Anhebung der GWG-Grenze – Wieso gerade (erst) jetzt?
53 Jahre und 14 Regierungen: Der lange Weg zur GWG-Anhebung
Am verkündete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), dass die Koalition eine Einigung erzielt habe, wonach die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von bisher 410 € auf 800 € zum angehoben werden soll. Nach Ansicht des BMWi sollen hierdurch „kleine Mittelständler und Handwerksbetriebe konkret von Bürokratie und Kosten“ entlastet werden. Der nun gefundene Kompromiss stellt somit das vorläufige Ende eines längeren Tauziehens dar. Bereits im Maßnahmenkatalog des BMWi vom Oktober 2014 mit dem Titel „Entlasten, vereinfachen, neue Bürokratie vermeiden“ fand sich die Anhebung der Grenze auf 800 €. Zwischenzeitlich war diese Forderung wieder vom Tisch, dann wurde sie erneut diskutiert und jüngst berichtete die Presse noch von einer Anhebung auf 1.000 €. Jedenfalls bedurfte es eines längeren „Erkenntnisprozesses“, um die Anhebung der Grenze auf den Weg zu bringen. So wurde diese – abseits der Änderung (Euro-Umrechnung) durch das Steuer-Euroglättungsgesetz vom – letztmalig im Jahre 1964 durch das Steueränderungsgesetz 1964 vom angehoben. Der Finanzausschuss stellte am in der BT-Drucks. IV/2617 fest, dass er „die seit 1953 bestehende Wertgrenze von 600 DM im Jahr für die Abschreibungsfreiheit bei geringwertigen Wirtschaftsgütern nicht mehr für ausreichend [hält], um den mit der Abschreibungsfreiheit beabsichtigten Vereinfachungseffekt zu erzielen. Die Wertgrenze soll daher auf 800 DM angehoben werden.“ Nach dieser Erkenntnis „ruhte“ dann der angesprochene Vereinfachungseffekt über ein halbes Jahrhundert.
Vor diesem Hintergrund mag es sachgerecht erscheinen, dass diese Grenze nun annähernd verdoppelt werden soll. Damit allerdings nicht nur das BMWi die freudige Meldung verbreiten kann, soll dieses Gesetzgebungsvorhaben nicht mit dem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz (Federführung BMWi, BT-Drucks. 18/9949) umgesetzt, sondern an das Gesetz gegen [i]Hechtner, NWB 9/2017 S. 637schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen (BT-Drucks. 18/11233) angehangen werden (Federführung hier BMF), wie schon in vermutet. Dies erklärt dann wohl auch, wieso die Frage, wie es mit der Pool-Abschreibung weitergeht, noch nicht gelöst ist. Die Bundesregierung jedenfalls rechnet infolge der Anhebung der GWG-Grenze auf 800 € bei Beibehaltung der Pool-Abschreibung mit jährlichen Mindereinnahmen (volle Jahreswirkung) von 0,94 Mrd. € und mit jährlichen Mindereinnahmen von 0,96 Mrd. € bei Abschaffung der Poolabschreibung. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sollte m. E. aus Gründen der Vereinfachung die Pool-Abschreibung (Abschreibung über fünf Jahre, Grenze von 1.000 €) abgeschafft werden. Jenseits der GWG-Grenze würde dann die reguläre Abschreibung nach § 7 EStG mit individueller Abschreibungsdauer wieder gelten. Angesichts eines Wahljahres bleibt die Frage im Raum, wieso gerade jetzt dieses Thema (erst) angegangen wird. Jedenfalls kann diese Entlastung den jetzigen oder zukünftigen Gesetzgeber nicht davon entbinden, im Sinne einer umfassenden Steuerreform weiter zu denken. Eben ein solches Gesamtpaket wäre m. E. aber zielführender als sukzessive Einzelmaßnahmen.
Frank Hechtner
Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 833
IAAAG-40155