BFH Beschluss v. - X E 5/16

Erinnerung gegen Kostenansatz; Verfahrenstrennung keine unrichtige Sachbehandlung

Leitsatz

1. Es stellt keine unrichtige Sachbehandlung i.S. von § 21 Abs. 1 S. 1 GKG dar, wenn im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Ordnung verschiedener Streitgegenstände (Anfechtung von Haftungsbescheiden und Leistungsgeboten) eine Verfahrenstrennung vorgenommen wird (Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich Leistungsgebote unzulässig; im Übrigen Revisionszulassung). Bei der teilweisen Fortführung des Beschwerdeverfahrens nach einer Zulassung als Revisionsverfahren und einer teilweisen Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde wird das Verfahren aufgespalten.

2. Mit rein kostenrechtlichen Einwänden gegen die richterliche Ermessensausübung bei Vornahme einer Verfahrenstrennung nach § 73 Abs. 1 S. 2 FGO kann der Kostenschuldner im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden.

Gesetze: AO § 256, FGO § 73 Abs. 1 Satz 2, FGO § 116 Abs. 5 Satz 3, FGO § 116 Abs. 7 Satz 1, FGO § 121, FGO § 128 Abs. 2, GKG § 1 Abs. 5, GKG § 3 Abs. 2, GKG § 21 Abs. 1, GKG § 40, GKG § 47 Abs. 1, GKG § 47 Abs. 3, GKG § 66 Abs. 6, GKG § 66 Abs. 7, GKG § 66 Abs. 8

Tatbestand

1 I. Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kostenschuldner) wandte sich mit seiner im Jahr 2014 erhobenen Klage gegen vom Finanzamt erlassene Spendenhaftungsbescheide über —zuletzt— 443.800 DM (entspricht 226.911 €) und 150.360 DM (entspricht 76.877 €) betreffend die Jahre 1998 bzw. 1999 sowie die zugehörigen, im Jahr 2007 gesondert ausgesprochenen Leistungsgebote. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage insgesamt ab. Im —vorliegend allein zu beurteilenden— Verfahren über die Anfechtung der Leistungsgebote seien nach dem Rechtsgedanken des § 256 der Abgabenordnung nur Einwendungen zulässig, die sich gegen die Zulässigkeit des Leistungsgebots selbst, nicht aber gegen den zugrundeliegenden Verwaltungsakt (hier: die Spendenhaftungsbescheide) richteten (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. , BFH/NV 1995, 950, unter 2.d). Da der Kostenschuldner aber nur Gründe vorgetragen habe, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der Haftungsbescheide richteten, sei die Klage diesbezüglich bereits unzulässig. Ungeachtet dessen sei die Klage unbegründet, da gegen die Rechtmäßigkeit der Leistungsgebote sprechende Tatsachen auch nicht aus den Akten ersichtlich seien.

2 Dagegen erhob der Kostenschuldner ohne Einschränkung im Hinblick auf die vorgenannten Streitgegenstände Nichtzulassungsbeschwerde. In dem betreffenden Beschwerdeverfahren X B 59/15 trennte der Senat das Verfahren wegen der Leistungsgebote 1998 und 1999 mit Beschluss vom ab und verwarf das Rechtsmittel mit Beschluss vom selben Tag insoweit als unzulässig (X B 203/15, nicht veröffentlicht). In dem Beschluss X B 203/15 legte er dem Kostenschuldner zudem die Kosten des abgetrennten Beschwerdeverfahrens auf (§ 135 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Hinsichtlich der Haftungsbescheide ließ der Senat die Revision gegen das FG-Urteil mit weiterem Beschluss vom X B 59/15 (nicht veröffentlicht) zu.

3 Mit Kostenrechnung vom wurden die Gerichtskosten für das Verfahren X B 203/15 nach einem Streitwert von 303.788 € (Summe aus 226.911 € und 76.877 €) auf 4.924 € festgesetzt.

