Einkommensteuer | Ermäßigte Besteuerung einer Abfindung (BFH)
Die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Teilbeträgen steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnahmsweise nicht entgegen, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist. Eine Nebenleistung kann unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Der Kläger war knapp 40 Jahre bei demselben Arbeitgeber angestellt. Sein Bruttoarbeitslohn betrug zuletzt ca. 34.500 EUR. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum . Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt der Kläger eine betriebliche Abfindung in Höhe von 104.800 EUR sowie eine Tarifabfindung in Höhe von 10.200 EUR. Die Tarifabfindung floss dem Kläger im Jahr 2010 zu und wurde voll besteuert. Der Bruttoarbeitslohn belief sich einschließlich der Tarifermäßigung im Jahr 2010 auf ca. 44.300 EUR. Die betriebliche Abfindung floss dem Kläger im Streitjahr 2011 zu. Der Arbeitgeber führte die Lohnsteuer ohne Berücksichtigung der Tarifermäßigung ab. In seiner Einkommensteuererklärung 2011 machte der Kläger geltend, die betriebliche Abfindung sei als Entschädigung für entgangene Einnahmen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Das Finanzamt unterwarf die betriebliche Abfindung dagegen dem vollen Steuersatz. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Hierzu führten die Richter weiter aus:
Grundsätzlich steht die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Veranlagungszeiträumen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegen, da Teilauszahlungen stets eine Progressionsmilderung bewirken.
Davon abweichend kann eine Teilauszahlung ausnahmsweise unschädlich sein, wenn andernfalls der Zweck des Gesetzes verfehlt würde.
So liegt der Fall hier: Die Teilauszahlung beläuft sich im Streitfall auf 8,87% der Gesamtabfindung oder 9,73% der Hauptleistung.
Eine geringfügige Nebenleistung hat der Senat nicht mehr angenommen, wenn sie mehr als 10% der Hauptleistung beträgt (vgl. NWB EAAAE-71927).
Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung.
Mit dieser Begründung hat der BFH zwar bislang nur eine sozial motivierte, nachträgliche Zusatzleistung des Arbeitgebers der Höhe nach als unschädlich erachtet (vgl. NWB MAAAA-69081).
Der Maßstab lässt sich jedoch zur Konkretisierung der bloßen Geringfügigkeit gleichermaßen heranziehen: Müsste unter diesen Umständen die Tarifermäßigung versagt werden, stünde der Steuerpflichtige besser da, wenn er die Teilauszahlung nicht erhalten hätte.
Die Teilauszahlung würde (vor Steuern) noch nicht einmal den steuerlichen Nachteil ausgleichen, den sie verursacht hat.
Dieses Ergebnis würde zu wirtschaftlich unsinnigen Gestaltungen Veranlassung geben.
Dies verdeutlicht, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach dem Zweck des Gesetzes trotz der Teilzahlung zur Abmilderung der einmaligen individuellen Progressionssteigerung im Streitjahr noch geboten ist.
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger auf die Höhe der Abfindung und die Modalitäten ihrer Auszahlung offenbar keinen entscheidenden Einfluss hatte.
Quelle: NWB Datenbank
Fundstelle(n):
AAAAF-12813