BGH Beschluss v. - IV ZR 308/13

Instanzenzug:

Gründe

1I. Die Klägerin fordert von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des mit einem Haftungsanteil von 15% führenden Versicherers einer Kühlgut-Sachversicherung weitere Versicherungsleistungen wegen Aufräumungs-, Abfuhr- und Vernichtungskosten für bei dem Brand eines ihrer Kühlhäuser am 17. August 2007 unbrauchbar gewordenes Kühlgut. Dem Versicherungsvertrag, zu dem auch eine im Streitfall nicht beanspruchte Haftpflichtversicherung gehört, liegen nach den von der Streithelferin der Klägerin als deren Versicherungsmaklerin verfassten Besonderen Geschriebenen Bedingungen (GB) modifizierte Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Kühlgütern in der Fassung von 2004 (ABKühl 2004) und die DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000 (DTV Güter 2000) zugrunde.

2Nach Nr. 2.2.2 der im Versicherungsschein festgehaltenen Allgemeinen Bestimmungen beträgt die Leistungsgrenze der Versicherer je Schadensfall zusammen mit der Kühlgut-Haftpflichtversicherungspolice für Lagerrisiken in dem später brandgeschädigten Kühlhaus 7.000.000 €.

3Der Sachversicherungsschutz umfasst nach § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 auch Aufräumungs-, Abfuhr- und Vernichtungskosten (im Folgenden: Entsorgungskosten), soweit diese bei einem versicherten Schadenereignis (hier einem Brand nach § 2 Nr. 2 Buchst. a ABKühl 2004) für die Bergung und Fortschaffung der versicherten Waren notwendig sind. Hier zu bestimmt § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 im letzten Satz:

4"Die Entschädigung ist jedoch auf insgesamt 5% des Höchsthaftungsbetrages begrenzt".

5§ 5 Nr. 1 ABKühl 2004 sieht vor, dass die Versicherungssumme dem Versicherungswert entsprechen soll. Nach § 5 Nr. 2 ABKühl 2004 gilt als Versicherungssumme der Betrag, der in der jeweils letzten Warenanmeldung der Versicherungsnehmerin für den betreffenden Warenposten angegeben ist.

6Die Höhe der der Klägerin entstandenen Entsorgungskosten sowie die Haftungsquote der Beklagten sind in der Revisionsinstanz nicht mehr im Streit.

7Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich die Haftungsbegrenzung für Entsorgungsmaßnahmen in § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 auf 5% des Haftungshöchstbetrages nach dem Wert des zur Zeit des Versicherungsfalles angemeldeten Warenbestandes bemisst. Dementsprechend haben die Versicherer die Entsorgungskosten vorgerichtlich mit 31.910,55 € reguliert.

8II. Das Landgericht ist dem in erster Instanz gefolgt und hat lediglich 5% des Warenschadens als erstattungsfähigen Entsorgungsschaden angesehen. Abzüglich der vorgerichtlichen Leistung des Konsortiums hat es einen verbleibenden Erstattungsbetrag von 2.017,25 € errechnet und der Klägerin unter Klageabweisung im Übrigen entsprechend der Haftungsquote der Beklagten 15% davon (302,59 €) zugesprochen.

9Im Berufungsverfahren hat die Klägerin weitere 45.914,36 € gefordert, welche sich - rechnerisch im Revisionsverfahren unstreitig - (unter Berücksichtigung der Haftungsquote der Beklagten von 15%) daraus ergeben, dass nach Meinung der Klägerin der Haftungshöchstbetrag im Sinne von § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 die in der Versicherungspolice genannte Leistungsgrenze von 7.000.000 € sei, so dass die Erstattung von Entsorgungskosten auf einen Betrag von maximal 350.000 € begrenzt werde.

10Das Berufungsgericht hat sich dieser Auslegung des § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 angeschlossen und der Klägerin mit Blick auf die Entsorgungskosten weitere 45.914,36 € nebst Zinsen zugesprochen. Es hat dazu ausgeführt, die Regelung in § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 sei eindeutig. Der Höchstbetrag sei in § 2 ABKühl 2004 einleitend als der im Einzelfall vereinbarte Höchstbetrag genannt. Gemeint sei die in Nr. 2.2.2 der Police vereinbarte Leistungsgrenze für die Sach- und Haftpflichtversicherung. Hingegen fehle es an einer Bezugnahme auf einen konkreten Warenschaden oder den Umfang der zuletzt deklarierten Güter. Daraus folge, dass maßgebliche Bezugsgröße nur die in der Police vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 7.000.000 € sein könne. Weder die Regelung in § 5 ABKühl 2004 noch die erkennbare Interessenlage der Vertragsparteien stehe diesem Auslegungsergebnis entgegen.

11Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

12III. Der Senat beabsichtigt, die Revision nach § 552a ZPO zurückzuweisen, weil - anders als das Berufungsgericht angenommen hat Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind (dazu 1) und das Rechtsmittel auch keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu 2).

131. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die hier in Rede stehende Auslegung der ABKühl 2004 für eine Vielzahl vergleichbarer Verträge Bedeutung haben könne. Mit dieser nicht durch weitere Feststellungen gestützten Annahme ist ein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO aber nicht belegt.

14a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen (vgl. , BGHZ 159, 135, 137 m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist dann klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist (vgl. dazu BGH aaO.). Für die hier in Streit stehende Auslegung des § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 ist eine solche rechtliche Diskussion nicht ersichtlich. Ebenso wenig lässt sich erkennen, dass dieser Auslegung bereits wegen ihres Gewichts für die beteiligten Verkehrskreise grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. dazu , WM 2004, 491). Dafür genügt es nicht, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung in Rede steht, weil dies allein noch nicht die Erwartung rechtfertigt, dass sich die Frage der Auslegung des § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 in einer Vielzahl von Fällen stellen kann. Zum einen weist der Streitfall die Besonderheit auf, dass die von den Parteien aufgeworfene Auslegungsfrage aus dem Zusammentreffen des § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 mit der in der Police individuell vereinbarten Leistungsgrenze entsteht, zum anderen sind die Vertragsbedingungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier von der Streithelferin der Klägerin vorgegeben und dabei die ABKühl 2004 zum Teil modifiziert worden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass eine identische Vertrags- und Bedingungslage in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle existiert.

15b) Dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revisionszulassung erforderten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), hat das Berufungsgericht nicht angenommen. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

162. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg, weil das Berufungsgericht § 2 Nr. 4 ABKühl unter Beachtung der vom Senat in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen (vgl. nur , BGHZ 153, 182, 185 f.; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85) zutreffend ausgelegt hat.

17a) Soweit die Revision aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht den Begriff des Höchsthaftungsbetrages einmal in Anführungszeichen gesetzt hat, folgern will, es habe den Begriff entgegen seiner eigenen Darstellung nicht für eindeutig gehalten, deckt dies keinen Widerspruch auf. Ersichtlich wollte das Berufungsgericht mit dieser Kennzeichnung - wie der Zusammenhang seiner diesbezüglichen Ausführungen ergibt - lediglich den für seine Auslegung maßgeblichen Begriff aus dem Bedingungswortlaut des § 2 Nr. 4 ABKühl hervorheben.

18b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision weiter, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Bedingungsauslegung zu Unrecht einem außerhalb des Regelungswerkes stehenden Umstand den Vorzug gegeben und dabei verkannt, dass die ABKühl 2004 in § 5 Nr. 1 Satz 1 selbst eine Definition des maßgeblichen Höchsthaftungsbetrages enthielten. Die Rüge verkennt, dass sich § 5 ABKühl 2004 zum Versicherungswert, der Versicherungssumme, der Entschädigungsberechnung und zur Unterversicherung verhält und dabei selbst zwischen diesen Begriffen und den "im Versicherungsschein angegebenen Haftungsgrenzen" unterscheidet. § 5 Nr. 1 ABKühl 2004 erläutert unter den Buchstaben a bis c verschiedene dem Versicherungsnehmer wahlweise eröffnete Möglichkeiten zur Bestimmung der Versicherungssumme, welche - wie es im abschließenden Absatz heißt - innerhalb der im Versicherungsschein angegebenen Haftungsgrenzen pro Schadensereignis zugrunde zu legen sind. Das belegt, dass die ABKühl 2004 in § 5 keine bedingungsimmanenten Haftungshöchstgrenzen definieren, sondern dafür ihrerseits auf die im Versicherungsschein festgelegte Haftungsgrenzen zurückgreifen. Es ist deshalb nicht rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht annimmt, auch § 2 Nr. 4 ABKühl, welcher die Entschädigung für Entsorgungskosten nicht bezogen auf die Versicherungssumme im Sinne von § 5 ABKühl 2004, sondern den Höchsthaftungsbetrag begrenzt, greife mit diesem Begriff auf die im Versicherungsschein bestimmte Haftungsgrenze zurück.

