„Vorsteuerabzug – Klare Absage an steigenden Formalismus“
EuGH stoppt Verzinsung bei Rechnungsberichtigungen
Der Vorsteuerabzug setzt in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung voraus. Dabei sind die Anforderungen hieran hoch. Nicht nur, dass die Rechnung eine Vielzahl von Angaben enthalten muss. Diese müssen auch inhaltlich detailliert und richtig sein. Der Maßstab der Ordnungsmäßigkeit ist hoch – unerkannte Fehler in der Rechnung sind meist an der Tagesordnung. Die Finanzverwaltung hat leichtes Spiel, einen geltend gemachten Vorsteuerabzug allein aufgrund des Mangels zu versagen.
Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Fehler zu berichtigen oder Angaben zu ergänzen, sofern das Recht auf Vorsteuerabzug im Nachhinein versagt wird. Jedoch soll diese Berichtigung bzw. Ergänzung unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG lediglich ex nunc, also mit Wirkung für die Zukunft, möglich sein. Dies führt dazu, dass Nachzahlungszinsen von 6 % p. a. entstehen, die den Unternehmer final belasten.
Die Forderung nach einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung stand deshalb schon seit einiger Zeit im Raum. Das Niedersächsische Finanzgericht nahm sie schließlich zum Anlass, dem EuGH insbesondere die Frage der Rückwirkung zur Vorabentscheidung vorzulegen. Nachdem der Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom dafür plädierte, eine Rückwirkung grundsätzlich zuzulassen, hat der EuGH am (C-518/14, Senatex) erfreulicherweise ebenso entschieden.
Ausdrücklich legt der EuGH das Gemeinschaftsrecht dahingehend aus, dass es dem Ausschluss einer Rückwirkung entgegensteht. Das materielle elementare Recht auf Vorsteuerabzug entsteht zum selben Zeitpunkt wie der Steueranspruch. Es ist damit grundsätzlich unabhängig von einer Rechnung. Sobald dem Unternehmer eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt, kann er den Vorsteuerabzug zum Steuerentstehungszeitpunkt geltend machen. Der EuGH verdeutlicht hierdurch, dass der Besitz einer ordnungsgemäßen und vollständigen Rechnung als formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ebenfalls erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Entscheidung des , „Barlis 06“) interessant, in der er den Vorsteuerabzug auch bei nicht ordnungsgemäßer Rechnung zulässt, wenn der Finanzverwaltung alle Informationen vorliegen, um die materiellen Voraussetzungen zu prüfen. Die weiteren vorgelegten Fragen, welche Anforderungen an eine Ursprungsrechnung zu stellen sind und bis wann eine Berichtigungsrechnung spätestens vorliegen muss, mussten vom EuGH nicht ausdrücklich beantwortet werden bzw. konnten offen bleiben.
Dem Finanzgericht bleibt in seiner Nachfolgeentscheidung kein Ermessensspielraum. Die nationale Praxis wird sich an die entgegenstehende Auffassung des EuGH anpassen müssen. Raum für Zinsfestsetzungen bleibt nicht mehr. Dem steigenden Formalismus erteilte der EuGH mit seinen Entscheidungen eine klare Absage.
Stefanie Becker
Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 2913
FAAAF-82406