BFH Beschluss v. - VIII R 38/02

Feststellung der verrechenbaren Verlus- te nach § 15a EStG bei Umwandlung einer PersGes

Gesetze: EStG § 15a

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis einschließlich 1996 alleiniger Kommanditist der X-KG. Komplementärin war die —weder am Vermögen noch an Gewinn und Verlust der X-KG beteiligte— X-GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Kläger war. Zum belief sich der verrechenbare und nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellte Verlust des Klägers auf 721 061,79 DM.

Mit Wirkung ab wurde die Rechtsstellung des Klägers in diejenige eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters umgewandelt und die Gesellschaft als X-OHG geführt (identitätswahrender Rechtsformwechsel).

Mit Bescheiden vom stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zum einen den im Jahre 1997 (Streitjahr) erzielten Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft auf 126 997,68 DM fest und rechnete diesen in vollem Umfang dem Kläger zu. Hiervon entfielen 6 997,68 DM auf dessen Anteil am Gewinn der X-OHG sowie 120 000 DM auf Sondervergütungen (Geschäftsführervergütungen) i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Halbsatz 2 EStG. Zum anderen stellte das FA den verrechenbaren Verlust gemäß § 15a Abs. 4 EStG zum auf 714 064,11 DM fest (= 721 061,79 DM [§ 15a - Verlust zum ] abzügl. 6 997,68 DM [Anteil am OHG-Gewinn 1997]). Dem Begehren der X-OHG, den verrechenbaren Verlust zum (721 061,79 DM) aufgrund der Unternehmensumwandlung in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren und demgemäß von einem Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft in Höhe von - 594 064,11 DM auszugehen (= 126 997,68 DM abzügl. 721 061,79 DM), folgte das FA nicht.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt, weil der Kläger zivilrechtlich ab dem Jahre 1997 in vollem Umfang auch für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten hafte und somit auch in vollem Umfang wirtschaftlich belastet sei (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 1035). Den dem Kläger zuzurechnenden Verlust stellte es antragsgemäß auf - 594 064,11 DM fest.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, das Urteil der Vorinstanz verstoße gegen materielles Recht.

II. Die X-OHG ist zu dem Verfahren notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die Vorinstanz ist offenkundig davon ausgegangen, dass sich die Klage nur gegen den Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) richtete. Dem ist nicht zu folgen. Vielmehr ist die Klageschrift —ebenso wie der Einspruch— dahin auszulegen, dass Gegenstand des Klageverfahrens nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Klägers auch der nach § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG mit der Gewinnfeststellung verbundene Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts war (dazu , BFHE 177, 466; vom VIII R 40/95, BFH/NV 1998, 1363; zu den Grundsätzen der Auslegung von außerprozessualen und prozessualen Erklärungen vgl. , BFH/NV 2001, 589).

Regelungsgegenstand dieses selbständigen —und für den Gewinnfeststellungsbescheid bindenden— Verwaltungsakts ist gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht nur der nach § 15a Abs. 1 EStG in dem jeweiligen Wirtschaftsjahr (Wj) nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust des Kommanditisten, sondern auch dessen Verminderung um die nach § 15a Abs. 2 EStG abzuziehenden Beträge, d.h. um die dem Kommanditisten zuzurechnenden Beteiligungsgewinne, die mit den auf das Ende des vorangegangenen Wj festgestellten verrechenbaren Verlusten zu saldieren sind. Hieran anknüpfend ist nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn der Kommanditist den bisher nur als verrechenbar ausgewiesenen Verlust tatsächlich getragen hat und dieser deshalb nach Liquidation der KG als ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust anzusetzen ist (vgl. , BFH/NV 1998, 1078, m.w.N.), die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG (Grundlagenbescheid) zu ändern (, BFH/NV 1995, 971). Nichts anderes gilt, wenn —wie im Streitfall— der Kläger nach Umwandlung einer KG in eine OHG die Umqualifikation der für das Ende des vorangegangenen Wj festgestellten verrechenbaren Verluste begehrt. Auch hierüber kann nur im Verfahren nach § 15a Abs. 4 EStG entschieden werden, so dass im Falle des Erfolgs der Klage der Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes zu ändern (bzw. aufzuheben) und hieran der Gewinnfeststellungsbescheid (Folgebescheid) anzupassen wäre (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977).

2. Von der somit nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO gebotenen Beiladung der X-OHG (zur Verfahrensbeteiligung bei Klagen gegen den Feststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG vgl. Senatsbeschluss vom VIII R 32/01, juris) konnte —entgegen der Ansicht der Vorinstanz— nicht deshalb abgesehen werden, weil nur der Kläger am Vermögen sowie an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt war und ihm zudem sämtliche Anteile an der X-GmbH, der weiteren Gesellschafterin der X-OHG, zustehen. Das FG hat hierbei zum einen verkannt, dass die Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO die zwingende Folge der Klagebefugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist. Zum anderen hat es unberücksichtigt gelassen, dass die Gesellschaft für die Feststellungsbeteiligten (Mitunternehmer) in gesetzlicher Prozessstandschaft handelt und diese ihre Rechtfertigung nicht nur in den gesellschaftsrechtlichen Bindungen der Gesellschafter, sondern auch in dem Anliegen findet, die eigene steuerrechtliche Interessenssphäre der Personengesellschaft zu wahren (vgl. zu § 48 FGO a.F. , BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559; zu § 48 FGO n.F. s. Urteil vom VIII R 67/94, BFH/NV 1996, 485).

3. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung begründet zwar einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Die Beiladung kann jedoch in der Revisionsinstanz nach § 123 Abs. 1 Satz FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567; zur Anwendbarkeit ab dem vgl. Art. 6 Satz 1 2.FGOÄndG) nachgeholt werden. Der Senat übt sein ihm in dieser Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahin gehend aus, dass er von einer Zurückverweisung der Sache an das FG aus verfahrensrechtlichen Gründen absieht und die Beiladung selbst vornimmt.

4. Hierdurch erhält die X-OHG als Beigeladene die Stellung einer Beteiligten (vgl. § 57 Nr. 3 FGO; zur Stellung einer Beigeladenen: Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 60 Rz. 140 ff.). Die Rechtskraft einer Entscheidung in diesem Verfahren wirkt für und gegen die Beigeladene (vgl. § 110 Abs. 1 FGO).

5. Der Senat weist darauf hin, dass die Beigeladene Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses rügen kann (§ 123 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Frist kann nach Maßgabe des § 123 Abs. 2 Satz 2 FGO verlängert werden. Jeder Beteiligte, also auch die Beigeladene, muss sich vor dem BFH durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes vertreten lassen (§ 62a Abs. 1 FGO; vgl. auch Gräber/Koch, a.a.O., § 62a Rz. 18). Zur Vertretung der Beteiligten vor dem BFH berechtigt sind Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer; ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 916
BFH/NV 2003 S. 916 Nr. 7
LAAAA-71312