Leitsatz
1. Die Unterscheidung zwischen § 14 Abs. 2 UStG und § 14 Abs. 3 UStG hat insoweit keine Bedeutung mehr, als
- nur die geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbar ist (, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695) und
- eine unrichtig oder zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist (, BFHE 194, 528, BFH/NV 2001, 1088).
2. Hat der leistende Unternehmer in einer Endrechnung die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 5 UStG 1980/§ 14 Abs. 1 Satz 7 UStG 1991 abgesetzt, ist die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar.
Gesetze: AO 1977 § 176 Abs. 1 Nr. 3UStG 1980/1991 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4UStG 1980/1991 § 15 Abs. 1 Nr. 1UStG 1980/1991 § 15a Abs. 1UStG 1980/1991 § 14 Abs. 2UStG 1980/1991 § 14 Abs. 3UStG 1980 § 14 Abs. 1 Satz 5UStG 1991 § 14 Abs. 1 Satz 7
Instanzenzug: Niedersächsisches FG (EFG 2001, 600) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Geschäftsführer einer GmbH und zugleich deren Gesellschafter. 1989 begann er mit der Errichtung eines Gebäudes, das er nach dessen Fertigstellung im Jahr 1990 anteilig an die GmbH steuerpflichtig vermietete und im Übrigen privat nutzte. Der Umfang der steuerpflichtigen Vermietung betrug in den Streitjahren 1990 und 1991 59,2 v.H.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für 1990 und 1991 machte der Kläger Vorsteuerbeträge aus Rechnungen für Leistungen zur Errichtung und Erhaltung des Gebäudes geltend, soweit diese anteilig auf die steuerpflichtige Vermietung entfielen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte dem zunächst.
Bei einer Prüfung stellte das FA fest, dass der Kläger in diesen Steuererklärungen Vorsteuerbeträge aus Endrechnungen geltend gemacht hatte, denen bereits Abschlagsrechnungen mit ausgewiesener und vom Kläger geltend gemachter Umsatzsteuer vorausgegangen waren, ohne dass diese Beträge in den Endrechnungen abgesetzt worden waren. Im Jahr 1990 handelt es sich um Vorsteuerbeträge aus drei Rechnungen (insgesamt 8 074,62 DM), im Jahr 1991 um zwei Rechnungen (insgesamt 8 329,75 DM); davon waren bereits Vorsteuerbeträge in Höhe von 5 180 DM (1990) und 4 970 DM (1991) in Abschlagsrechnungen ausgewiesen, vom Kläger bezahlt und geltend gemacht worden. Das FA vertrat die Auffassung, die in den Endrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer dürfe nur berücksichtigt werden, soweit sie nicht bereits in vorausgegangenen Veranlagungszeiträumen als Vorsteuerbeträge aus den Abschlagsrechnungen berücksichtigt worden sei. Es änderte deshalb den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom und den Umsatzsteuerbescheid für 1991 vom entsprechend.
Im Streitjahr 1992 änderte sich gegenüber den Vorjahren der Umfang der steuerpflichtigen Nutzung des Gebäudes; in den Monaten Mai bis September vermietete der Kläger das Haus zu 100 v.H., in den Monaten Oktober bis Dezember zu 80 v.H. an die GmbH. Der Kläger machte deshalb weitere Vorsteuerbeträge aus einer entsprechenden Berichtigung nach § 15a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1991 (UStG) geltend. Im Umsatzsteuerbescheid vom erkannte das FA die Vorsteuerberichtigung nur in dem um die doppelt erfassten Vorsteuerbeträge geminderten Umfang an.
Einspruch und Klage gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide für 1990 und 1991 und den Umsatzsteuerbescheid für 1992 hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 600 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Entscheidung des FG durchbreche die Steuerneutralität der Umsatzsteuer. Wenn der Unternehmer die Steuer schulde, die zu Unrecht ausgewiesen sei, müsse sie vom Leistungsempfänger auch abgezogen werden dürfen. Auch habe das FA in den Änderungsbescheiden die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Nichtabziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen, die nur nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldet werden (, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695), nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht berücksichtigen dürfen.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von 3 066,56 DM (1990), 2 942,24 DM (1991) und 225,33 DM (1992) zum Abzug zuzulassen.
