BFH Urteil v. - XI R 34/06

Autodidakt als eine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit; Voraussetzungen für die Durchführung der Wissensprüfung

Leitsatz

Behauptet ein Steuerpflichtiger, der nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), einer Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt) verfügt, dass er eine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausübt, muss er den Erfolg seiner autodidaktischen Ausbildung, d. h. eine vergleichbare Breite und Tiefe seiner theoretischen Fachkenntnisse in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftlehre nachweisen. Dies gilt auch für einen Steuerpflichtigen, der zwar eine Hochschule oder Fachschule besucht, den Besuch jedoch nicht mit der vorgesehenen Prüfung abgeschlossen hat. Den Nachweis der erforderlichen Kenntnisse kann der Steuerpflichtige durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen. Die Wissensprüfung ist im Wege eines Sachverständigengutachtens vorzunehmen, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert. Die Wissensprüfung als ergänzendes Beweismittel kommt nur in Betracht, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zu den Umständen des Erwerbs der Kenntnisse und der praktischen Anwendung der erworbenen Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige über hinreichende Fachkenntnisse verfügen könnte, aber ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten nicht geführt werden kann. Steht jedoch fest, dass die konkret ausgeübte Tätigkeit der qualifizierten Arbeit eines beratenden Betriebswirts nicht entspricht, ist eine Wissensprüfung nicht durchzuführen.

Gesetze: EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: ,

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) studierte nach dem Abitur von 1962 bis 1969 Volkswirtschaft an der Universität H und an der Universität S, ohne einen Abschluss zu machen. Nach seinen Angaben arbeitete er während und nach dieser Zeit bei Werbefilmunternehmen und bei britischen und amerikanischen Spielfilmproduktionen. Von 1972 bis 1974 machte er ein Volontariat im Bereich Produktion bei der Arbeitsgemeinschaft zur Nachwuchsförderung für Film und Fernsehen. In den folgenden Jahren arbeitete er in den Bereichen Aufnahme und Produktionsleitung. Von 1982 bis 1985 war er Prokurist bei der A-Gruppe und im Bereich Herstellungsleitung tätig. Von 1985 bis 1987 war er geschäftsführender Gesellschafter der B-GmbH.

Seit 1988 ist der Kläger nach seinen Angaben in dem Bereich Filmproduktionsberatung mit Schwerpunkten Filmfinanzierung, deutsche und europäische Filmförderung, Filmsponsoring und Filmmerchandising sowie Produktionsdurchführung von Auslands-Kooperationen bei Fernseh- und Spielfilmprojekten selbständig tätig. Nach den vorgelegten Verträgen mit verschiedenen Produktionsgesellschaften übernahm der Kläger bei Fernsehproduktionen regelmäßig für die Herstellungsarbeiten „die Produktionsberatung und -überwachung” oder die „Herstellungsberatung und Produktionsüberwachung”. Zur Erbringung der vertraglichen Leistungen hatte er regelmäßig das Produktionssekretariat und zum Teil einen Aufnahmeleiter, die Herstellungsleitung oder die Produktionsleitung zu stellen. Nach den Angaben des Klägers erstreckte sich seine Aufgabe im Wesentlichen auf die Überwachung der Kosten (Überwachung des Budgets; Warnen bzw. Eingreifen, wenn Finanzierungsengpässe abzusehen waren; Beratung, wie diese behoben werden können).

Der Kläger erklärte seinen Gewinn in den für die Streitjahre abgegebenen Einkommensteuererklärungen bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die erklärten Gewinne nach einer Betriebsprüfung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbetragsbescheide.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, er habe in den Streitjahren eine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeübt und auch über die erforderlichen Kenntnisse in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre verfügt. Er erläuterte näher, wie er sich die Kenntnisse im Rahmen seines Volkswirtschaftsstudiums und außerdem durch Selbststudium während seiner beruflichen Tätigkeit angeeignet habe. Als Beleg dafür, dass er in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere in den Bereichen Finanzierung, Personal, Rechnungswesen und Controlling tätig gewesen sei und entsprechend breite theoretische Kenntnisse habe, legte der Kläger vier Ordner mit Beispielen seiner praktischen Arbeit vor. Außerdem reichte er zum Nachweis seiner fachlichen Kenntnisse und zur Einordnung seiner praktischen Tätigkeit ein Gutachten von Prof. C, Institutsleiter an der Filmakademie Z, ein.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragte der Kläger, Beweis zu erheben über seinen betriebswirtschaftlichen Wissensstand durch Vornahme einer Wissensprüfung bzw. durch Heranziehung weiterer Arbeitsproben. Außerdem beantragte er, ein weiteres Sachverständigengutachten anhand von weiteren Arbeitsproben darüber einzuholen, dass seine Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts entspricht.