19Soweit die Revision ein anderes Ergebnis daraus ableiten will, dass der allgemeine Sprachgebrauch eine Versicherungssumme mit dem durch die Versicherung im Höchstfall abgedeckten Betrag gleichsetze, geht dies schon deshalb fehl, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer jedenfalls bei Lektüre des hier allein maßgeblichen Bedingungswerkes erkennt, dass dort zwischen Versicherungswert und Haftungsgrenzen unter Verwendung verschiedener Formulierungen für letztere streng unterschieden wird. Die Lektüre des § 5 ABKühl 2004 führt ihm zudem - wie auch die Revision erkennt - vor Augen, dass sich die Versicherungssumme dynamisch dem Wert der jeweils eingelagerten Güter anpasst, während die in der Versicherungspolice festgeschriebenen Leistungsgrenzen statisch im Sinne einer absoluten Haftungshöchstgrenze sind, die - wie § 5 letzter Halbsatz ABKühl 2004 belegt - auch dann gilt, wenn der Versicherungswert der geschützten Güter einmal höher liegt. Anders als die Revision meint, wird der Versicherungsnehmer aus dieser Terminologie folgern, dass der Höchsthaftungsbetrag, der in § 2 Nr. 4 ABKühl auch nicht mit dem Attribut "jeweilig" versehen ist, die statische Haftungsgrenze aus der Versicherungspolice bezeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass § 5 ABKühl 2004 eine "sachnähere" Regelung des Haftungshöchstbetrages enthalte, gibt der Bedingungswortlaut nicht.

20c) Die vom Berufungsgericht gefundene Auslegung erweist sich auch nicht deshalb als unrichtig, weil die in der Versicherungspolice festgeschriebene Leistungsgrenze einheitlich für Versicherungsleistungen der Sach- und der Haftpflichtversicherung gilt. Das Berufungsgericht hat sich über diesen Umstand nicht hinweggesetzt, sondern zutreffend ausgeführt, dass die Haftpflichtversicherung im Streitfall nicht betroffen war. Dem ist zu entnehmen, dass das Berufungsgericht davon ausgeht, in einem solchen Falle begrenze die Police allein die Sachversicherungsleistung. Das ist Folge der für zwei Versicherungen einheitlich festgelegten Leistungsbegrenzung.

21d) Soweit die Beklagte - von der Streithelferin bestritten - behauptet hat, es sei allgemein branchenüblich, die Entsorgungskosten nach dem zu entschädigenden Warenwert zu bemessen, brauchte das Berufungsgericht dem nicht näher nachzugehen, weil eine solche Regelung im Bedingungswortlaut keine Stütze findet. Die Revision zeigt im Übrigen nicht auf, dass die Beklagte diesbezüglich Beweis angetreten hat.

22e) Anders als die Revision meint, ist die im Anhang I zur Police enthaltene "Prämientabelle zur Kühlgut-Versicherung" auf die Auslegung des Begriffes Höchsthaftungsbetrag in § 2 Nr. 4 ABKühl 2004 ohne Einfluss. Weder § 2 noch § 5 ABKühl 2004 nehmen auf diese Prämientabelle Bezug, in welcher lediglich Prämiensätze - unter anderem für eigene Ware der Versicherungsnehmerin - geregelt sind. Es wird festgehalten, dass die Prämie für eigene Ware bis zu einem Maximalbestand im Werte von 2.500.000 € an den versicherten Orten als Festprämie zu einem Satz von 0,45‰ kalkuliert und der Monatsfestprämie von 900 € ein Durchschnittslagerbestand im Werte von 2.000.000 € zugrunde gelegt ist. Wollte die Beklagte die maximale Entschädigungsleistung für Entsorgungskosten von dieser Prämienkalkulation abhängig machen, wäre es ihre Aufgabe gewesen, dies der Versicherungsnehmerin in transparenter Weise offenzulegen. Das ist nicht geschehen.

23f) Angesichts des vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei gefundenen eindeutigen Auslegungsergebnisses kommt es auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB und die Frage, wer sich im Streitfall auf diese berufen kann, nicht an.

Fundstelle(n):
GAAAF-71945