 72/99, BFHE 192, 390; , BFH/NV 2002, 1332).

Der Kläger bringt hierzu vor, eine vollständige Saldierung auf der Ebene der K zwischen Ost- und Westbetrieben hätte dazu geführt, dass für das Milchwirtschaftsjahr 1997/1998 keine Abgaben und für das Milchwirtschaftsjahr 1998/1999 geringere Abgaben zu erheben gewesen wären, die mangels ausreichender Rechtsgrundlage ebenfalls nicht hätten erhoben werden dürfen. Das FG hat jedoch nicht die vom Kläger vertretene Auffassung geteilt, die Bestimmungen des § 7b Abs. 1 Satz 8 und Abs. 2 Satz 2 MGV seien mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren, sondern dies offen gelassen. Das FG ist auch von der Wirksamkeit der MGV und der dieser zugrunde liegenden Regelungen des MOG ausgegangen. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe von seinem Standpunkt aus aufklären müssen, ob auf der Ebene der W oder der P eine höhere Saldierungsmöglichkeit bestanden habe, hat er nicht dargelegt, aus welchen Gründen sich für das FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Er behauptet lediglich unsubstantiiert, es habe bei der W oder der P durchaus die Möglichkeit einer solchen höheren Saldierung bestanden.

b) Die Rüge der Verletzung seines Rechts auf Gehör stützt der Kläger darauf, dass die Aufforderung des FG, Unterlagen über die Berechnung der ihm zustehenden Referenzmenge und die entsprechenden Mitteilungen der Molkerei in der mündlichen Verhandlung vorzulegen, nur ihm persönlich und nicht seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber ergangen sei.

Diese Ausführungen reichen zur Darlegung einer Verletzung rechtlichen Gehörs nicht aus, weil der Kläger nicht vorgetragen hat, weshalb dieser angebliche Verfahrensfehler Auswirkungen auf die Entscheidung des FG gehabt haben kann. Dazu wäre es erforderlich gewesen, im Einzelnen auszuführen, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwieweit sein Vortrag die Entscheidung des FG hätte beeinflussen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499; vom VII B 227/02, BFH/NV 2003, 651). Der Kläger trägt vor, das FG hätte auf der Grundlage der von ihm vorzulegenden Unterlagen feststellen müssen, dass die K Abnehmerin der Milch gewesen sei. Das FG hat dem Kläger das Unterbleiben der Vorlage der angeforderten Unterlagen allerdings nur hinsichtlich seines Verhältnisses zur W vorgehalten. Insoweit hat das FG jedoch ausgeführt, die Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Verhältnis des Klägers zur W seien unerheblich, weil sich die Festsetzung der Abgaben nicht auf die an die W gelieferte Milch beziehe. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum die von ihm vorzulegenden Unterlagen für das FG gleichwohl entscheidungserheblich gewesen sein sollen. Entsprechendes gilt für die von ihm in diesem Zusammenhang erhobene Sachaufklärungsrüge.

c) Soweit sich der Kläger mit seinen Verfahrensrügen im Übrigen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung wendet, indem er die rechtlichen Wertungen des FG angreift, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 39/00, BFH/NV 2001, 610; vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 2448 Nr. 46
BFH/NV 2003 S. 1677
BFH/NV 2003 S. 1677 Nr. 12
DStRE 2003 S. 1413 Nr. 23
SAAAA-71969