4 Mit seiner Erinnerung wendet sich der Kostenschuldner „sowohl gegen den Streitwert, als auch gegen den Gebührenansatz“. Er macht unter Verweis auf einen in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 221 veröffentlichten geltend, der „Gesamt-Streitwert“ habe „jedenfalls bis zur Abtrennung der Beschwerde gegen das Leistungsgebot (...) 110 v.H. des Streitwerts der Klage gegen den Haftungsbescheid, somit 334.166,80 €“ betragen. Die Verfahrensabtrennung wegen der Leistungsgebote durch den Senat habe nach der Rechtsprechung des (Neue Juristische Wochenschrift 1957, 183), der auch in der Kommentarliteratur zugestimmt werde (aktuell Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 73 Rz 24), und des (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1972, 132) nicht erfolgen dürfen, da „alle Klagegegenstände (...) entscheidungsreif“ gewesen seien. Obwohl der Senat die Verfahrenstrennung dennoch vorgenommen habe, seien die Entscheidungen „kostenmäßig als einheitliche Entscheidung anzusehen“. Folglich habe es „zwingend zur Kostenquotelung“ kommen müssen, mit der Folge, dass der Kostenschuldner lediglich „1/11 (= 10/110)“ der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in Höhe von 480,18 € (ein Elftel von 2,0 Gebühren aus dem „Gesamt-Streitwert“ von 334.166,80 €) zu tragen habe.

5 Die Vertreterin der Staatskasse hat beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

6 II. Die nach § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) statthafte Erinnerung ist unbegründet.

7 1. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gemäß § 1 Abs. 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch den Einzelrichter.

8 2. Die Kostenstelle des BFH hat die Kosten für das Verfahren X B 203/15 dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerfrei angesetzt.

9 a) Die Kosten schuldet gemäß § 29 Nr. 1 GKG u.a. derjenige, dem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind. Dies ist im vorliegenden Fall der Kostenschuldner, da ihm der BFH im rechtskräftigen Beschluss vom X B 203/15 die Kosten jenes Verfahrens auferlegt hat.

10 b) Die Ermittlung des Streitwerts ist nicht zu beanstanden. Als Streitwert ist der volle Betrag, d.h. 303.788 €, anzusetzen.

11 aa) Kommt es zu einer —auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zulässigen (vgl. z.B. , BFH/NV 2014, 540, unter II.1. und 3.)— Abtrennung von Verfahrensteilen, ist für jeden Verfahrensteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (§ 40 GKG) ein Einzelstreitwert anzusetzen (, nicht veröffentlicht, unter II.2.a, m.w.N.). Dieser entspricht bei der hier zu beurteilenden Klage eines Haftungsschuldners gegen das Leistungsgebot grundsätzlich dem vollen im Leistungsgebot angeforderten Betrag (vgl. , BFH/NV 2015, 1417), vorliegend also —für das Rechtsmittelverfahren unverändert (§ 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GKG)— 303.788 €. Davon ausgehend, ergibt sich aus der Gebührentabelle in der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG, dass die der streitgegenständlichen Kostenrechnung zugrunde gelegte Gebührenhöhe von 2.462 € zutreffend ist. Denn nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG waren für das vom Kostenschuldner erfolglos betriebene Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren 2,0 Gebühren, mithin 4.924 €, anzusetzen.

12 bb) Die hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Insbesondere liegt die vom Kostenschuldner im Hinblick auf die Verfahrenstrennung sinngemäß geltend gemachte unrichtige Sachbehandlung i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht vor.

13 (1) Nach der genannten Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Dies bewirkt nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht, dass unanfechtbare (§ 128 Abs. 2 FGO) oder rechtskräftige (§ 116 Abs. 5 Satz 3 FGO) Gerichtsentscheidungen, die dem Kostenansatz vorausgegangen sind bzw. zugrunde liegen, im Verfahren der Erinnerung inzident auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden könnten. Ausnahmen hiervon kommen nur bei erkennbaren Versehen des Gerichts oder offensichtlichen Verstößen gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften in Betracht (s. dazu z.B. Senatsbeschluss vom X E 2/05, BFH/NV 2006, 326; Gräber/Ratschow, a.a.O., Vor § 135 Rz 70, 87 ff., jeweils m.w.N). Dafür ist im Streitfall jedoch nichts ersichtlich.

