BGH Beschluss v. - VI ZR 549/14

Instanzenzug:

Gründe

I.

1Die Ehegatten Dres. W. I. GbR, deren einzige Gesellschafter die Klägerin und ihr Ehemann waren, erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom von der Beklagten zu 1 ein Anwesen in M. zu einem Kaufpreis von 5,75 Mio. €, den sie zunächst nur teilweise bezahlte. Die Beklagten zu 3 bis 5 sind von der Beklagten zu 1 als Rechtsbeistand für einen Rechtsstreit mandatiert worden, in dem die Klägerin, ihr Ehemann und die Ehegatten Dres. W. I. GbR vom Landgericht M. schließlich verurteilt wurden, an die Beklagte zu 1 den Restkaufpreis in Höhe von 1,6 Mio. € zu bezahlen. Der Beklagte zu 2 hat als Rechtsbeistand der Beklagten zu 1 Vollstreckungsmaßnahmen für die Beklagte zu 1 gegen die Klägerin, deren Ehemann und die Ehegatten Dres. W. I. GbR betrieben. Grundlagen der Vollstreckungsmaßnahmen waren insbesondere das genannte, für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des Landgerichts M. sowie die notarielle Kaufvertragsurkunde.

2Die Klägerin hält die von der Beklagten zu 1 veranlassten Vollstreckungsmaßnahmen für rechtswidrig. Sie ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts M. sei durch wahrheitswidrigen Sachvortrag erschlichen worden. Die Klägerin sieht sich beim Erwerb des Anwesens von der Beklagten zu 1 arglistig getäuscht, da der Sohn der Beklagten zu 1 im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf die Frage des Ehemanns der Klägerin nach den Mietflächen des Anwesens Flächenangaben übermittelt habe, die auch unvermietete Geschossflächen beinhaltet hätten. Mit ihrer Klage macht die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht angebliche Schäden aufgrund der von der Beklagten zu 1 veranlassten Vollstreckungsmaßnahmen geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die von der Klägerin dagegen geführte Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen führt die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde.

3In einem Parallelrechtsstreit hatten die Klägerin und ihr Ehemann den Sohn der hiesigen Beklagten zu 1 wegen der von ihm angeblich begangenen arglistigen Täuschung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Auch hier war die Klage abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin und ihres Ehemannes vom Oberlandesgericht M. zurückgewiesen worden. Die dagegen geführte Nichtzulassungsbeschwerde hatte vor dem erkennenden Senat keinen Erfolg.

4Die geschäftsverteilungsplanmäßig zur Mitwirkung im vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren berufene Richterin M. hat gemäß § 48 ZPO angezeigt, an der Berufungsentscheidung im Parallelverfahren als Berichterstatterin mitgewirkt zu haben. Die Parteien wurden dazu angehört. Die Beklagten haben mitgeteilt, eine Befangenheit ergebe sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt nicht. Die Klägerin hat angeregt, die Besorgnis der Befangenheit für begründet zu erklären. Es liege eine "teilweise sogenannte atypische Vorbefassung" vor, die vorliegend deshalb zur Besorgnis der Befangenheit der Richterin M. führe, weil das Berufungsurteil im Parallelverfahren, an dem sie mitgewirkt habe, erheblichen verfahrensrechtlichen Einwänden begegne.

II.

5Die Selbstablehnung ist unbegründet. Der angezeigte Umstand ist nicht geeignet, die Ablehnung der Richterin zu rechtfertigen (§ 48 ZPO).

61. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Senatsbeschlüsse vom - VI ZR 54/07 Rn. 4, [...]; vom - VI ZA 8/02, NJW-RR 2003, 281; , NJW 2016, 1022 Rn. 9; jeweils mwN). Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt der betroffenen Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber (, aaO).

72. Ein solcher Grund liegt im Streitfall nicht vor.

8a) So kann die Besorgnis der Befangenheit der Richterin M. zunächst nicht allein dem Umstand entnommen werden, dass sie mit dem dem Streitfall zugrundeliegenden Lebenssachverhalt bereits im Parallelverfahren beim Oberlandesgericht M. befasst war. Ob und inwieweit sich die vom erkennenden Senat im vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu beurteilenden Fragen mit den vom Berufungsgericht im Parallelverfahren beantworteten Fragen decken und damit überhaupt von einer Vorbefassung im eigentlichen Sinne ausgegangen werden kann, kann dabei offen bleiben. Denn auch dem vorbefassten Richter ist grundsätzlich zuzutrauen, dass er den neuen Fall ausschließlich nach sachlichen Kriterien beurteilt, weshalb eine Vorbefassung, die - wie hier - nicht zu einem Ausschluss des Richters gemäß § 41 Nr. 4 bis Nr. 8 ZPO führt, in der Regel nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 65/13, VersR 2015, 1315 Rn. 12; vom - V ZB 175/11, MDR 2012, 363 Rn. 2; vom - II ZB 2/10, NJW 2011, 1358 Rn. 24; vom - AnwZ(B) 64/06, AnwZ(B) 73/06, AnwZ(B) 79/06 Rn. 14, [...]; Stein/Jonas/Bork, 23. Aufl., § 42 Rn. 12; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 42 Rn. 27 f.). Dies gilt sowohl für den Fall der typischen als auch für den Fall der atypischen Vorbefassung als Richter (vgl. , aaO).

9b) Besondere Umstände, aufgrund derer sich im Streitfall anderes ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche Umstände weder aus den von der Klägerin in Bezug auf die Berufungsentscheidung im Parallelverfahren behaupteten Gehörsverstößen noch aus ihrer Behauptung, im Parallelverfahren habe das Berufungsgericht ihren Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren verletzt. Denn eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte vorangegangene Entscheidung rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht ( AnwZ(B) 64/06, AnwZ(B) 73/06, AnwZ(B) 79/06, [...] Rn. 15). Dass das prozessuale Vorgehen des Berufungsgerichts im Parallelverfahren einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt hätte, dass sich für die betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufgedrängt hätte (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., § 42 Rn. 24), kann offensichtlich nicht angenommen werden.

Fundstelle(n):
UAAAF-72973