BFH Urteil v. - I R 82/15

Nacherhebung der Lohnsteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern; Rückfallklausel in Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973

Leitsatz

1. NV: Bei der Durchführung des Lohnsteuerabzugs beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer ersetzt die Freistellungsbescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG aufgrund des Verweises in § 39d Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG auf § 41c EStG und § 39b Abs. 6 EStG die Bescheinigung nach § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG und gilt nach § 39d Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG als Lohnsteuerkarte. Soweit § 39 Abs. 3b Satz 4 EStG ausdrücklich anordnet, dass Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte als gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 AO anzusehen sind, ist damit über den Verweis in § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG auch für die Ausstellung oder Änderung einer Bescheinigung im Verfahren des § 39d EStG die Korrekturvorschrift des § 164 Abs. 2 AO eröffnet.

2. NV: Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 bestimmt, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen in Deutschland der Besteuerung unterworfen werden dürfen und damit dem Lohnsteuerabzug nach § 39d i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG unterliegen, wenn das ausgezahlte Altersruhegeld in Südafrika (tatsächlich) nicht besteuert wird, d.h. Südafrika sein bestehendes Besteuerungsrecht nicht ausübt (Bestätigung Senatsbeschlüsse vom I B 47/12, BFH/NV 2013, 196, und vom I B 68/14, BFH/NV 2016, 558; Anschluss an Senatsurteil vom I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953 zu Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien 1989 und Abschn. 16 Buchst. d Prot. DBA-Italien 1989).

Gesetze: AO § 164 Abs. 2; AO § 179; EStG § 39 Abs. 3b Satz 4; EStG § 39b Abs. 6; EStG § 39d Abs. 3 Satz 4; EStG § 41c Abs. 1 Satz 1; EStG § 41c Abs. 4; EStG § 50 Abs. 1 Satz 4; EStG § 50d Abs. 8; DBA Südafrika 1973 DBA Südafrika 1973 Art. 16 Abs. 1;

Instanzenzug: (EFG 2016, 544),

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) befindet sich seit im Ruhestand und ist seit diesem Zeitpunkt in Südafrika ansässig. Er war zuvor Hauptgeschäftsführer beim B e.V., von dem er ein monatliches Altersruhegeld bezieht. Er teilte dem B e.V. am unter Berufung auf seine Abmeldung nach Südafrika und Beifügung einer sog. Lebendbescheinigung für die deutsche Rentenversicherung sowie eines Schreibens der südafrikanischen Finanzaufsicht (South African Revenue Services —SARS—) zur Besteuerung ausländischer Pensionen mit, dass er nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom (BGBl II 1974, 1186, BStBl I 1974, 851) —DBA-Südafrika 1973— in Südafrika veranlagt werde und in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) mit seinem Einkommen nicht mehr steuerpflichtig sei.

2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) bescheinigte dem B e.V. daraufhin am gemäß § 39d i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2009 geltenden Fassung (EStG), dass der Arbeitslohn des Antragstellers als beschränkt Steuerpflichtiger nach § 39d Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 39b Abs. 6 EStG und Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 für den Zeitraum vom bis nicht dem Steuerabzug unterliege, wenn die unter Nr. 14 der Freistellungsbescheinigung genannten Voraussetzungen (ganzjährige Ansässigkeit in Südafrika) vorlägen. Diese Bescheinigung sollte vom bis zum gelten, wenn sie nicht widerrufen wird.

3 Der B e.V. zahlte dem Kläger daraufhin die Ruhebezüge aus, ohne Lohnsteuer einzubehalten. Dieser erklärte gegenüber der südafrikanischen Finanzaufsicht SARS seine ausländischen Ruhebezüge, die jedoch in Südafrika nicht besteuert wurden.

4 Das FA widerrief am die Freistellungsbescheinigung vom gegenüber dem B e.V. und erteilte gleichzeitig für die Jahre 2009 bis 2011 geänderte Bescheinigungen für den Steuerabzug nach Steuerklasse I. Es vertrat die Auffassung, dass nach Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 von einer Besteuerung in Deutschland nur dann abzusehen sei, wenn die Einkünfte nachweislich in Südafrika versteuert wurden. Der Kläger wandte sich daraufhin mit Schreiben vom an das FA und beantragte, den Widerruf der Freistellungsbescheinigung zurückzunehmen. Dies lehnte das FA mit Schreiben vom ab. Es erließ gegenüber dem Kläger am Lohnsteuernachforderungsbescheide für die Jahre 2009, 2010 und 2011 nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG.

