Weniger ist mehr
Konfuzius, Epikur, Seneca, Augustinus, Schopenhauer – kaum ein großer Philosoph hat es versäumt, auf die Vorteile des Wenigers an Dingen, Worten usw. hinzuweisen. Das Ziel ist klar, der Weg dahin nicht leicht. Nach Schiller ist Einfachheit ein Resultat der Reife, nach Schopenhauer gar ein Merkmal des Genies. Nach Blaise Pascal braucht Einfachheit und Kürze der Worte vor allem Zeit. Einen 30-seitigen Brief beendet er folgerichtig so: „Ehrwürdige Väter, meine Briefe pflegen nicht so schnell aufeinander zu folgen und auch nicht so lang zu sein. Die wenige Zeit, die ich hatte, ist Ursache von dem einen wie von dem andern. Ich habe diesen Brief nur deshalb etwas länger gemacht, weil ich nicht Muße hatte ihn kürzer zu machen.“ Der erhöhte Einsatz kann sich freilich lohnen, wie der persische Dichter Dschâmî zwei Jahrhunderte vor Pascal betonte: „Rede minder, Minderkeit vermehrt der Ware Wert.“
Gemessen an solchen philosophischen Maßstäben bleiben die IFRS eine redselige Veranstaltung. Immer mehr Regeln, immer mehr Angabepflichten, um dem postfaktisch erfühlten Bedürfnis der Bilanzadressaten zu entsprechen. Ein zarter Hoffnungsschimmer deutet sich aber an. Tempo und Umfang des Regelwachstums scheinen nicht mehr zuzunehmen.
Dies zeigt sich im vorliegenden Heft zunächst an von Nadine Antonakopoulos und Christian Fink betreffend „Die Neuerungen des IASB aus den Annual Improvements to IFRSs des 2014-2016 Cycle“ . Während frühere Cycles noch mit größeren Änderungen daher kamen, beschränkt sich der aktuelle im Wesentlichen auf redaktionelle Änderungen. Dies betrifft nicht nur die Streichung durch Zeitablauf hinfällig gewordener Vorschriften zum Übergang von nationalem Recht auf die IFRS ( IFRS 1), sondern auch Klarstellungen im Verhältnis von IFRS 12 und IFRS 5 sowie die Präzisierung des Venture Capital Gesellschaften zustehenden Wahlrechts bei der Bilanzierung von assoziierten oder Gemeinschaftsunternehmen ( IAS 28).
Hinter früheren „Ambitionen“ des IASB zurückgeblieben sind auch die Anpassungen zur Kapitalflussrechnung. Beabsichtigt war im „Financial Statement Presentation Project“ ursprünglich, über Bilanz, Ergebnis- und Kapitalflussrechnung hinweg mit Hilfe von einheitlichen Posten und zahlreichen Überleitungen ein zusammenhängendes Bild zu geben. von Hanno Kirsch zur „ Überleitungsrechnung der bilanziellen Wertänderung von Finanzschulden nach den Amendments zu IAS 7 “ zeigt, was von dem (über)ambitionierten Projekt übrig geblieben ist und untersucht kritisch, welchen Nutzen die begrenzte Änderung überhaupt noch hat.
Aus einer ganz anderen Perspektive, nämlich der des bilanzierenden Unternehmens, befasst sich von Josef Baumüller und Bang Nguyen zu „Möglichkeiten und Grenzen des Geheimnisschutzes in der IFRS-Rechnungslegung“ mit dem Mehr oder Weniger. Es ist die erste umfassende Analyse der Frage, wann im Unternehmensinteresse oder öffentlichen Interesse Angaben unterlassen werden dürfen. Neben den wenigen expliziten Wahlrechten werden auch die impliziten untersucht. Darüber hinaus diskutiert der Beitrag, wo und mit welchen Konsequenzen höherrangiges nationales Recht eine an sich nach IFRS gegebene Offenlegungspflicht verdrängt.
Beste Grüße
Norbert Lüdenbach
Fundstelle(n):
PiR 2/2017 Seite 1
NWB ZAAAG-36426