BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 61/15, AnwZ (B) 2/16

Richterablehnung im anwaltgerichtlichen Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung des Gerichts

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 42 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 19/15 Urteilnachgehend Az: AnwZ (Brfg) 61/15 Beschlussnachgehend Az: AnwZ (Brfg) 61/15 Beschlussnachgehend Az: AnwZ (Brfg) 61/15 Beschluss

Gründe

I.

11. Die Klägerin beantragt die Zulassung der Berufung gegen das den Widerruf ihrer Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls bestätigende Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Darüber hinaus wendet sie sich mit der sofortigen Beschwerde zum einen gegen die vom Anwaltsgerichtshof vorgenommene Verwerfung ihres gegen die dort erkennenden Richter gerichteten Ablehnungsgesuchs und zum anderen gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.

22. Der Senat hat der Klägerin auf deren Bitte hin mitgeteilt, in welcher Besetzung er entscheiden wird. Daraufhin hat die Klägerin den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. K.    , den Richter am Bundesgerichtshof Dr. R.      und die anwaltliche Beisitzerin Rechtsanwältin S.     wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II.

3Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, aber unbegründet.

41. Nach der gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 5; vom - AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; vom - AnwZ (Brfg) 60/13, juris Rn. 4; BVerfG, NJW 2012, 3228; jeweils mwN).

52. Nach diesen Maßstäben liegen Ablehnungsgründe hier nicht vor.

6a) Die Klägerin meint, eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. K.     und des Richters am Bundesgerichtshof Dr. R.      ergebe sich aus deren Mitwirkung an dem in einem anderen Verfahren der Parteien ergangenen Senatsbeschluss vom (AnwZ        , juris). Die Klägerin hält diesen Beschluss, durch den der Senat ihren dortigen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein ihre Pflicht zur Zahlung rückständiger Kammerbeiträge bestätigendes Urteil des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen abgelehnt hat, für willkürlich, da dieser Beschluss innerhalb der noch laufenden Antragsbegründungsfrist ergangen sei.

7Dieses Vorbringen vermag der Klägerin indes bei vernünftiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass zu geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der genannten Richter zu zweifeln.

8Eine Vorbefassung des abgelehnten Richters mit einem früheren - hier zudem einen anderen Sachverhalt betreffenden - Verfahren der Prozessparteien ist als solche regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (B) 4/07, juris Rn. 7; vom - AnwZ (Brfg) 51/12, juris Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom  - 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 Rn. 12; vom - IX ZB 65/13, NJW-RR 2015, 444 Rn. 12; vom - VI ZR 549/14, juris Rn. 8; BAG, NJW 1993, 879; MünchKommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 42 Rn. 14 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 42 Rn. 15; jeweils mwN). Derartige Umstände zeigt die Klägerin weder auf noch sind diese sonst ersichtlich.

9Soweit die Klägerin meint, einen solchen Umstand aus einem vermeintlich zu frühen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats im Verfahren AnwZ          über ihren dortigen Antrag auf Zulassung der Berufung herleiten zu können, verkennt sie bereits im Ausgangspunkt, dass das Ablehnungsverfahren - vom hier offensichtlich nicht gegebenen Ausnahmefall des Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) abgesehen - nicht dazu dient, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (B) 13/10, aaO Rn. 7; vom - AnwZ (Brfg) 51/12, juris Rn. 9; vom  - AnwZ (Brfg) 51/12, aaO; , aaO; jeweils mwN). Im Übrigen steht der von der Klägerin vertretenen Auffassung bereits ihr eigenes Vorbringen entgegen. Denn der Senat hat in dem im Ablehnungsgesuch angeführten Beschluss vom - mithin nach dem von der Klägerin für richtig erachteten Zeitpunkt - auf eine Anhörungsrüge das Vorbringen der Klägerin nochmals umfassend gewürdigt und die Richtigkeit seiner im Beschluss vom vorgenommenen Beurteilung bestätigt.

