BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2472/12

Nichtannahmebeschluss: Substantiierungsmängel (§§ 23 Abs 1 S 2, 92 BVerfGG) bei unzureichender Schilderung des Lebenssachverhalts und Nichtvorlage relevanter Unterlagen - Zu den Darlegungsanforderungen bzgl der Rüge einer Grundrechtsverletzung (Art 101 Abs 1 S 2 GG iVm Art 19 Abs 4 GG) durch Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde (hier: §§ 160, 160a SGG) bei Möglichkeit einer Vorlage gem Art 267 Abs 3 AEUV im Revisionsverfahren

Gesetze: Art 19 Abs 4 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 136 SGB 7, § 150 SGB 7, § 160a SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG

Instanzenzug: Az: B 2 U 348/11 B Beschluss

Gründe

1 Die Beschwerdeführerin wendet sich inhaltlich gegen das gesetzliche Unfallversicherungsmonopol in der Bundesrepublik Deutschland, konkret dagegen, dass das Bundessozialgericht das von ihr deshalb geführte Verfahren nicht nochmals dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

2 Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die nur gegen den gerichtete und auf die Rüge von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beschränkte Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend substantiiert und schlüssig die Möglichkeit einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts aufzeigt.

3 Nach diesen Vorschriften ist eine Beschwerdeführerin gehalten, den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen. Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 115, 166 <180>; 130, 1 <21>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde - wie hier - gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit dieser und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und dass die Entscheidung auf diesem Verstoß beruht (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 130, 1 <21>).

4 Ausgehend von diesem Maßstab ist die Verfassungsbeschwerde schon deswegen nicht ausreichend begründet, weil die Beschwerdeführerin den maßgeblichen Lebenssachverhalt nicht geschildert und für die verfassungsrechtliche Beurteilung wesentliche Unterlagen wie den im Ausgangsverfahren angefochtenen Bescheid, ihr Kündigungsschreiben hinsichtlich der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung und den vorangegangenen Aufnahmebescheid des im Ausgangsverfahren beklagten Unfallversicherungsträgers weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben hat.

5 Im Übrigen gehen alle Rügen einer Beschwerdeführerin, die sich auf materielle Erwägungen stützen, ins Leere, wenn die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts - wie hier - keine Entscheidung in der Sache trifft, sondern damit eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird (vgl. BVerfGE 103, 172 <181 f.>; 128, 90 <99>); gleiches muss für Rügen gelten, die an das Unterlassen von Verfahrenshandlungen anknüpfen, die erst im Rahmen eines Revisionsverfahrens selbst im Hinblick auf die dort unter Umständen zu beantwortenden inhaltlichen - hier: europarechtlichen - Fragen hätten erforderlich werden können.

6 Es kann offenbleiben, ob die Behauptung einer Grundrechtsverletzung auf das Zusammenwirken von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG mit dem - von der Beschwerdeführerin nicht eigenständig gerügten - Art. 19 Abs. 4 GG gestützt werden kann, wenn auf Grund der Nichtzulassung eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unterbleibt, die im Revisionsverfahren selbst möglicherweise notwendig geworden wäre. Dies zu Gunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, hätte sie in diesem Rahmen substantiiert darlegen müssen, dass das Bundessozialgericht die Voraussetzungen für die Revisionszulassung in verfassungsrechtlich relevanter Weise verkannt habe. Die Beschwerdeführerin hat sich jedoch mit der eigenständig tragenden Begründung des Bundessozialgerichts, die von ihr aufgeworfenen Fragen seien im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig, nicht hinreichend auseinandergesetzt, so dass eine verfassungsrechtlich relevante Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Beschlusses schon aus diesem Grunde nicht ausreichend dargetan ist.

7 Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20161117.1bvr247212

Fundstelle(n):
WAAAF-90373