Gründe
Streitig ist im Hauptverfahren, für das Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt wird, ob der Erhöhungsbetrag, der auf die Berücksichtigung eines Zählkindes entfällt, zurückgefordert werden kann, wenn dem Kindergeldberechtigten der Wegfall der Kindergeldvoraussetzung beim mitgezählten Kind nicht bekannt war.
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Vater von vier Kindern aus zwei Ehen, nämlich aus erster Ehe T - geb. 1977 - und S - geb. 1979 - sowie aus zweiter Ehe K1, - geb. 1989 - und K2 - geb. 1992. Die Familienkasse des Arbeitsamtes (der Beklagte) gewährte dem Antragsteller Kindergeld für die Kinder K1 und K2 unter Berücksichtigung der nicht in seinem Haushalt wohnenden Zählkinder T und S. Nachdem der Beklagte erfahren hatte, dass T im Januar 1995 die Schulausbildung abgebrochen und sich erst im Februar 1997 beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet hatte, forderte er mit Bescheid vom das für K1 und K2 für den Zeitraum Januar 1996 bis Januar 1997 überzahlte Kindergeld in Höhe von 1 930 DM zurück.
Das Sozialgericht gab der Klage gegen die Rückzahlung von Kindergeld für die Zeit vor dem mit der Begründung statt, der Antragsteller habe die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch —SGB X— i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I).
Der gegen die Rückforderung von Kindergeld für Januar 1996 bis Januar 1997 gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit der hiergegen erhobenen finanzgerichtlichen Klage trug der Antragsteller vor, eine Rücknahme habe nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 der Abgabenordnung (AO 1977) erfolgen dürfen, die im Streitfall nicht vorgelegen hätten. Die steuerlichen Rückzahlungsvorschriften, insbesondere § 37 Abs. 2 AO 1977, passten für das Kindergeld nicht. Vielmehr seien die Vorschriften der SGB I und SGB X entsprechend anzuwenden, die im Übrigen zum selben Ergebnis führten, wie die Anwendung des § 130 AO 1977.
Das Finanzgericht (FG) wies den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag auf PKH zurück, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Gewährung von PKH unter Berufung auf den bisherigen Vortrag weiter. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Zahlung von Kindergeld als Leistung des Staates an die Bürger etwas anderes sei, als eine Steuer, die eine Leistung der Bürger an den Staat darstelle.
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten können zu bejahen sein, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt und für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, bzw. wenn die Einwände des Antragstellers nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IV S 4/77, BFHE 133, 253, BStBl II 1981, 580, und vom VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217; Bundesverfassungsgericht — 2 BvR 94, 802, 887, 997, 1094, 1158, 1247, 1493, 1513/88, BVerfGE 81, 347, 357 f.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da bei materiell-rechtlich zu Unrecht gewährtem Kindergeld zweifelhaft ist, ob eine Änderung des Kindergeldbescheides in Betracht kam.
Bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob der ursprüngliche Bescheid gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geändert werden konnte. Der Streitfall weist die Besonderheit auf, dass das zuvor als Sozialleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) festgesetzte Kindergeld in der gewährten Höhe gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. von Art. 1 des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) als nach den Vorschriften des EStG festgesetzte Steuervergütung gilt. Da bei der vom Gesetz fingierten Bescheidung durch den Beklagten zum die Vorschriften des EStG schon zum Zuge gekommen sind, stellen die vom BKGG abweichenden Regelungen des EStG bereits berücksichtigte Verhältnisse dar (vgl. auch Ki, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 569). Demgegenüber erfasst § 70 Abs. 2 EStG nur solche Änderungen, die nachträglich, also nach Ergehen des Bescheides eingetreten sind (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes —DA-FamEStG— 70.4.2. Abs. 3; Bergkemper in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 70 EStG Anm. 13; Ebling/Heuermann, Die Kindergeldauszahlung durch den Arbeitgeber, Rz. 233).
Allerdings kam eine Änderung des ursprünglichen Bescheides durch sinngemäße Anwendung (vgl. § 31 Satz 3 EStG i.V.m. § 155 Abs. 6 AO 1977) des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 in Betracht, da T ihre Ausbildung bereits vor dem abgebrochen hatte und der Beklagte hiervon, wie er unwidersprochen vorgetragen hat, erstmals im Februar 1997 erfahren hatte. Indessen ist zweifelhaft, in welchem Umfang § 173 AO 1977 neben § 70 Abs. 2 EStG und insbesondere § 70 Abs. 3 EStG noch zur Anwendung kommt (vgl. einerseits Bergkemper in Herrmann/Heuer/
Raupach, a.a.O., § 70 EStG Anm. 13; Berlebach, Familienleistungsausgleich, Anm. A § 70 EStG Rz. 10 und andererseits Tiedchen, Deutsche Steuerzeitung 2000, 237, 243 linke Spalte unten). Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Änderungsbefugnis der Behörde davon berührt wird, dass den Kindergeldberechtigten deshalb kein Verschulden an der unterbliebenen Mitteilung über den Wegfall einer Kindergeldvoraussetzung trifft, weil sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet. Angesichts der aufgezeigten Zweifel erscheinen hinreichende Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen.
Das FG hatte bei dem von ihm vertretenen Rechtsstandpunkt keine Veranlassung zu prüfen, ob dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen PKH zu gewähren ist. Der Senat verweist die Sache an das FG zurück, damit es die diesbezüglichen Feststellungen trifft (vgl. , BFH/NV 1996, 105).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1204 Nr. 10
DStRE 2000 S. 858 Nr. 16
FAAAA-65878