Das FG wies die Klage ab. Es habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger in den Streitjahren über Kenntnisse in allen wesentlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre auf dem Niveau mindestens eines staatlich geprüften Betriebswirts verfügt habe.

Der Beweisantrag des Klägers, ihm eine Wissensprüfung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu ermöglichen, sei abzulehnen. Die Examinierung des Steuerpflichtigen komme lediglich zur Abrundung des sich bereits aus dem Klagevorbringen ergebenden Bildes in Betracht (, BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616; vom IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27). Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich jedoch nicht, dass er über die theoretischen Kenntnisse eines „Staatlich geprüften Betriebswirts” verfügen könnte. In den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre Leistungserstellung, Materialwirtschaft, Vertrieb und Personalwesen habe er Kenntnisse nur behauptet, aber weder durch die vorgelegten Arbeitsproben und sonstigen Unterlagen nachgewiesen noch durch schlüssigen Vortrag dargetan.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1927 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger den Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze (Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—, der Prozessförderungs- und Fürsorgepflicht gemäß § 76 Abs. 2 FGO sowie des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Bei Durchführung der beantragten Wissensprüfung durch einen Sachverständigen wäre ihm der Nachweis theoretischer Kenntnisse in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre in der von der Rechtsprechung geforderten Tiefe gelungen. Hätte das FG ihn außerdem über den Stand seiner Überzeugungsbildung nach Vorlage der vier Arbeitsproben aufgeklärt, hätte er erfahren, welche Hauptbereiche noch nicht zur Überzeugung des FG nachgewiesen worden seien. Er hätte dann durch Vorlage weiterer Arbeitsproben auch insoweit Beweis geführt und nachgewiesen, dass seine Tätigkeit in den Streitjahren der eines beratenden Betriebswirts ähnlich i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gewesen sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Das FG ist der ihm obliegenden Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht nachgekommen. Es hätte dem Beweisantrag des Klägers auf Durchführung einer Wissensprüfung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen entsprechen müssen. Entgegen der Auffassung des FG waren die Voraussetzungen für eine Wissensprüfung erfüllt.

1. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (Untersuchungsgrundsatz). Es ist dabei zwar an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO), darf aber im Regelfall auf die von einem Beteiligten beantragte Beweiserhebung nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (vgl. , BFH/NV 1986, 674, und vom II R 39/94, BFH/NV 1996, 757; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 26).

Die im Wege eines Sachverständigengutachtens vorzunehmende Wissensprüfung ist ein ergänzendes Beweismittel, das dem Steuerpflichtigen, der behauptet, als Autodidakt eine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit auszuüben, ermöglichen soll, die von der BFH-Rechtsprechung geforderte Breite und Tiefe seiner Vorbildung nachzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Beruf nur dann einem der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufe ähnlich sein, wenn Kenntnisse vorhanden sind, die in der Breite und Tiefe denjenigen entsprechen, die für die Ausübung des Katalogberufs erforderlich sind.

Für den Beruf des beratenden Betriebswirts verlangt der BFH, dass der Steuerpflichtige nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre —und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten— vertraut ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt , BFH/NV 2006, 505, m.w.N.). Zu den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre gehören Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen (, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616; in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27; vom IV R 21/02, BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919).

Der Steuerpflichtige, der nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), einer Fachhochschule (Diplom/ graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt) verfügt, muss den Erfolg seiner autodidaktischen Ausbildung, d.h. eine vergleichbare Breite und Tiefe seiner theoretischen Fachkenntnisse in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre nachweisen. Dies gilt auch für einen Steuerpflichtigen, der zwar eine Hochschule oder Fachschule besucht, den Besuch jedoch nicht mit der vorgesehenen Prüfung abgeschlossen hat (BFH-Urteil in BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616). Den Nachweis der erforderlichen Kenntnisse kann der Steuerpflichtige durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen (, BFHE 199, 176, BStBl II 2002, 475; vom IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768; in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27; in BFH/NV 2006, 505; vom XI R 3/06, BStBl II 2007, 118). Die Wissensprüfung ist im Wege eines Sachverständigengutachtens vorzunehmen, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert (z.B. BFH-Urteile in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768; in BFH/NV 2006, 505, m.w.N.).

