Suchen Barrierefrei
Online-Nachricht - Montag, 07.06.2010

Sozialrecht | Vertragsänderung bei Unfallversicherung für 300.000 Gastwirte unwirksam? (SG)

Ohne ausdrücklichen Antrag des Versicherten kann eine berufsgenossenschaftliche Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle vom Versicherer nicht auf eine „freiwillige“ Versicherung mit deutlich höherem Jahresbeitrag umgestellt werden (SG Aachen, Urteil v. - S 1 U 85/09).


Sachverhalt: Geklagt hatte der Pächter einer kleinen einem Sportverein angegliederten Gaststätte, der 4-5 Stunden wöchentlich dort alleine den Ausschank betreibt. Bislang war er bei der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten gegen Arbeitsunfall und Berufskrankheit pflichtversichert und hatte den Mindest-Jahresbeitrag von 50 € zu zahlen. Ab dem sah die Satzung keine Pflichtversicherung der Unternehmer mehr vor. Die Pflichtversicherung werde automatisch in eine freiwillige Versicherung umgewandelt, teilte die BG dem Kleinstunternehmer Ende 2007 per Formularschreiben mit. Anderenfalls müsse er schriftlich widersprechen. Der Pächter kümmerte sich nicht weiter um die Angelegenheit. Ein Jahr später forderte die BG von ihm rückwirkend einen Jahresbeitrag von mehr als 550 € für seine freiwillige Versicherung. Auf diese Weise sind mehr als 300.000 Gaststättenbetreiber durch Schweigen in die "freiwillige" Versicherung "überführt" worden, wie der Vertreter der Beklagten in der Gerichtsverhandlung einräumte. Die enorme Erhöhung des Beitrags lag an der mit der neuen Satzung einhergehenden Erhöhung der Mindestversicherungssumme von 2.000 Euro auf 24.000 Euro.

Dazu führt das Gericht weiter aus: Für diese Praxis fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Weder die geänderte Versicherungssatzung der Berufsgenossenschaft, noch das einschlägige Gesetzesrecht ermächtigt hierzu. Für die Begründung eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses ist zwingend ein Antrag des Versicherten zu fordern. Die von der Berufsgenossenschaft praktizierte Vorgehensweise, nur bei Widerspruch der bislang Pflichtversicherten von einer freiwilligen Versicherung abzusehen, genügt den gesetzlichen Vorgaben nicht.

Das Urteil kann mit der Berufung zum LSG für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen angefochten werden.

Quelle: NRW justiz-online

 

Fundstelle(n):
FAAAF-15075