BGH Beschluss v. - 2 StR 243/15

Einziehung eines zum Betrieb einer Marihuanaplantage benutzten Grundstücks: Voraussetzungen der Einziehung; Abwägungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Gesetze: § 74 Abs 1 Alt 2 StGB, § 74 Abs 2 Nr 1 StGB, § 74 Abs 2 Nr 2 StGB, § 74 Abs 3 StGB, § 74a StGB, § 74b Abs 1 StGB, § 74b Abs 2 Nr 2 StGB, § 74b Abs 2 Nr 3 StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 900 Js 21479/14 - 15 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten M.       wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, die Angeklagte H.       -H.      wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es die Einziehung eines in der Urteilsformel näher bezeichneten Grundstücks des Angeklagten M.       angeordnet.

I.

2Die Revision der Angeklagten H.        -H.      wird als unbegründet verworfen, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben hat.

II.

3Die Revision des Angeklagten M.      , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

41. Die nicht ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

52. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen begegnet die Anordnung über die Einziehung des Grundstücks durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken. Dies führt auch zur Aufhebung des Strafausspruchs.

6a) Nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte M.      , eine Vielzahl von Cannabispflanzen in einer Indoorplantage zur Gewinnung von Marihuana anzubauen, um dieses anschließend gewinnbringend zu veräußern. Zum Zweck der Installation der Plantage erwarb der Angeklagte im April 2012 das später vom Landgericht eingezogene Gewerbegrundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 67.000 Euro, den er aus ihm zuvor von der Mitangeklagten H.       -H.      zur Verfügung gestellten Mitteln beglich.

7Das erworbene Grundstück war von einer Mauer umfriedet, mit einer Halle, bestehend aus einem Haupt- und Nebenraum, bebaut und besaß einen Innenhof. Der Angeklagte nahm in der Folge eine Vielzahl von Umbauarbeiten auf dem Grundstück vor, unter anderem mauerte er die Garageneinfahrt zum Haupteingang zu, legte Belichtungs-, Wärme-, Bewässerungs- und Lüftungsvorrichtungen an. Außerdem manipulierte er den Stromzähler und brachte Kameras an der Halle und der Mauer des Grundstücks sowie eine Alarmanlage an.

8Nach Abschluss der Umbauarbeiten begann der Angeklagte Ende 2012 mit der Aufzucht von Cannabispflanzen in der auf dem Grundstück befindlichen Halle. Im Zeitraum zwischen Ende des Jahres 2012 und März 2014 blieben einige Aufzuchtzyklen zunächst erfolglos. Ab Mitte März 2014 zog der Angeklagte in dem fensterlosen Hauptraum der Halle Cannabispflanzen in Töpfen auf und begann wenige Tage vor dem mit der Ernte. Die Plantage mit 403 Cannabispflanzen wurde im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen im Mai 2014 aufgefunden. Die Pflanzen hatten ein Gesamtgewicht von 15,475 kg und einen Wirkstoffgehalt von mindestens 11,5 % mit einem THC-Anteil von insgesamt 1,779 kg.

9b) Die Anordnung über die Einziehung des Grundstücks hat keinen Bestand.

10aa) Ein Grundstück ist als Tatmittel oder Tatwerkzeug im Sinne von § 74 Abs. 1 Var. 2 StGB grundsätzlich ein geeigneter Einziehungsgegenstand. Gegenstände, die zur Begehung der Tat oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (instrumenta sceleris), können eingezogen werden. Die Einziehung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Die Urteilsgründe müssen deshalb nicht nur erkennen lassen, von welchem Einziehungszweck der Tatrichter ausgegangen ist (strafähnliche Einziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB, Sicherungseinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB oder unter Umständen auch von beiden); ihnen muss auch zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren (vgl. ; , BGHR StGB § 74 Abs. 1 Ermessensentscheidung 1). Eine Einziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat den Charakter einer Nebenstrafe und ist damit Teil der Strafzumessung. Die Urteilsgründe müssen deshalb darlegen, dass das Gericht den Strafcharakter der Einziehung erkannt hat und ob die Einziehung nach den gesamten Umständen als Ergänzung der Hauptstrafe zur Sühne des Unrechtsgehalts unter angemessener Berücksichtigung der übrigen Strafzwecke erforderlich ist (vgl. BGHSt 10, 337, 338; NJW 1983, 2710; vgl. auch Fischer, StGB, 63. Aufl., § 74b, Rn. 2 mwN).

11Das Tatgericht hat nach § 74b Abs. 1 StGB weiter zu prüfen, ob eine Einziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 (und § 74a) StGB zur Bedeutung der Tat und zum Vorwurf, der den Täter, Teilnehmer oder Dritteigentümer trifft, außer Verhältnis steht. Die Urteilsgründe müssen jedenfalls bei Einziehungsobjekten von einigem Belang, darunter fällt auch ein Grundstück von nicht unerheblichem Wert, erkennen lassen, dass die Abwägung stattgefunden hat (). Dabei sind insbesondere die wirtschaftlichen und sonstigen Auswirkungen der Einziehung (vgl. , BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafzumessung 1), der Wert und ggf. der Umstand teilweiser Vermietung des Grundstücks, sowie Dauer und Umfang der illegalen Nutzung der Immobilie zu berücksichtigen (vgl. Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 33 Rn. 60, 78a mwN). In den Fällen der Sicherungseinziehung gilt § 74b Abs. 1 StGB zwar nicht ausdrücklich, doch ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch hier zu beachten (vgl. Fischer, StGB, aaO, § 74b Rn. 3).