Im Hinblick darauf, dass ein Misserfolg bei der Wissensprüfung weitreichende Folgen über den Prozessverlust hinaus haben kann, ist das Gericht nicht verpflichtet, diesen Beweis ohne entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen zu erheben. Aber auch bei entsprechender Antragstellung kommt die Wissensprüfung als ergänzendes Beweismittel nur in Betracht, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zu den Umständen des Erwerbs der Kenntnisse und der praktischen Anwendung der erworbenen Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige über hinreichende Fachkenntnisse verfügen könnte, aber ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten nicht geführt werden kann (BFH-Urteile in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768; in BFH/NV 2006, 505; , BFH/NV 2005, 2015). Das Gericht braucht also nicht schon dann eine beantragte Wissensprüfung durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige lediglich pauschal behauptet, er habe die erforderlichen Fachkenntnisse (vgl. , BFH/NV 2002, 644). Diese Einschränkung ergibt sich daraus, dass die Examinierung Defizite im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme aufweist und zudem unmittelbar nur geeignet ist, den Nachweis über ein aktuell vorhandenes Wissen zu erbringen (BFH-Urteil in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768).

Die von der Rechtsprechung aufgestellten Darlegungsanforderungen für eine Beweisführung mittels Wissensprüfung dürfen allerdings nicht überspannt werden. Andernfalls würde Autodidakten, die sich ihre Fachkenntnisse im Selbststudium angeeignet haben, der Nachweis derselben weitgehend unmöglich gemacht.

a) Im Streitfall hat das FG die Ablehnung der Beweiserhebung damit begründet, dass mangels schlüssiger Darlegung von Kenntnissen in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre keine Veranlassung bestanden habe, dem Kläger Gelegenheit zu geben, durch die beantragte Wissensprüfung solche Kenntnisse nachzuweisen. Der Kläger habe lediglich Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre in der von der Rechtsprechung geforderten Breite und Tiefe behauptet, aber jedenfalls hinsichtlich der Bereiche Leistungserstellung, Materialwirtschaft, Planung, Organisation und Vertrieb nicht schlüssig dargelegt.

Das FG hat bei dieser Würdigung dem Vortrag des Klägers im Erörterungstermin vom , im Schriftsatz vom und im Termin zur mündlichen Verhandlung am nicht hinreichend Rechnung getragen. Der Kläger hat dort ausgeführt, dass er neun Semester Volkswirtschaft studiert habe und während seines zweisemestrigen Studiums an der Universität S die Standardwerke der Betriebswirtschaftslehre von Wöhe und Moxter durchgearbeitet und an den Vorlesungen dieser beiden Professoren teilgenommen habe. Außerdem habe er während seiner Tätigkeit als Prokurist für die A-Gruppe ehrenamtlich zahlreiche Fortbildungsvorträge gehalten, die hauptsächlich von Aufnahmeleitern und Produktionsleitern besucht worden seien. Die gewissenhafte Vorbereitung dieser Veranstaltungen habe ein wiederholtes Erarbeiten der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre im Selbststudium anhand diverser Standardwerke verlangt. Die wesentlichen Inhalte der Vorträge seien jeweils die betriebswirtschaftlichen Hauptbereiche Marketing, Vertrieb, Kalkulation und Finanzierung gewesen. Auch im Zuge seines weiteren beruflichen Werdegangs habe er sich in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre fortgebildet. Er sei jederzeit in der Lage gewesen, seine fachliche Breite in seiner praktischen Tätigkeit einzusetzen. Als Prokurist in der A-Gruppe und als Geschäftsführer der B-GmbH sei er hauptsächlich auf den Gebieten des Controllings, der Finanzierung und Kalkulation sowie der Investitionsrechnung tätig gewesen.