5 Der Kläger legte sowohl gegen die Ablehnung, den Widerruf der Freistellungsbescheinigung zurückzunehmen, als auch gegen die Lohnsteuernachforderungsbescheide Einspruch ein. Dieser war insoweit erfolgreich, als die Nachforderungsbescheide um die vom B e.V. —nach dem Widerruf der Freistellungsbescheinigung— einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuerbeträge reduziert wurden; im Übrigen blieb der Einspruch erfolglos.

6 Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass nach Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 die Ruhegehälter nur in Südafrika besteuert werden könnten. Die Einkünfte unterlägen dort der Besteuerung, seien jedoch steuerbefreit. Mit Urteil vom 8 K 8061/13 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 544) hat das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg die Klage als unbegründet abgewiesen.

7 Seine Revision stützt der Kläger auf eine Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid über den Widerruf der Freistellungsbescheinigung vom sowie die Bescheide über die Festsetzung von Lohnsteuer betreffend die Jahre 2009 bis 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

8 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die Revision ist nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Nachforderungsbescheide über Lohnsteuer und Säumniszuschläge 2009, 2010 und 2011 rechtmäßig ergangen sind. Entsprechend war auch der „Widerruf“ der Freistellungsbescheinigung rechtmäßig.

10 1. Nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG hat das Finanzamt zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn der nachzufordernde Betrag 10 € übersteigt. „Zu wenig“ Lohnsteuer wird erhoben, wenn nach § 41c Abs. 4 Satz 1 EStG u.a. der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 41c Abs. 1 EStG nicht nachträglich einbehält und dies dem Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich angezeigt wird. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall —wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat— vor.

11 a) Nach § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Arbeitgeber berechtigt, noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten, wenn ihm der Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte mit rückwirkenden Eintragungen vorlegt (Nr. 1), oder wenn er erkennt, dass er die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat (Nr. 2). § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst dabei zumindest in seiner Nr. 1 aufgrund der Bezugnahme auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte unmittelbar nur die Änderung des Lohnsteuerabzugs für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer. Über die Verweisung in § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG ergibt sich jedoch, dass § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend dem ihm zugrunde liegenden Gedanken der nachträglichen Korrektur eines fehlerhaften Lohnsteuerabzugs auch beim Lohnsteuerabzug für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer anzuwenden ist. Im Streitfall kann letztlich offen bleiben, ob sich aufgrund der für die Jahre 2009 bis 2011 geänderten Bescheinigungen für den Steuerabzug eine Berechtigung des B e.V. zur Änderung des Lohnsteuerabzugs aus § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG direkt oder aus § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in entsprechender Anwendung ergibt, denn jedenfalls soll § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG auch bei beschränkt Steuerpflichtigen die nachträgliche, rückwirkende Korrektur der Lohnsteuerabzugsmerkmale ermöglichen.

12 b) Die Berechtigung des Arbeitgebers zur Nacherhebung der Lohnsteuer —als Voraussetzung für die Nacherhebung beim Arbeitnehmer nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG— hängt jedoch in jedem Fall davon ab, ob das FA die Rechtswirkungen der nach § 39b Abs. 6 EStG erteilten Freistellungsbescheinigung rückwirkend beseitigen konnte. Konnte es dies nicht, liegt entweder keine rückwirkende Eintragung i.S. des § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder kein nicht vorschriftsmäßiger Einbehalt i.S. des § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.

13 aa) Soweit die Vorinstanz unter Berufung auf das Senatsurteil vom I R 3/89 (BFHE 165, 404, BStBl II 1992, 107) die Auffassung vertritt, dass einer Inanspruchnahme des Klägers nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG die dem B e.V. erteilte Freistellungsbescheinigung nicht entgegensteht, vermag dem der Senat nicht zu folgen.

