BGH Beschluss v. - VII ZB 35/14

Instanzenzug:

Gründe

I.

1Die Klägerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

2Die Parteien streiten nach vorzeitiger Beendigung eines Werkvertrages um restliche Vergütung sowie Entschädigung. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 43.461,54 € gerichtete Klage in Höhe von 43.018,86 € abgewiesen. Gegen das landgerichtliche Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Berufungsbegründungsfrist bis zum verlängert. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist am beim Berufungsgericht eingegangen.

3Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dazu hat die Klägerin, soweit dies dem angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts, der keine gesonderte Sachverhaltsdarstellung beinhaltet, entnommen werden kann, vorgetragen:

4Der mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragte Rechtsanwalt der Klägerin habe beabsichtigt, die vollständig verfasste Berufungsbegründung am um 23.30 Uhr unter Verwendung seines in seiner Wohnung befindlichen Telefaxgerätes an das Berufungsgericht zu übersenden. Das private Telefaxgerät sei am von einem Techniker ordnungsgemäß angeschlossen worden. Es habe am einwandfrei funktioniert. An diesem Tag sei ein Telefax erfolgreich übersandt worden. Am um 23.30 Uhr sei aufgrund einer technischen Störung des privaten Telefaxgerätes eine Übersendung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht nicht möglich gewesen.

5Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt:

6Dem Klägervertreter könne nicht vorgeworfen werden, dass er erst am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist versucht habe, die Berufung per Fax zu begründen. Es sei anerkannt, dass der Rechtsmittelführer eine Frist voll ausschöpfen dürfe, sofern er dabei die normale Frist für die Beförderung des Schriftstücks berücksichtige. Allerdings habe ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpfe, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos eine erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme daher nicht in Betracht, wenn von dem Rechtsanwalt nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen worden seien, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten. Wolle der Prozessbevollmächtigte den Begründungsschriftsatz erst kurz vor Ablauf der Frist per Telefax übermitteln, müsse er besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung keine Fehler passierten. Zwar dürften die technischen Risiken der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Telefax nicht auf den Nutzer des Mediums abgewälzt werden, wenn die technische Störung im Bereich des Telefaxempfangsgerätes liege. Vorliegend habe die technische Störung jedoch auf Seiten des Bevollmächtigten der Klägerin bei der Nutzung seines privaten Faxanschlusses und daher in dessen Risikosphäre gelegen. Verlasse sich der Bevollmächtigte bei der Fertigstellung und Übersendung von fristwahrenden Schriftstücken an das Gericht quasi in letzter Minute auf ein Telefaxgerät, so müsse er dessen Funktionieren so rechtzeitig sicherstellen, dass er bei einer eventuellen Störung der Telefaxverbindung andere noch mögliche und zumutbare Maßnahmen für einen sicheren Zugang des fristwahrenden Schriftsatzes beim zuständigen Gericht ergreifen könne. Dass der Klägervertreter solche Maßnahmen ergriffen hätte, habe er nicht glaubhaft dargelegt. Der Umstand, dass das Telefaxgerät am noch einwandfrei funktioniert habe, befreie den Klägervertreter nicht davon, sich frühzeitig am über das Funktionieren des Telefaxgerätes zu vergewissern. Denn auch bei neu installierten Faxgeräten sei mit dem gelegentlichen Auftreten von Störungen zu rechnen, die es unmöglich machen könnten, einen Schriftsatz zu versenden. Damit hätte auch der Klägervertreter rechnen müssen.

II.

7Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

81. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist mit einer Begründung als unzulässig verworfen, die die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts in aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert. Das verletzt die Beklagte in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfG, NJW-RR 2008, 446 f., [...] Rn. 9.; vgl. , NJW-RR 2011, 790 Rn. 3).

92. Die Rechtsbeschwerde ist insoweit begründet, als mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht zurückgewiesen werden kann.

10a) Nach § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht einem Verschulden der Partei gleich, § 85 Abs. 2 ZPO. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz ZPO.

11b) Die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen rechtfertigen es nicht, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verweigern.

12Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Anwalt, der eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (, NJW 2006, 2637 Rn. 8 m.w.N.).

13Soweit jedoch das Berufungsgericht meint, diesen Sorgfaltsmaßstab habe der Rechtsanwalt der Klägerin missachtet, weil er sein privates Faxgerät im Laufe des nicht auf seine Funktionsfähigkeit hin überprüft habe, ist das unzutreffend. Der erhöhte Sorgfaltsmaßstab führt nicht dazu, dass ein Rechtsanwalt technische Geräte stets auf ihre Funktionsfähigkeit hin überprüfen muss, ohne hierfür einen konkreten Anlass zu haben. Es begründet deshalb keinen Verschuldensvorwurf gegen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das von einem Fachunternehmen am installierte und noch am funktionstaugliche Telefaxgerät nicht im Laufe des einer Funktionstauglichkeitsprüfung unterzogen zu haben.

III.

14Der angefochtene Beschluss ist mithin aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Berufungsgericht die für die Prüfung der Voraussetzungen des § 233 ZPO notwendigen Tatsachen in dem angefochtenen Beschluss, der eine gesonderte Sachverhaltsdarstellung nicht enthält, nicht festgestellt hat.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2017 S. 253 Nr. 4
GAAAF-88236