BFH Beschluss v. - IV B 70/01

Gründe

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind die Gesellschafter der A-GbR, die sie am gründeten. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist Zweck der Gesellschaft die Unternehmensberatung in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaft (der Führung, Produktion und Materialwirtschaft, dem Vertrieb und dem Verwaltungs- und Rechnungswesen). Beide Kläger verfügen über eine kaufmännische Ausbildung und über praktische Erfahrungen in diesem Bereich.

Der Kläger zu 1 absolvierte eine 2 1/2 Jahre dauernde Ausbildung für Supermarkt-Leiter, die er mit einem Diplom für die Teilnahme an der ”P-S"-Ausbildung im Jahre 1970 abschloss. Im Jahre 1973 legte er vor der Handelskammer H die Prüfung als Kaufmannsgehilfe ab und bestand danach die Eignungsprüfung als Ausbilder. Darüber hinaus nahm er noch an mehreren betriebsinternen Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen (Dauer insgesamt ca. 4 Wochen) teil. Hauptgegenstand dieser Fortbildungsmaßnahmen war jeweils die Tätigkeit in der Ausbildung und im Kommunikationstraining. Ferner nahm er an zwei Veranstaltungen eines privaten Studienzentrums teil, die insgesamt 8 Tage dauerten. Im Jahre 1987 legte er vor der Industrie- und Handelskammer F die Prüfung als Handelsfachwirt ab. Im selben Jahr nahm er an einem 2-tägigen Seminar mit dem Thema Verkaufstraining teil. Im Rahmen seines beruflichen Werdegangs war er bei mehreren Unternehmen im kaufmännischen Bereich tätig.

Der Kläger zu 2 besuchte in den Jahren 1965 bis 1967 die Handelsschule in L. Daran schloss sich eine 2 1/2-jährige Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei einem Lebensmittelfilialunternehmen in L an. Nach diversen kaufmännischen Tätigkeiten wurde er 1981 von der X Niederlassung zum Direktor ”Zentrale Dienste” bestellt. Im Jahre 1983 wurde er mit der Sanierung der Y-AG in H betraut und übernahm weitere Verantwortungsbereiche in anderen Niederlassungen. Schließlich wurde er Vorstandsvorsitzender der Y-AG in H und Vorstand der Z-AG in K.

In den Feststellungserklärungen für die Streitjahre (1992 und 1993) erklärten die Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) qualifizierte dagegen die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und erteilte auf dieser Grundlage Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Revision in seinem Urteil nicht zugelassen.

Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde rügen die Kläger, dass das FG in mehrfacher Hinsicht gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen habe.

Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

1. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich nach den Vorschriften der FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757 —FGO n.F.—), da im Streitfall das angefochtene Urteil nach dem zugestellt wurde (Art. 4  2.FGOÄndG).

2. Es kann dahinstehen, ob ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO n.F. ordnungsgemäß entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. gerügt worden ist, denn jedenfalls liegt ein solcher Verfahrensfehler nicht vor.

a) Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) —ganz allgemein— nicht verletzt, da die Kläger ihrer Mitwirkungspflicht in Bezug auf die Darlegung ihrer Fachkenntnisse und deren Erwerb nicht nachgekommen sind. Zwar hat das Gericht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dieser Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Danach sind die Beteiligten gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 FGO verpflichtet, sich über alle tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit entsprechend zu erklären (vgl. Senatsbeschluss vom IV B 107/95, BFH/NV 1997, 116; , BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt als beratender Betriebswirt i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur derjenige in Betracht, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei einer praktischen Tätigkeit einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Die erforderliche fachliche Breite in diesem Sinne umfasst Fragen der Unternehmensführung, der Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), der Materialwirtschaft, der Finanzierung, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens sowie des Personalwesens (vgl. , BFHE 116, 30, BStBl II 1975, 665, und , BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, und vom IV R 51/99, BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616).

Die notwendige Breite der Betätigung ist demgegenüber schon dann vorhanden, wenn sie sich wenigstens auf einen dieser betrieblichen Hauptbereiche erstreckt. Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liegt insoweit ein ”ähnlicher Beruf” nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, m.w.N.).

Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom) in einem betriebswirtschaftlichen Studiengang, einer Fachhochschule (Diplom-/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), so muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Da der Nachweis auch den Erfolg der autodidaktischen Ausbildung mitumfasst, ist dieser Beweis in der Regel allerdings schwer zu erbringen. Daher hat die Rechtsprechung zugelassen, dass der Steuerpflichtige den erforderlichen Nachweis der theoretischen Kenntnisse anhand eigener praktischer Arbeiten führt. Für diese Form des Nachweises ist es jedoch erforderlich, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen besonders anspruchsvoll ist und nicht nur der Tiefe, sondern auch der Breite nach zumindest das Wissen des Kernbereichs eines betriebswirtschaftlichen Fachstudiums voraussetzt (Senatsurteil in BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; Senatsbeschluss vom IV B 133/99, BFH/NV 2000, 1460).

Nach diesen Grundsätzen hätten die Kläger dem Gericht konkret vortragen müssen, sie hätten in jedem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre und nicht lediglich in einem Spezialgebiet umfassende Kenntnisse erworben, die in ihrer Tätigkeit eingesetzt werden könnten. Erst wenn dieser bestimmte Sachvortrag erbracht worden wäre, hätte sich eine weitere Beweiserhebung durch das FG angeboten. Im Streitfall fehlt es an entsprechenden Ausführungen der Kläger. Diese haben nicht dargelegt, dass sie Kenntnisse in den Bereichen Führung, Leistungserstellung, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen erworben hatten. Das FG konnte daher von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch Beweiserhebung absehen.

Der Hinweis der Kläger auf deren berufliche Stellung reichte nicht aus. Auch haben die Kläger nicht vorgetragen, dass sich ein entsprechendes breites Fachwissen aus den vorgelegten Unterlagen ergebe. Es kann daher dahinstehen, ob durch die Aufforderung zur Vorlage aller Projektunterlagen das FG die Mitwirkungspflichten der Kläger überspannt und dadurch verfahrensfehlerhaft gehandelt hat. Da es schon an einem hinreichenden Sachverhaltsvortrag der Kläger fehlt, beruht das Urteil jedenfalls nicht auf einem derartigen Fehler.

b) Ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist auch nicht dadurch gegeben, dass das FG den beantragten Beweis über die Wissensprüfung nicht eingeholt hat. Wie sich aus dem (BFHE 165, 221, BStBl II 1991, 878) ergibt, ist es in der Regel nicht erforderlich, den Steuerpflichtigen einer Wissensprüfung zu unterziehen, wenn mit der Begutachtung seiner Tätigkeit ein Sachverständiger beauftragt wird. Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich aus diesem Urteil indes nicht schließen, dass eine Wissensprüfung stets dann erforderlich ist, wenn die Begutachtung praktischer Arbeiten im Einzelfall nicht möglich ist. Erst wenn der Steuerpflichtige hinreichend dargelegt hat, dass er in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre Kenntnisse erworben hat und dies entweder durch geeignete Fortbildungsveranstaltungen oder durch praktische Arbeiten nachweist, kommt als nächste Stufe die Möglichkeit einer Wissensprüfung durch einen Sachverständigen in Betracht. Da hier die Kläger schon zu ihren Kenntnissen nicht ausreichend Stellung genommen haben, brauchte das FG keinen weiteren Beweis in Form einer Wissensprüfung zu erheben. Das Gericht geht zu Recht im Ergebnis davon aus, dass der Amtsermittlungsgrundsatz überspannt wird, wenn man auf einen hinreichenden Sachverhaltsvortrag des Steuerpflichtigen gänzlich verzichten würde. Denn andernfalls könnte dieser durch die bloße Behauptung, er habe derartige Fachkenntnisse, das FG dazu zwingen, eine diesbezügliche Prüfung abzuhalten (, Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 763, rkr.).

c) Schließlich hat das FG seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht durch eine vorweggenommene Beweiswürdigung verletzt. Eine unzulässige Vorwegnahme einer Beweiswürdigung liegt vor, wenn eine Beweiserhebung mit der Begründung unterlassen oder abgelehnt wird, ihr zu erwartendes Ergebnis könne die Überzeugung des Gerichts nicht ändern (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 76 Rz. 26, m.w.N.). Das FG ging jedoch zutreffenderweise davon aus, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Wissensprüfung stattfinden kann, in Ermangelung hinreichenden Sachvortrags nicht vorlagen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 644 Nr. 5
KAAAA-68357