BFH Beschluss v. - II B 51/00

Gründe

I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdegegner (Kläger) ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein Krankenhaus betrieben wird. Der größte Teil des Grundstücks mit dem aufstehenden Krankenhaus ist an eine AG & Co KG (im Folgenden KG I) verpachtet. Komplementärin der KG I ist die AG, Kommanditisten sind der Kläger und eine AG & Co KG (im Folgenden KG II). Der Kläger hält sämtliche Anteile an der AG und ist alleiniger Kommanditist der KG II, so dass hinter der KG I mittelbar und unmittelbar allein der Kläger steht.

Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) bewertete im Wege einer Art- und Wertfortschreibung die wirtschaftliche Einheit als Geschäftsgrundstück und erließ am einen Grundsteuermessbescheid auf den . Mit dem Einspruch beantragte der Kläger, das Grundstück gemäß § 4 Nr. 6 des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Grundsteuer zu befreien, soweit das Grundstück für die Zwecke des Krankenhauses benutzt wird. Das FA wies den Einspruch zurück. Es berief sich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteile vom II R 223/83, BFHE 152, 149, BStBl II 1988, 298; vom II R 26/94, BFH/NV 1996, 790; Beschluss vom II B 121/98, BFH/NV 2000, 351), wonach die Befreiung Identität zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Krankenhausbetreiber voraussetze. An dieser Identität fehle es, wenn —wie im Streitfall— der Grundstückseigentümer das Krankenhaus durch eine Gesellschaft betreiben lasse, an der er beteiligt ist.

Nach Klageerhebung beantragte der Kläger beim Finanzgericht (FG), den Grundsteuermessbescheid insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als dieser den Betrag, der auf den nicht für Zwecke des Krankenhauses benutzten Grundstücksteil entfällt, überschreitet.

Das FG bejahte ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Das FG vertrat die Ansicht, nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG könne Identität zwischen Grundstückseigentümer und Krankenhausbetreiber auch dann angenommen werden, wenn eine natürliche Person in der Rechtsform einer von ihr beherrschten Gesellschaft das Krankenhaus betreibe. Darüber hinaus verbiete nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— (Urteil vom 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine allein nach der Rechtsform eines Unternehmens unterschiedliche Steuerbefreiung.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA, mit der es beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des FG die Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuermessbescheides abzulehnen.

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 FGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des Grundsteuermessbescheides insoweit bejaht, als er sich auf den für Zwecke des Krankenhauses genutzten Grundstücksteil bezieht.

1. Gemäß § 4 Nr. 6 Satz 1 GrStG ist Grundbesitz, der für die Zwecke eines Krankenhauses benutzt wird, unter den —vorliegend nicht umstrittenen— Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO 1977) von der Grundsteuer befreit. Im Streitfall setzt die Befreiung ferner gemäß § 4 Nr. 6 Satz 2 GrStG voraus, dass der Grundbesitz ausschließlich demjenigen, der ihn benutzt, zuzurechnen ist.

2. Das für die Zwecke des Krankenhauses genutzte Grundstück ist allein dem Kläger als Eigentümer zuzurechnen. Die Nutzung für Zwecke des Krankenhauses erfolgt durch die KG I, hinter der teils unmittelbar, teils mittelbar allein der Kläger steht. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung in ähnlichen Fällen bisher die Identität zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Krankenhausbetreiber verneint und dabei unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift die zivilrechtliche Selbständigkeit der beiden Rechtspersonen für maßgeblich erachtet.

3. Es bestehen ernstliche Zweifel, ob an dieser Auffassung mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160 festgehalten werden kann. Das BVerfG vertritt im Rahmen der Prüfung einer Steuerbefreiungsvorschrift des Umsatzsteuerrechts (§ 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes) die Ansicht, wegen der Verpflichtung des Gesetzgebers zur folgerichtigen Umsetzung einer einmal getroffenen Belastungsentscheidung müsse das Umsatzsteuerrecht, soweit es nach Umsatzarten und Unternehmern unterscheide und daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfe, die Rechtfertigung für diese Unterscheidung in besonderen sachlichen Gründen finden. Nach diesem Maßstab verstoße die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen, die von einem in der Rechtsform einer gewerblich tätigen GmbH & Co KG tätigen Unternehmer erbracht wurden, gegen das Gleichbehandlungsgebot des GG (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die Rechtsform, in der eine Leistung von einem Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts erbracht werde, sei kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung. Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund ziele auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, sei er eine juristische Person, eine Personengesellschaft oder ein freiberuflich Tätiger. Die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung eines Arztes gegenüber einer Krankenhaus-GmbH finde im umsatzsteuerlichen Belastungsgrund keine ausreichende Grundlage. Auch der umsatzsteuerliche Entlastungszweck, die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu befreien, habe keinen Bezug zur jeweiligen Rechtsform unternehmerischer Betätigung.

4. Es bedarf einer erneuten rechtlichen Prüfung, ob der Belastungsgrund der Grundsteuer und der Entlastungsgrund des § 4 Nr. 6 GrStG, Krankenanstalten der privaten Besitzer den Krankenanstalten der öffentlichen Hand und der gemeinnützigen Anstalten gleichzustellen, eine Differenzierung danach rechtfertigt, ob der Grundstückseigentümer in eigener Rechtsperson oder in der Rechtsform einer Gesellschaft, an der er allein beteiligt ist, das Krankenhaus betreibt. Die sich hieraus ergebenden Zweifel führen zur Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 814 Nr. 6
OAAAA-68172