Theorie und Praxis als Partner
Unsere Zeitschrift trägt den Namen „Praxis der internationalen Rechnungslegung“. Heißt dies, dass Theorie und Wissenschaft in ihr keinen Platz haben dürfen? Dies wäre so, wenn jener Aphoristiker Recht gehabt hätte, der die „Praxis als Reißwolf der Theorie“ titulierte. Andere sahen das Verhältnis aber positiver, etwa die „Praxis als Quelle der Theorie“ oder die „Theorie als Mutter der Praxis“. Am treffendsten für das komplizierte Verhältnis ist vielleicht folgender Spruch von Quadbeck-Seeger „Theorie und Praxis sind Partner, aber nicht immer Freunde“.
In diesem Spannungsfeld bewegen sich zwei empirische Beiträge in der Dezemberausgabe. Im ersten fragen Jochen Pilhofer und Sascha B. Herr ab S. 365 nach der empirischen Belegbarkeit einer „Entschlackungswelle“ im Geschäftsjahr 2016. Hintergrund ist die Disclosure Initiative des IASB, die teilweise, so u. a. in Amendments zu IAS 1, schon zu Regeländerungen geführt hat, die die Bedeutung des Wesentlichkeitsgrundsatzes stärker als bisher betonen. Die Autoren untersuchen, ob dies i. S. einer Entschlackung der Geschäftsberichte schon Auswirkungen auf die Finanzberichterstattung 2016 der im DAX 30, MDAX, SDAX und TecDAX gelisteten Unternehmen hatte. Eines ihrer Ergebnisse: Der Umfang der Geschäftsberichte, insbesondere der Pflichtbestandteile dieser Berichte (IFRS-Abschluss und Lagebericht), hat sich zwar nicht drastisch, aber doch signifikant verringert.
Der sich so am Horizont abzeichnenden stärkeren Konzentration auf das Wichtigere gehen aus anderer, aber ebenfalls empirischer Perspektive Roland Wolf und Hendrik Hoffmann im Beitrag ab S. 380 zur „Eignung erfolgswirtschaftlicher Kennzahlen zur Performance-Messung“ nach. Am Beispiel der 30 größten in London gelisteten Unternehmen (LSE 30) wird untersucht, ob sich auf der Basis von Kennzahlen, die aus den IFRS-Konzernabschlüssen extrahierbar sind, Aktienkurse besser vorhersagen lassen. Im angelsächsischen Bereich haben solche unter dem Rubrum „Does accounting matter?“ geführten Untersuchungen schon eine längere Tradition. Es ist verdienstvoll, hier auch das deutsche Schrifttum zu beleben.
Den Kontrapunkt zu soviel Empirie und Theorie setzt Carola Rinker in ihrem Beitrag ab S. 377 zum „Entwurf zu Änderungen an IAS 16“. Konkret geht es darum, ob Erlöse und Kosten, die während der Entstehungs- und Testphase einer Sachanlage erzielt werden, erfolgswirksam zu erfassen oder mit den Anschaffungs-/Herstellungskosten zu verrechnen sind. Die Autorin bringt in eleganter Weise diese „theoretische“ Materie „praktisch“ auf den Punkt und schlägt dabei noch einen Bogen zum Handels- und Steuerbilanzrecht.
Beste Grüße
Norbert Lüdenbach
Fundstelle(n):
PiR 12/2017 Seite 1
NWB BAAAG-63699