Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung durch Schwächung der (Berichts-)Freiheit?
Unter dem verheißungsvollen Etikett eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten hat das BMJV am den Referentenentwurf des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (CSR-RefE) veröffentlicht. Dieses soll vor allem – aber nicht nur – kapitalmarktorientierte Unternehmen gem. § 289c HGB-E zur Erstellung einer nichtfinanziellen Erklärung über Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange sowie über Aspekte der Achtung der Menschenrechte und der Bekämpfung von Korruption zwingen (oder wohlklingender: „verpflichten“). Glücklicherweise ist über solche Aspekte nur zu berichten, „wenn angebracht“. Zur Berichterstattung besteht also keine „Verpflichtung“, wenn „nicht angebracht“. Die richtlinieninstruierten Inhalte könnten aber noch um Verbraucherbelange erweitert werden, denn im BMJV wird bekanntlich das „V“ in beiden Sinnen groß geschrieben (vgl. Haaker, PiR 2016 S. 118). Zwar sieht man laut Begleitschreiben zum Referentenentwurf die Belange von Kunden in einer Marktwirtschaft als hinreichend berücksichtigt an, nicht aber die Belange der Verbraucher, die bemerkenswerterweise den Endkunden gleichgesetzt werden. Endkunden gehören nach dieser Logik also nicht zu den Kunden. Doch gilt nach Milton Friedman: „The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits“. Das Gewinnstreben macht also den Endkunden hinsichtlich seiner Belange zum sprichwörtlichen König, weshalb hier eine „1-zu-1“-Umsetzung der CSR-Richtlinie ausreichen sollte.
Was hat der Bericht über die genannten Belange mit deren Berücksichtigung im Rahmen der erwerbswirtschaftlichen Unternehmertätigkeit zu tun? Sehr viel! Der § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB-E verlangt nämlich eine „Beschreibung der von der Kapitalgesellschaft verfolgten Konzepte“. Wird für einen der Belange kein Konzept verfolgt, ist dies laut Abs. 4 „in der nichtfinanziellen Erklärung klar und begründet zu erläutern“ („comply or explain“). Durch diesen „sanften Zwang“ soll das Unternehmen im vermeintlichen Gemeinwohlinteresse zu politisch korrektem Verhalten „genudge“ werden, wie das Gesetzesziel zeigt: „Durch die neuen Vorgaben für die Berichterstattung kann mittelbar auch das Handeln der Unternehmen beeinflusst und ein Anreiz geschaffen werden, nichtfinanziellen Belangen und damit verbundenen Risiken, Konzepten und Prozessen stärkeres Gewicht in der Unternehmensführung beizumessen“ (CSR-RefE, S. 28). Es geht darum, „Unternehmen über den Weg der Berichterstattung stärker dazu zu bewegen, ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung zu erkennen und wahrzunehmen“ (S. 42). (Berichts-)Freiheit besteht hier nicht wirklich und „Verantwortung“ ist ein auslegungsoffener Maßstab.
Und wo bleibt das Gute? Wenigstens besteht für die nichtfinanzielle Erklärung Flexibilität des Berichtsformats durch Aussonderung vom „richtigen“ Lagebericht und keine inhaltliche Prüfungspflicht. Auch wird die Wesentlichkeit nicht aufgrund der Gesellschaftsorientierung des CSR-Reporting zum „kontraindizierten“ Beurteilungsrahmen der nichtfinanziellen Information (so Haaker/Gahlen, StuB 2015 S. 666 NWB BAAAF-01399), denn auch der CSR-Bericht steht unter dem Vorbehalt, „dass die Funktion der Rechnungslegung erhalten bleibt“, indem „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens sowie einer Entwicklung mit Blick auf Chancen und Risiken zu vermitteln“ ist (CSR-RefE, S. 1). Wenigstens das!
Andreas Haaker
Fundstelle(n):
StuB 7/2016 Seite 1
LAAAF-70205