14 (2) Der Beschluss des FG Baden-Württemberg in EFG 2007, 221 ist —wie selbst in der Erinnerungsschrift angedeutet („Jedenfalls bis zur Abtrennung der Beschwerde“)— vorliegend nicht einschlägig. Dies ergibt sich daraus, dass der Streitwertbemessung in jenem Fall keine Abtrennung des Verfahrens wegen des Leistungsgebots vorausging, sondern eine einheitliche Streitwertbemessung vorzunehmen war (vgl. zu einer ähnlichen Abgrenzung BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1417). Es kann daher dahinstehen, ob den vom FG Baden-Württemberg aufgestellten Grundsätzen zur Streitwertbemessung in der dort behandelten Konstellation der Sache nach zugestimmt werden könnte.

15 (3) Die vom Kostenschuldner begehrte Übertragung der in dem genannten FG-Beschluss aufgestellten Grundsätze kann auch nicht mittelbar über eine vermeintlich unrichtige Sachbehandlung bei der Abtrennung des Verfahrens wegen der Leistungsgebote bewirkt werden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Der Abtrennungsbeschluss des Senats beruht weder auf einem erkennbaren Versehen noch auf einem offensichtlichen Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften. Vielmehr bewegte er sich innerhalb des von § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO eröffneten richterlichen Ermessensspielraums, da das Rechtsmittelverfahren hinsichtlich der Spendenhaftungsbescheide nicht gleichfalls beendet, sondern —mit offenem Ausgang— als Revisionsverfahren fortzusetzen war (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO). Damit war das im Zweiten Teil, Abschnitt V., der FGO geregelte Rechtsmittelverfahren, zu dem im hiesigen Kontext auch das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu zählen ist, entgegen der Auffassung des Kostenschuldners insgesamt noch nicht „entscheidungsreif“ (s. hierzu auch , BFH/NV 2004, 1420, unter 1., und , NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2016, 189, unter II.). Der von ihm beanstandete offensichtliche Rechtsanwendungs- bzw. Ermessensfehler bei der Anwendung von § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO (i.V.m. § 121 FGO analog) scheidet schon deshalb aus, weil durch die Verfahrenstrennung eine übersichtlichere Ordnung der verschiedenen —vom Kostenschuldner uneingeschränkt zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemachten— Streitgegenstände ermöglicht wurde. Dabei handelt es sich um einen sachlichen Grund zur Vornahme einer Verfahrenstrennung (vgl. Beschluss des Schleswig-Holsteinischen , EFG 2011, 1924, 1925, m. Anm. Lemaire, zum Fall der Verfahrenstrennung nach Teilrücknahme der Klage).

16 (4) Die dagegen vom Kostenschuldner vorgebrachten kostenrechtlichen Einwände können bereits im Ausgangspunkt nicht durchdringen, weil Kostengesichtspunkte für sich betrachtet sachfremde Erwägungen bei der Ausübung des dem Gericht nach § 73 Abs. 1 FGO zustehenden Ermessens darstellen (vgl. , BFH/NV 1995, 720, für den umgekehrten Fall der Rüge einer unterlassenen Verfahrensverbindung).

17 3. Soweit der Kostenschuldner seiner Erinnerungsschrift „vorsorglich für den Fall der Zurückweisung der Erinnerung“ einen an die Kostenstelle des BFH adressierten Antrag auf Erlass bzw. Stundung der Gerichtskosten „bis auf einen zu zahlenden Betrag von 480,18 €“ beigefügt und hilfsweise um Weiterleitung desselben gebeten hat, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher, sich auf das Stadium der Beitreibung der Gerichtskosten beziehender Billigkeitsantrag (so versteht der Senat das diesbezügliche Vorbringen) unmittelbar bei dem hierfür gemäß § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Satz 1 Justizbeitreibungsordnung zuständigen Bundesamt für Justiz anzubringen ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X E 1/12, BFH/NV 2012, 1459, unter II.3.).

18 Damit erledigt sich zugleich der von den Ausführungen des Kostenschuldners sinngemäß mitumfasste Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung (§ 66 Abs. 7 Satz 1 GKG).

19 4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1057
WAAAF-74510