Online-Nachricht - Montag, 12.03.2012

Gewerbesteuer | Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten verfassungswidrig? (FG)

Das FG Hamburg hält die ab dem Jahr 2008 wesentlich geänderte gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig und hat das BVerfG zur Klärung der Frage angerufen ().


Sachverhalt: Im Streitfall pachtete die Klägerin die für ihren Tankstellenbetrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter. Die Pachtzinsen wurden im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben berücksichtigt und minderten den zu versteuernden Gewinn. Anders jedoch bei der Gewerbesteuer, wo Beträge dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden, um die Gewerbesteuer zu berechnen. Der 1. Senat hält die Vorschriften über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1GG) für verfassungswidrig.

Hierzu führten die Richter des FG Hamburg weiter aus: Der allgemeine Gleichheitssatz fordert eine gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, die unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 GG) zu bestimmen ist. Erwirtschaftet der Gewerbetreibende mit seinem Betrieb einen Ertrag und wird dieser besteuert, ohne Aufwendungen - wie etwa im Streitfall die Pachtzinsen - zu berücksichtigen, ist das sogenannte Ist-Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt. Diese Verletzung könnte zwar gerechtfertigt sein. Auch könnte eine Besteuerung der bloßen Soll-Leistungsfähigkeit bzw. des Eigentumsbestandes möglich sein. Voraussetzung sind allerdings Rechtfertigungsgründe, die dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip mindestens gleichrangig sind. Der 1. Senat hält die bisher angenommenen Rechtfertigungsgründe (z.B. Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer, Äquivalenzprinzip, Gleichstellung des Fremdkapitaleinsatzes mit dem Eigenkapitaleinsatz) für unzureichend. Gleiches gilt für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen. Die 2008 in Kraft getretene Regelung, nach der die Gewerbesteuer selbst keine bei der Gewinnermittlung abziehbare Betriebsausgabe mehr ist, hält der 1. Senat hingegen trotz verfassungsrechtlicher Zweifel für anwendbar.



Quelle: FG Hamburg, Pressemitteilung v.


 

Fundstelle(n):
NWB UAAAF-43644