10Soweit die Klägerin zudem geltend macht, die beiden abgelehnten Richter hätten eine "ganz besondere Nähe" zum Bundesland N.         und insbesondere zu K.    und H.     , ist diese pauschale - wohl auf den Wohnsitz oder den Ort einer früheren richterlichen Tätigkeit der abgelehnten Richter sowie auf den Kammerbezirk der Beklagten zielende - Erwägung bei vernünftiger Würdigung aus der Sicht der ablehnenden Partei bereits im Ansatz nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

11b) Das Ablehnungsgesuch bleibt schließlich auch hinsichtlich der anwaltlichen Beisitzerin Rechtsanwältin S.     ohne Erfolg. Die Klägerin meint, eine Besorgnis der Befangenheit dieser Richterin ergebe sich aus dem Umstand, dass deren Rechtsanwaltskanzlei Dr. von P.      und S.     in einem früheren Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der St.        Immobilien-Verwaltungs-GmbH letztere im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (Aktenzeichen   ZR    ) als Prozessbevollmächtigte vertreten habe. Dieses Vorbringen greift nicht durch. Es begründet weder einen Ausschluss der Richterin von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes (§ 42 Abs. 1 Halbs. 1, § 41 ZPO) noch rechtfertigt es aus der Sicht der Klägerin bei vernünftiger Würdigung eine Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 2 ZPO).

12aa) Gemäß § 41 Nr. 4 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Ausschlussgrund nur dann gegeben ist, wenn es sich um eine Tätigkeit in demselben Verfahren handelt. Denn jedenfalls erfordert das Tatbestandmerkmal der "Sache" im Sinne des § 41 Nr. 4 ZPO eine Identität des Streitgegenstandes (vgl. BAG, NJW 2013, 1180 Rn. 15; 20 ZB 14.339, juris Rn. 3; MünchKommZPO/ Gehrlein, 4. Aufl., § 41 Rn. 19; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 13. Aufl., § 41 Rn. 11; vgl. auch BSGE 78, 175, 179; 82, 150, 152; jeweils mwN). Daran fehlt es hier. Der von der Klägerin angeführte frühere Rechtsstreit hatte - selbst wenn er, wie die Klägerin vorbringt, Auswirkungen auf einen Teil ihrer Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gehabt haben sollte - einen anderen Streitgegenstand als der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Widerruf der Rechtsanwaltszulassung der Klägerin wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

13bb) Der im Ablehnungsgesuch gegen die Mitwirkung der anwaltlichen Beisitzerin Rechtsanwältin S.     angeführte oben genannte Umstand rechtfertigt aus der Sicht der Klägerin bei vernünftiger Würdigung auch nicht eine Besorgnis der Befangenheit dieser Richterin (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 2 ZPO). Dies folgt bereits daraus, dass es im vorliegenden Verfahren - anders als von der Klägerin letztlich erstrebt - nicht um eine erneute Beurteilung der den Eintragungen der Klägerin im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegenden Verfahren geht, sondern darum, ob sich die Klägerin zum maßgeblichen (späteren) Zeitpunkt des Widerrufs ihrer Rechtsanwaltszulassung in Vermögensverfall befunden hat und insbesondere ob ihr eine Widerlegung der mit den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis verbundenen gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO) gelungen ist. Bei vernünftiger Würdigung ist daher aus Sicht der Klägerin kein Grund für eine Besorgnis ersichtlich, Rechtsanwältin S.     könnte diesen neuen Fall als Richterin des erkennenden Senats nicht ausschließlich nach sachlichen Kriterien objektiv und unvoreingenommen beurteilen (vgl. , aaO).

143. Der Senat kann über das Ablehnungsgesuch ohne dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten Richter entscheiden, weil sich die geltend gemachten Ablehnungsgründe sämtlich auf aktenkundige Vorgänge beziehen. Unter solchen Umständen könnte eine dienstliche Erklärung zur Sachaufklärung nichts beitragen und ist daher entbehrlich (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (B) 13/10, aaO Rn. 19; vom - AnwZ (Brfg) 60/13, aaO Rn. 8; jeweils mwN; MünchKommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 44 Rn. 9).

Limperg                          Seiters                      Bünger

                    Lauer                          Wolf

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:200916BANWZ.BRFG.61.15.0

Fundstelle(n):
FAAAF-84065