Das FA tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Vorsteuerbeträge abziehen.
a) Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird (Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-342/87 -Genius Holding-, Slg. 1989, 4227, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 1990, 113, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1991, 83; BFH-Urteile in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695; vom V R 23/00, BFHE 194, 493, BFH/NV 2001, 991). Absetzbar ist hiernach nur die für den berechneten Umsatz geschuldete Steuer, nicht dagegen die lediglich nach § 14 Abs. 3 UStG (BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695) oder nach § 14 Abs. 2 UStG (BFHE 194, 493, BFH/NV 2001, 991; , BFH/NV 1999, 1526) geschuldete Umsatzsteuer.
b) Der Kläger darf die in den Endrechnungen ausgewiesene Steuer nur gekürzt um die bereits berücksichtigten Vorsteuerbeträge aus den Abschlagsrechnungen als Vorsteuer abziehen; ein weiterer Vorsteuerabzug steht ihm deswegen nicht zu, weil der Leistende die Steuer in diesem Umfang wegen der Abschlagsrechnungen nicht (mehr) für einen Umsatz, sondern deswegen schuldet, weil er sie in diesem Umfang zu Unrecht ausgewiesen hat.
Hat ein Unternehmer bereits vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung Entgelte vereinnahmt, so entsteht insoweit auch die Steuer schon mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG), mithin aufgrund eines eigenen Besteuerungstatbestandes (vgl. , BFHE 195, 446, BFH/NV 2001, 1683). Deshalb verlangt § 14 Abs. 1 Satz 5 UStG 1980 bzw. § 14 Abs. 1 Satz 7 UStG 1991, dass in der Endrechnung die vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abgesetzt werden, wenn der Unternehmer dementsprechend über die Teilentgelte Rechnungen i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgestellt hat. Geschieht dies nicht, hat der Unternehmer in der Endrechnung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, als er nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet. Offen bleiben kann, ob er die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG (so der XI. Senat des , BFHE 181, 537, BStBl II 1997, 579) oder nach § 14 Abs. 3 UStG schuldet. Die Unterscheidung zwischen § 14 Abs. 2 UStG und § 14 Abs. 3 UStG hat inzwischen insoweit keine Bedeutung mehr, als richtlinienkonform nur die für einen Umsatz geschuldete Umsatzsteuer --also weder die nach § 14 Abs. 2 UStG noch die nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldete Steuer-- zum Vorsteuerabzug berechtigt (BFH-Urteile in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, und in BFHE 194, 493, BFH/NV 2001, 991). Auch darf in beiden Fällen die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist ( -Schmeinck & Cofreth/Manfred Strobel--, UVR 2000, 424, UR 2000, 470; , BFHE 194, 528, BFH/NV 2001, 1088).
Deshalb beruft sich der Kläger für seinen Anspruch auf Vorsteuerabzug auch zu Unrecht auf den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer.
2. Zu Recht hat das FG auch die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 verneint.
Nach dieser Vorschrift darf bei Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Die Vorschrift schützt nicht das Vertrauen in die Gesetzgebung oder die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern das Vertrauen in die Bestandskraft der Steuerfestsetzung (z.B. , BFH/NV 1992, 565). Wie schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ”bei der Aufhebung oder Änderung ...” hervorgeht, greift diese nur ein, wenn sich die Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides und dem Erlass des Änderungsbescheides geändert hat; sie erfasst keinen Sachverhalt, in dem zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und erst im Anschluss hieran eine Rechtsprechungsänderung erfolgt (z.B. , BFHE 194, 185, BFH/NV 2001, 854, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Selbst wenn die Rechtsprechungsänderung im BFH-Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, wie der Kläger meint, die im Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage betroffen hätte, hätte sich die Rechtsprechung erst nach Ergehen der angefochtenen Änderungsbescheide vom (Umsatzsteuer 1990) und vom (Umsatzsteuer 1991) geändert. Schon deshalb ist § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 im Streitfall nicht anwendbar.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 317
BB 2002 S. 1306 Nr. 25
BFH/NV 2002 S. 1006 Nr. 7
BFHE S. 238 Nr. 198
BStBl II 2004 S. 317 Nr. 7
DB 2002 S. 1421 Nr. 27
DStR 2002 S. 992 Nr. 24
DStRE 2002 S. 850 Nr. 13
INF 2002 S. 480 Nr. 15
KÖSDI 2002 S. 13345 Nr. 7
UR 2002 S. 338 Nr. 7
CAAAA-69242