BFH Urteil v. - IV R 71/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), , BVerfG 2 BvR 1113/01

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, betreibt einen Campingplatz. Im Streitjahr 1987 waren der Beigeladene zu 1 und Frau B jeweils zu 50 % an der OHG beteiligt.

B verstarb am . Alleinerbin wurde ihre Tochter, die Beigeladene zu 2.

Ein aus der Gründungsphase der Klägerin resultierendes Darlehen der Gesellschafterin B an die Klägerin war auf einem Kapitalkonto II verbucht worden. Jährliche Zinsen von 8 % wurden jeweils dem Darlehenskonto gutgeschrieben. Zum valutierte dieses Darlehen mit 289 690 DM.

Am schlossen die —durch ihre Gesellschafter vertretene— Klägerin und Herr Z, der damals 22 Jahre alte Enkel der B, einen ”Darlehensvertrag”, der im Wesentlichen folgenden Wortlaut hatte:

Herr Z ”stellt dem Campingplatz…OHG ab DM 100 000 zur Verfügung. Die Zahlung der Darlehenssumme ist durch Bankeinzahlung erfolgt. Die Darlehenssumme ist ab mit jährlich 7,5 % zu verzinsen. Die Zinszahlung hat jährlich nachträglich zu erfolgen. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt 5 Jahre und endet am .”

Am gleichen Tag wurde zwischen der Gesellschafterin B und ihrem Enkel Z folgender ”Darlehensvertrag” geschlossen:

”Frau B stellt ab Herrn Z DM 100 000 zinslos zur Verfügung. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt 5 Jahre und endet am .”

Zur Erfüllung der o.g. Verträge buchte die Klägerin einen Teilbetrag des Gesellschafterdarlehens der B in Höhe von 100 000 DM vom Kapitalkonto II der B auf ein neu eingerichtetes Fremdkapital-Darlehenskonto Z um.

Mit einem an Z gerichteten Schreiben vom verzichtete B später auf die Rückzahlung des Darlehens.

Die entsprechenden Zinsen in Höhe von 3 750 DM für 1987 wurden unstreitig vertragsgemäß von der Klägerin an Z gezahlt und als Betriebsausgaben gebucht.

Die Betriebsausgaben wurden auch zunächst erklärungsgemäß mit Feststellungsbescheid 1987 vom berücksichtigt.

1991 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. In Tz. 11 des Betriebsprüfungsberichts vom kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die in den Jahren 1987 bis 1990 an Z gezahlten Zinsen nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden könnten, weil die der Zahlung zugrunde liegenden Verträge gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) steuerlich nicht anzuerkennen seien. Das Kapital von 100 000 DM und die darauf von der OHG gezahlten Zinsen seien weiterhin der Gesellschafterin B zuzurechnen.

Mit Bescheid vom änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 den Feststellungsbescheid 1987 und erhöhte die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb von 127 944 DM auf 131 434 DM. Dabei stellte das FA für B zusätzliche Zinseinkünfte von 3 750 DM als Sonderbetriebseinnahmen fest. Infolge der vom FA berücksichtigten höheren Gewerbesteuerrückstellung verringerte sich der Anteil des Beigeladenen zu 1 an den festgestellten Einkünften in dem Änderungsbescheid von 54 551 DM auf 54 421 DM.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1212 veröffentlichten Urteil der Klage gegen den Änderungsbescheid statt.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts und eine Divergenz zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Die Zinsen seien gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 42 AO 1977 der Gesellschafterin B als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FA hat den Gewinnfeststellungsbescheid 1987 zu Recht nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geändert.

1. Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wurden dem FA erst durch die Außenprüfung das Verwandtschaftsverhältnis des Z mit der Gesellschafterin B, die Einzelheiten des ”Darlehnsvertrags” zwischen der Klägerin und Z sowie der gleichzeitig abgeschlossene ”Darlehnsvertrag” zwischen Z und B bekannt. Diese neuen Tatsachen führen entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch zu einer höheren Steuer. Die streitigen Darlehenszinsen mindern nicht den Gesamtgewinn der Klägerin, da sie nicht dem Zahlungsempfänger Z, sondern der Gesellschafterin B als Sonderbetriebseinnahmen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zuzurechnen sind.

a) Einkünfte sind dem Steuerpflichtigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen (hier nach § 20 Abs. 1 EStG) erfüllt nach ständiger Rechtsprechung des BFH, wer Kapitalvermögen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegen Entgelt zur Nutzung überlässt (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats vom GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; auch , BFHE 162, 263, BStBl II 1991, 38, und vom X R 114/94, BFHE 184, 554, BStBl II 1998, 190). Dies ist derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Dem entspricht die in § 24 Nr. 2 EStG enthaltene Regelung. Danach liegen den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 EStG Rechtsverhältnisse zugrunde. Bezogen auf die Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) ist das Rechtsverhältnis maßgebend, auf dem die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung beruht. Es kommt nicht darauf an, wer zivilrechtlich (z.B. aufgrund einer Abtretung gemäß § 398 des Bürgerlichen GesetzbuchesBGB— oder aufgrund einer Nießbrauchsbestellung gemäß § 1068 BGB) Gläubiger der Kapitalerträge ist, sondern darauf, wer sie im steuerrechtlichen Sinn nach § 2 Abs. 1 EStG erzielt (BFH-Urteil in BFHE 162, 263, BStBl II 1991, 38).

