BGH Beschluss v. - VII ZR 41/17

Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren: Neue Angaben zur Bemessung der Beschwer zwecks Überschreitung der Wertgrenze für die Revision

Gesetze: § 26 Nr 8 ZPOEG

Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 6 U 40/15vorgehend Az: 52 O 12/13

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt von der Beklagten Kostenvorschuss für eine vorzunehmende Mängelbeseitigung wegen Rissen in einer Bodenplatte. Zudem verlangt sie von der Beklagten Ersatz merkantilen Minderwerts.

2Die Klägerin hat in erster Instanz unter anderem beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von 11.250 € nebst Zinsen sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 33.400 € als merkantilen Minderwert nebst Zinsen zu zahlen.

3Das Landgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen wie folgt entschieden:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von 11.250 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 12.000 € nebst Zinsen als merkantilen Minderwert zu zahlen.

Das Landgericht hat den Streitwert auf 44.650 € festgesetzt.

4Die Beklagte, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt hat, hat in der Berufungsinstanz beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils sie, die Beklagte, lediglich dahin zu verurteilen, an die Klägerin als Kostenvorschuss einen Betrag von 3.750 € nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abzuweisen.

5Das Berufungsgericht hat den Streitwert für die Berufungsinstanz in der mündlichen Verhandlung vom auf 19.500 € festgesetzt.

6Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit am verkündetem Urteil zurückgewiesen.

7Eine vom datierende Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss vom ist vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen worden.

8Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

9Die Beklagte beantragt in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung, den Wert der Beschwer und zugleich den Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorab festzusetzen. Die Beklagte ist der Auffassung, ihre mit dem angefochtenen Berufungsurteil verbundene Beschwer betrage 24.500 €. Der Wert von 19.500 €, auf den das Berufungsgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren festgesetzt habe, sei unter zwei Gesichtspunkten zu erhöhen. Eine Erhöhung sei zum einen deshalb angezeigt, weil sich der Baupreisindex vom Oktober 2011 (Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen) bis heute (I. Quartal 2017) um 12,3 % erhöht habe. Zum anderen sei der Wert von 19.500 € deshalb zu erhöhen, weil ein Vorschussurteil regelmäßig auch die Feststellung enthalte, dass den Auftragnehmer eine Nachschusspflicht treffe, falls der ausgeurteilte Vorschuss nicht ausreiche. Die Nachschusspflicht sei mit 25 % der geschätzten Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 13.000 € zu bewerten. Zu den Mängelbeseitigungskosten gehörten auch Kosten in Höhe von 3.250 € für das Ausräumen und spätere Einräumen der Halle einschließlich etwaiger Schadensersatzansprüche für einen Produktionsstillstand für mehrere Tage.

II.

101. Der Senat bewertet die mit der beabsichtigten Revision der Beklagten geltend zu machende Beschwer der Beklagten und den Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit 19.500 € (§ 3 ZPO).

11Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. Rn. 5; Beschluss vom - VI ZR 152/16 Rn. 6; Beschluss vom - VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3 m.w.N.). Maßgebend für die Bewertung der Beschwer bei der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, und zwar nach Maßgabe der dem Parteivorbringen zu diesem Zeitpunkt zugrunde liegenden tatsächlichen Angaben zum Wert (vgl. , MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 23 Rn. 2 m.w.N.). Einem Beschwerdeführer, der nicht glaubhaft gemacht hat, dass bereits in den Vorinstanzen vorgebrachte Umstände, die die Festsetzung eines höheren Streitwerts - und einer entsprechend höheren Beschwer - rechtfertigen, nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, ist es regelmäßig verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf neue Angaben zu berufen, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten (vgl. Rn. 6 m.w.N.; Beschluss vom - II ZR 195/13 Rn. 4). Insbesondere ist der Beschwerdeführer gehindert, neue Angaben zur Bewertung eines Feststellungsbegehrens zu machen, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten, wenn dieser Vortrag in den Tatsacheninstanzen keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. Rn. 5 i.V.m. Rn. 9 ff.; Beschluss vom - VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3).

122. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze rechtfertigt das Vorbringen der Beklagten in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eine Festsetzung des Werts der Beschwer auf über 20.000 € nicht; vielmehr sind der Wert der mit der beabsichtigten Revision der Beklagten geltend zu machenden Beschwer und der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - entsprechend der Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren seitens des Berufungsgerichts - auf 19.500 € festzusetzen.

13Das Landgericht hat den Streitwert für die erste Instanz im Urteil vom auf 44.650 € festgesetzt, wobei von dieser Summe - entsprechend der erstinstanzlichen Antragstellung der Klägerin - 11.250 € auf die Kostenvorschussklage und 33.400 € auf die Klage betreffend den merkantilen Minderwert entfallen. In der Berufungsinstanz haben sich die Parteien gegen die genannte Streitwertfestsetzung seitens des Landgerichts bis zur Verkündung des Berufungsurteils nicht gewandt. Vielmehr ist mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom Kostenausgleichsantrag auf der Grundlage des Streitwerts in Höhe von 44.650 € für das erstinstanzliche Klageverfahren gestellt worden; hierzu haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom Stellung genommen, wobei sie ebenfalls den Streitwert in Höhe von 44.650 € für das erstinstanzliche Klageverfahren zugrunde gelegt haben.

14Das Berufungsgericht hat den Streitwert für die Berufungsinstanz in der mündlichen Verhandlung vom auf 19.500 € festgesetzt, wobei von dieser Summe 7.500 € auf die Kostenvorschussklage im in der Berufungsinstanz noch streitigen Umfang und 12.000 € auf die Klage betreffend den merkantilen Minderwert entfallen. Erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz und nach Verkündung des Berufungsurteils hat die Beklagte im Rahmen der mit Schriftsatz vom eingelegten Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Berufungsgerichts vom auf der Grundlage neuen Vorbringens geltend gemacht, der Streitwert sei in Abänderung dieses Beschlusses auf 24.500 € festzusetzen. Auf diese neuen Angaben zur Bemessung des Streitwerts kann sich die Beklagte indes nicht berufen, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten (vgl. Rn. 3, zu neuen Angaben im Rahmen einer nach Verkündung des Berufungsurteils eingelegten Streitwertbeschwerde). Aus den von der Beschwerde herangezogenen Beschlüssen des Rn. 2 und vom - I ZR 112/15 Rn. 9 ergibt sich nichts Abweichendes.

15Im Streitfall braucht nicht entschieden zu werden, ob die in einem Vorschussurteil regelmäßig enthaltene Feststellung, dass den Auftragnehmer eine Nachschusspflicht trifft, falls der ausgeurteilte Vorschuss nicht ausreicht (vgl. , BauR 2008, 2041 Rn. 8 m.w.N. = NZBau 2009, 120; Beschluss vom - VII ZR 176/14, BauR 2015, 1009 Rn. 7 = juris Rn. 8), im Einzelfall eine Erhöhung des Streitwerts der Vorschussklage - und entsprechend der Beschwer des zur Vorschusszahlung verurteilten Beklagten - über den Wert des bezifferten Zahlungsantrags hinaus rechtfertigen könnte (vgl. , NJW-RR 1992, 698, juris Rn. 6 f., zur Beschwer bei Häufung von Leistungs- und (Zwischen-)Feststellungsklage). Denn Vortrag der Parteien, der eine Bewertung einer solchen, in der Verurteilung zum Kostenvorschuss enthaltenen Feststellung erlauben würde, hat in den Tatsacheninstanzen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keinen Niederschlag gefunden; bei dieser Lage ist es der Beklagten und Beschwerdeführerin verwehrt, nachträglich Angaben zur Bewertung der genannten Feststellung zu machen, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten. Entsprechendes gilt für das ebenfalls neue Vorbringen, zu den Mängelbeseitigungskosten gehörten auch die Kosten für das Ausräumen und spätere Einräumen der Halle einschließlich etwaiger Schadensersatzansprüche für einen Produktionsstillstand für mehrere Tage.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:210617BVIIZR41.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 3164 Nr. 43
HAAAG-57515