14 Die Auffassung der Vorinstanz beruht offenbar auf einer Fehlinterpretation der Senatsentscheidung in BFHE 165, 404, BStBl II 1992, 107. Der Senat hatte dort entschieden, dass wie im Fall einer dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft nach § 42e EStG auch bei einer dem Arbeitgeber erteilten Freistellungsbescheinigung die Bindungswirkung personenbezogen zu verstehen sei. Die Finanzbehörde sei daher nicht gehindert, gegenüber dem Arbeitnehmer einen anderen ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber. Die Vorinstanz lässt, indem sie sich diese Grundsätze zu Eigen macht und auf den Urteilsfall anwendet, allerdings unberücksichtigt, dass die Nacherhebung der Lohnsteuer vom Arbeitnehmer in § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG tatbestandlich —nach der hier allein einschlägigen 1. Alternative des Satzes 1— vom Vorliegen eines Falles des § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG abhängig gemacht wird, d.h. der Arbeitgeber berechtigt sein müsste, die Lohnsteuer nachträglich einzubehalten, dies aber nicht tut. Damit kommt es aber nicht —wie von der Vorinstanz angenommen— darauf an, ob eine dem Arbeitgeber erteilte Freistellungsbescheinigung gegenüber dem Arbeitnehmer Bindungswirkung entfaltet oder nicht. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob der Arbeitgeber nach § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG berechtigt wäre, noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten. Die Berechtigung des Arbeitgebers zum nachträglichen Einbehalt hängt aber wiederum im Streitfall davon ab, ob eine Freistellungsbescheinigung besteht oder nicht.

15 Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom I R 86/80 (BFHE 143, 455, BStBl II 1985, 500). Soweit der Senat dort entschieden hat, dass eine Freistellungsbescheinigung, die dem Arbeitgeber gemäß § 39b Abs. 6 EStG für Zwecke des Lohnsteuerabzuges erteilt worden ist, keine Bindungswirkung im Verhältnis zum Arbeitnehmer entfaltet, betrifft diese Entscheidung nicht den Streitfall. Zum einen wird in dieser Entscheidung nur das Verhältnis zwischen Lohnsteuerabzug und Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers angesprochen. Zum anderen bleibt wiederum die Anknüpfung des § 41c Abs. 4 EStG an die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen nachträglichen Lohnsteuereinbehalt durch den Arbeitgeber unberührt.

16 bb) Im Ergebnis zutreffend ist die Vorinstanz aber davon ausgegangen, dass die Freistellungsbescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG im Urteilsfall rückwirkend geändert werden konnte.

17 Dem in § 39d Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern enthaltenen Verweis auf § 41c EStG und auf § 39b Abs. 6 EStG ist zu entnehmen, dass die Bescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG die sonst im Verfahren für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer nach § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG auf Antrag des Arbeitnehmers auszustellende Bescheinigung ersetzt und damit nach § 39d Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG als Lohnsteuerkarte gilt. Soweit § 39 Abs. 3b Satz 4 EStG ausdrücklich anordnet, dass Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte als gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 der Abgabenordnung (AO), die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, anzusehen sind, muss dies über den Verweis in § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG auch für die Ausstellung oder Änderung einer Bescheinigung im Verfahren des § 39d EStG für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gelten. Demgemäß konnte die Freistellungsbescheinigung im Streitfall nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben und geändert werden.

18 Den insoweit abweichenden Meinungen in der Literatur, die sich ausdrücklich auf das Fehlen einer §§ 39 Abs. 3b Satz 4, 39a Abs. 4 Satz 1 EStG entsprechenden Regelung in § 39b Abs. 6 EStG berufen (Becht in Herrmann/Heuer/Raupach, § 39b EStG Rz 66; dezidiert Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 39b Rz G 4), vermag der Senat angesichts der dargestellten Verweisungstechnik des Gesetzes nicht zu folgen. Demgemäß verbietet sich auch ein Rückgriff auf die Erwägungen des Senats zur Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (Senatsurteil vom I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II 2001, 291; a.A. Becht in Herrmann/Heuer/Raupach, § 39b EStG Rz 66).