Bei einer unentgeltlichen Übertragung von Kapitalerträgen sind dem zivilrechtlichen Gläubiger diese Erträge nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm eine Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht (vgl. Wassermeyer, Die Übertragung von Einkunftsquellen zwischen nahestehenden Personen, Steuer und Wirtschaft —StuW— 1979, 209). Nur wer in die Lage versetzt ist, Marktchancen zu nutzen, das Vermögen zu verwalten, die Modalitäten einer Kapitalanlage zu verändern oder die Leistung durch Zurückziehung des Kapitalvermögens zu verweigern, erzielt selbst Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 EStG (vgl. Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 20 Rz. 21; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 20 EStG Rz. 43).

b) Im Streitfall sind nach diesen Grundsätzen die Zinsen aus dem Darlehensbetrag von 100 000 DM nicht dem Z zuzurechnen, dem der Zinsertrag zufloss, sondern der Gesellschafterin B.

Entgegen der Annahme des FG hat sich Z nicht ohne Bedingung und Auflage dazu verpflichtet, der Klägerin einen Betrag von 100 000 DM darlehensweise zur Verfügung zu stellen. Vielmehr enthält der ”Darlehensvertrag” vom zwischen Z und der Klägerin keine Verpflichtung des Z, der Klägerin nach Vertragsabschluss irgendeinen Betrag als Darlehn zu überlassen. Statt dessen beruht der ”Darlehensvertrag” auf der unzutreffenden Behauptung, Z habe der OHG zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits 100 000 DM durch Bankeinzahlung zur Verfügung gestellt.

Mit Hilfe der unzutreffenden Behauptung über die bereits erfolgte Bankeinzahlung der ”Darlehensvaluta” in dem ”Darlehensvertrag” zwischen Z und der Klägerin wurde dieser Vertrag auf verdeckte Weise mit dem am gleichen Tag abgeschlossenen ”Darlehensvertrag” zwischen Z und der Gesellschafterin B verknüpft. Nur im Zusammenwirken der beiden Verträge mit der durchgeführten Umbuchung vom Kapitalkonto II der Gesellschafterin B auf ein Fremdkapitalkonto Z wird das tatsächlich Gewollte deutlich. Für die Dauer von 5 Jahren sollten die Schuldzinsen aus einem Teilbetrag von 100 000 DM des bereits seit langem gewährten Gesellschafterdarlehens nicht der B zufließen, sondern dem Z. Dabei wurden die Zinsen für diesen Teilbetrag des Gesellschafterdarlehens von 8 % auf 7,5 % gesenkt und eine Überlassung der Darlehensvaluta für einen Zeitraum von 5 Jahren vereinbart.

B hat damit im Streitjahr 1987 die Verfügungsbefugnis über die Darlehensvaluta nicht aufgegeben. Z hatte keine Möglichkeit, über diesen Geldbetrag —z.B. durch eine anderweitige Kapitalanlage— zu verfügen und so Marktchancen zu nutzen. Vielmehr war seine Rechtsposition nach den am abgeschlossenen Verträgen darauf beschränkt, für einen Zeitraum von 5 Jahren die Zinsen aus einer von ihm nicht zu beeinflussenden Kapitalanlage zu beziehen.

c) Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob der ”Darlehensvertrag” zwischen B und Z die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Darlehens (§ 607 BGB) erfüllt. Zweifel hieran ergeben sich aus der Tatsache, dass bei einem Darlehen typischerweise der Empfänger eine eigene Verfügungsgewalt über den empfangenen Darlehensbetrag erlangt (vgl. Ballhaus in: Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, Bd. II, 2. Teil, 12. Aufl., 1978, Vor § 607 Rdnr. 25). Jedenfalls sind die von der OHG gezahlten streitbefangenen Zinsen gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 5 und 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der B zuzurechnen, da B durch die Verfügung über diesen Kapitalbetrag den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllte. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mindern diese Zinsen als Sonderbetriebseinnahmen den Gewinn der Klägerin nicht. Die Zuwendung der Darlehenszinsen an Z ist gemäß § 12 Nr. 2 EStG eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Einkommensverwendung.

2. Die Vorentscheidung steht mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang. Die Sache ist spruchreif. Daher war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1251 Nr. 10
DStRE 2001 S. 1086 Nr. 20
QAAAA-67062