Online-Nachricht - Donnerstag, 16.03.2017

Kindergeld | Anspruch bei Gendefekt des Kindes (FG)

Das FG Köln hat zum Anspruch auf Kindergeld wegen Behinderung im Fall einer Erbkrankheit entschieden (; Revision anhängig).

Hintergrund: Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung besteht für ein volljähriges Kind ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres (bei Behinderungseintritt ab VZ 2007: 25. Lebensjahr) eingetreten ist.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Tochter des Klägers, die an einer Muskelerkrankung im Sinne einer sog. Myotonen Dystrophie Curschmann-Steinert (MD) leidet, behindert i.S.d. o.g. Vorschriften ist: Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld mit der Begründung ab, dass die Behinderung der Tochter nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei. Zwar sei sie im Jahr 1968 mit einem Gendefekt geboren, dieser habe aber erst wesentlich später zu einer Behinderung im Sinne der o.g. Vorschrift geführt. Hiergegen wendete der Kläger ein, dass der Gendefekt seiner Tochter von Geburt an vorgelegen habe. Er sei erst später diagnostiziert worden. Lediglich die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sei später eingetreten.

Hierzu führten die Richter des FG Köln weiter aus:

  • Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

  • Nach diesen Vorgaben ist die Tochter des Klägers als behindert anzusehen: Bedingt durch die Erbkrankheit führt insbesondere die hierdurch bewirkte Muskelschwäche in den Beinen dazu, dass ihre Gehfähigkeit und damit ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dauerhaft beeinträchtigt ist.

  • Zudem war die Tochter in den vorliegend streitigen Monaten außerstande, sich selbst zu unterhalten.

  • Dem steht nicht entgegen, dass die Krankheit bei der Tochter des Klägers erst nach der Vollendung des 27. Lebensjahres diagnostiziert worden ist. Denn insoweit kommt es auf den objektiven Befund und nicht auf dessen Kenntnis an.

  • Unbeachtlich ist auch, dass die Tochter des Klägers vor Vollendung des 27. Lebensjahres nur leichtere Symptome der Krankheit verspürt hat, die sie bis dahin noch nicht wesentlich in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt und die erst im Jahr 2005 zur Zuerkennung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung von 50% und dem Merkzeichen G geführt haben.

  • Denn nach der Rechtsprechung des BFH muss nur die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein, nicht aber die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt (, BStBl II 2012, 141; ).

  • Als Behinderung im Sinne dieser Vorschrift ist im Streitfall der Gendefekt als solcher anzusehen.

Hinweis:

Das Gericht hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob die Behinderung der Tochter des Klägers im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, 2. Halbs. EStG vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist, grundsätzliche Bedeutung hat. Diese ist beim BFH unter dem Az. XI R 8/17 anhängig. Das Urteil ist auf der Homepage des FG Köln veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Köln online (il)

Fundstelle(n):
NWB TAAAG-40280