12Auch wenn die Einziehung nicht unverhältnismäßig im Sinne des § 74b Abs. 1 StGB ist, wird nach § 74b Abs. 2 StGB eine weniger einschneidende Maßnahme angeordnet, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Vorschrift zwingenden Charakter; ein Ermessen ist dem Tatrichter, der sich in den Urteilsgründen damit auseinander setzen muss, ob mildere Maßnahmen zur Zweckerreichung in Betracht kommen, nicht eröffnet (Senat, Beschluss vom – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71; , StraFo 2012, 509).

13bb) Die knappen Ausführungen der Strafkammer genügen diesen Anforderungen nicht.

14Die Urteilsgründe lassen zwar erkennen, dass das Landgericht sich bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen; ihnen lässt sich auch entnehmen, dass es die Einziehung im Sinne von § 74b Abs. 2 Nr. 1 StGB als nicht außer Verhältnis stehend zu dem Unrechtsgehalt der Tat und dem den Angeklagten treffenden Schuldvorwurf angesehen hat. Schließlich hat es auch festgestellt, dass weniger einschneidende Maßnahmen mit Blick auf den Zweck der Einziehung nicht ersichtlich gewesen seien (§ 74b Abs. 2 StGB). Dies allein versetzt aber das Revisionsgericht nicht in die Lage zu prüfen, ob die Einziehungsanordnung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

15Es lässt sich den Urteilsgründen schon nicht eindeutig entnehmen, von welchem Zweck der Einziehung die Strafkammer überhaupt ausgegangen ist. Einerseits stützt sich das Landgericht bei seiner Einziehung auf § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB, andererseits bezeichnet es die Maßnahme als „Sicherungseinziehung“, was auf eine Einziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB schließen lässt, und behandelt sie in diesem Zusammenhang – insoweit widersprüchlich – als Frage der Strafzumessung. Fehlt es damit schon an einer hinreichend klaren Einordnung der Maßnahme, lässt sich für das Revisionsgericht nicht nachvollziehen, ob das Landgericht eine dem jeweiligen Zweck der Einziehung entsprechende Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 74b Abs. 1 StGB bzw. § 74b Abs. 2 StGB vorgenommen hat. Dies kann regelmäßig auch nicht dahinstehen, weil die Reichweite der vorzunehmenden Prüfung je nach dem Zweck der Einziehung unterschiedlich sein kann (vgl. zu § 74b Abs. 2 StGB , NJW 1983, 2710).

16Selbst wenn man davon ausginge, dass die Strafkammer von einer strafähnlichen Einziehung ausgegangen wäre, erweisen sich die Ausführungen der Strafkammer als nicht hinreichend. So berücksichtigt das Landgericht im Rahmen seiner Prüfung nach § 74b Abs. 1 StGB nicht, dass der Grundstückserwerb des Angeklagten auf einem (ungesicherten) Darlehen der Mitangeklagten beruht und eine Einziehung des Grundstücks die Vermögensverhältnisse des ohnehin verschuldeten Angeklagten weiter verschlechtern. Diesen Umstand, der ggf. auch zu einem Ausfall der Rückzahlungsforderung führen kann, durfte das Landgericht bei seiner Entscheidung, ob die (strafähnliche) Einziehung zum Ausgleich des Unrechtsgehalts neben der Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der übrigen Strafzwecke erforderlich war, nicht außer Betracht lassen.

17Im Rahmen der Prüfung des § 74b Abs. 2 StGB hat die Strafkammer in ihren knappen, lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholenden Ausführungen nicht erkennbar erwogen, ob tatsächlich weniger einschneidende Erwägungen in Betracht zu ziehen sind. Hier wären mit Blick auf den erheblichen Wert des Grundstücks und die Vermögensverhältnisse des Angeklagten zumindest – und zwar insbesondere, wenn das Landgericht von einer Sicherungseinziehung ausgegangen (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71; ), aber auch dann, wenn für das Landgericht der Strafzweck der Einziehung maßgeblich gewesen wäre (vgl. Volkmer in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 33 Rn. 78a; Krug in FD-StrafR 2012, 335699) – der Vorbehalt der Einziehung des dem Angeklagten gehörenden Grundstücks, verbunden mit Anweisungen, am Grundstück die zum Zwecke der Errichtung einer Marihuanaplantage angebrachten Gegenstände zu beseitigen und/oder das Grundstück unverzüglich zu veräußern (§ 74b Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2, 3 StGB), zu erörtern gewesen. Dass das Landgericht diese naheliegende Möglichkeit gesehen und erwogen hat, ergeben die Urteilsgründe hingegen nicht.

18cc) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Entscheidung über die Einziehung des Grundstücks auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht, und hebt sie deshalb zusammen mit den zugehörigen Feststellungen auf. Dies gibt dem Tatrichter Gelegenheit, nach entsprechender Bestimmung des mit einer möglichen Einziehung verfolgten Zwecks ohne Bindung an bestehende Feststellungen die erforderlichen Prüfungen nach § 74b Abs. 1 und 2 StGB vorzunehmen.

19c) Die Aufhebung der Einziehungsentscheidung zieht den Wegfall des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann letztlich nicht ausschließen, dass der neue Tatrichter den finanziellen Verlust durch eine mögliche Einziehung des Grundstücks nach der neu vorzunehmenden Prüfung höher einschätzen könnte, als der vorangegangene Tatrichter und deshalb mit Blick auf eine mögliche strafähnliche Einziehung dessen an sich nicht schuldunangemessene Freiheitsstrafe reduzieren möchte. Der Aufhebung von Feststellungen zum Strafausspruch bedarf es insoweit aber nicht.

Krehl                        Eschelbach                        Ott

                 Zeng                              Bartel

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:310316B2STR243.15.0

Fundstelle(n):
AAAAF-73366