19 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom (BGBl I 2011, 2592, BStBl I 2011, 1171) ab dem Veranlagungszeitraum 2012 (EStG n.F.) beschlossene Neufassung des § 39 EStG. Darin wird in § 39 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. ausdrücklich geregelt, dass die Bildung von Lohnsteuerabzugsmerkmalen —hierunter fällt nach § 39a Abs. 4 EStG n.F. i.V.m. § 39 Abs. 4 EStG n.F. auch der Freibetrag für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer— eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 Abs. 1 AO ist, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

20 cc) Schließlich steht Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 einer Nachforderung der Lohnsteuer bei dem Kläger nicht entgegen. Da das Altersruhegeld nach den insoweit bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) in Südafrika nicht besteuert wurde, dürfen die Zahlungen in Deutschland der Besteuerung unterworfen werden und unterliegen damit dem Lohnsteuerabzug nach § 39d i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG.

21 Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 bestimmt, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Tätigkeit gezahlt werden, „nur“ im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, wenn diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat „der Besteuerung unterliegen“. Die Regelung ordnet damit zwar ausdrücklich an, dass „nur“ der Ansässigkeitsstaat „Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen“ besteuern darf. Dies wird aber unter den Vorbehalt gestellt, dass diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat auch „der Besteuerung unterliegen“. Im Umkehrschluss ist Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 mithin die Aussage zu entnehmen, dass der Quellenstaat —soweit dieser Vorbehalt nicht erfüllt ist— diese Einkünfte besteuern darf. Der Senat hat hierzu in einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowie in einem Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision bereits entschieden, dass bei fehlender tatsächlicher Besteuerung, d.h. der Nichtausübung eines bestehenden Besteuerungsrechts im Ansässigkeitsstaat, dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zusteht (Senatsbeschlüsse vom I B 47/12, BFH/NV 2013, 196; vom I B 68/14, BFH/NV 2016, 558). Daran ist auch für den Streitfall festzuhalten.

22 Eine andere Auslegung gebieten —entgegen der Revision— weder Sinn noch Zweck der Regelung. Insbesondere in seiner Entscheidung I R 158/90 zum DBA-Kanada 1981 (Urteil vom I R 158/90, BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660 zu Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981) hat der Senat herausgestellt, dass die Rückfallklausel im Methodenartikel des Abkommens zum Ziel hat, nicht mehr die sog. virtuelle Doppelbesteuerung, sondern nur die tatsächliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (dort Rz 20). Obwohl Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981 lediglich danach fragt, ob Einkünfte „im anderen Vertragsstaat besteuert werden“, hat der Senat maßgebend auf die tatsächliche Besteuerung der streitigen Einkünfte und damit auf die Zahlung eines entsprechenden Steuerbetrags abgestellt. Nachdem der Senat diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben hatte (vgl. Senatsurteil vom I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260), ist er nachfolgend wieder zu seinem ursprünglichen Abkommensverständnis zurückgekehrt (Senatsurteil vom I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953 zu Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien 1989 und Abschn. 16 Buchst. d des dazu ergangenen Protokolls) und hat dabei insbesondere dem Wortlaut der fraglichen Abkommensbestimmungen („effektiv nicht besteuert“ bzw. „besteuert werden“) keine weitergehende Bedeutung beigemessen (vgl. Senatsurteil in BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, dort Rz 23).

23 Dieses Abkommensverständnis des Senats in Bezug auf Rückfallklauseln im Methodenartikel eines Abkommens ist auf die Rückfallklausel in den Verteilungsnormen eines Abkommens —im Streitfall Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973— zu übertragen. Der Senat versteht Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 dabei als sog. Rückfallklausel, ohne dass der Vorschrift eine entsprechende Anordnung des Rückfalls des Besteuerungsrechts ausdrücklich zu entnehmen ist (vgl. insoweit auch Senatsurteile in BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, und in BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660, betreffend den DBA-Methodenartikel).

24 Die vom Kläger angeführte Bestimmung des § 50d Abs. 8 EStG, die die Freistellung ausländischer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Methodenartikel des jeweiligen Abkommens (auch) gewährt, wenn der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat, nimmt auf die Auslegung der hier maßgeblichen Abkommensvorschriften keinen Einfluss.

25 2. Die Revision ist hiernach auch soweit sie sich gegen den Bescheid über den Widerruf der Freistellungsbescheinigung vom richtet unbegründet.

26 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:U.100517.IR82.15.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2018 S. 33 Nr. 1
GStB 2018 S. 7 Nr. 2
IStR 2018 S. 244 Nr. 6
IWB-Kurznachricht Nr. 1/2018 S. 2
NAAAG-63536