Die vorstehenden Ausführungen des Klägers in Verbindung mit dem Ergebnis des Gutachtens von C lassen es als möglich erscheinen, dass der Kläger über hinreichende Fachkenntnisse verfügt, um eine Wissensprüfung zu bestehen. Wenngleich die vom Gutachter vorgenommene Sachverhaltsermittlung und die daraus gezogenen Folgerungen nicht uneingeschränkt nachvollziehbar sind, so ist doch festzuhalten, dass der Gutachter zumindest im Ergebnis der Auffassung ist, dass die theoretischen Kenntnisse des Klägers denen eines Absolventen eines Hochschulstudiums der Betriebswirtschaftslehre entsprechen. Bei dieser Sachlage war die Entscheidung des FG, dem Kläger die Möglichkeit zu verweigern, das tatsächliche Vorhandensein solcher Kenntnisse im Rahmen einer Wissensprüfung nachzuweisen, nicht gerechtfertigt. Das FG hätte eine Wissensprüfung durch einen Sachverständigen vornehmen lassen müssen, nachdem es den Beweis über einen ausreichenden Kenntnisstand nicht aufgrund der vorgelegten praktischen Arbeiten (Arbeitsproben) als geführt angesehen hatte.

b) Der Kläger hat eine Wissensprüfung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG ausdrücklich beantragt.

c) Eine Wissensprüfung war auch entscheidungserheblich, weil sie geeignet wäre, die Breite und Tiefe der aktuellen Kenntnisse des Klägers zu erhellen und damit Rückschlüsse auf den Kenntnisstand im Streitzeitraum zu ermöglichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das FG zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn eine Wissensprüfung durchgeführt worden wäre.

Auf eine Wissensprüfung wäre es für die Streitentscheidung lediglich dann nicht angekommen, wenn bereits festgestanden hätte, dass die vom Kläger in den Streitjahren konkret ausgeübte Tätigkeit der qualifizierten Arbeit eines beratenden Betriebswirts nicht entsprach. Nach der Rechtsprechung ist ein Beruf einem Katalogberuf nur dann ähnlich, wenn er nicht nur hinsichtlich der Ausbildung, sondern auch hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2006, 505, m.w.N.; in BStBl II 2007, 118, m.w.N.). Während hinsichtlich der Breite der Ausbildung verlangt wird, dass der Steuerpflichtige mit allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre —und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten— vertraut ist, reicht es hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit aus, dass sich diese wenigstens auf einen Hauptbereich bezieht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom I R 300/83, BFHE 153, 222, BStBl II 1988, 666; vom V R 73/83, BFHE 154, 327, BStBl II 1989, 212; vom III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24; vom IV R 118-119/87, BFHE 158, 413, BStBl II 1990, 64; in BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; vom IV R 70/00, BFHE 200, 49, BStBl II 2003, 25; in BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919, m.w.N.; in BStBl II 2007, 118). Eine dem Beruf des beratenden Betriebswirts ähnliche Tätigkeit liegt also auch dann noch vor, wenn die Beratung nur einen Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre umfasst.

Das FG hat jedoch die Frage, ob sich die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren wenigstens auf einen Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre erstreckte und damit der eines beratenden Betriebswirts entsprach, ausdrücklich offen gelassen. Nur wenn es im zweiten Rechtsgang zu der Überzeugung gelangen sollte, dass die vom Kläger tatsächlich ausgeübte Tätigkeit schon nicht mit dem Beruf eines beratenden Betriebswirts vergleichbar ist, käme es nicht mehr darauf an, ob der Kläger entsprechende Kenntnisse hatte oder nicht. Eine Wissensprüfung durch einen Sachverständigen würde sich dann ebenfalls erübrigen (vgl. , BFH/NV 2005, 1562).

d) Bei der eventuellen Beauftragung eines Sachverständigen zum Zwecke der Examinierung des Klägers wird das FG zu beachten haben, dass der Sachverständige die erforderliche Sachkunde für die Wissensprüfung besitzt. Diese kann sich etwa daraus ergeben, dass er Mitglied eines Gremiums zur Prüfung von Kandidaten für ein betriebswirtschaftliches Diplom oder das Examen zum staatlich geprüften Betriebswirt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768).

Für das Bestehen der Wissensprüfung ist ausreichend, dass der Kläger mindestens Kenntnisse mit Fachschulniveau nachweist. Wenn die Kenntnisse auf einem Gebiet, etwa dem der Materialwirtschaft, nicht denen entsprechen sollten, wie sie in der Prüfung zum „Staatlich geprüften Betriebswirt” verlangt werden, wäre dies nicht schädlich, wenn auch eine solche Prüfung mit nicht ausreichenden Kenntnissen in (nur) einem Fach bestanden werden könnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27, m.w.N.).

2. Da die Vorentscheidung bereits wegen des Verstoßes des FG gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO (Untersuchungsgrundsatz) aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen war, braucht der Senat auf die weiteren vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel nicht mehr einzugehen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1495 Nr. 8
EStB 2007 S. 286 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 11
LAAAC-48500