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Online-Nachricht - Mittwoch, 15.10.2014

Einkommensteuer | Nachweis wissenschaftlich nicht anerkannter Behandlungsmethoden (BFH)

Der BFH hat zum Nachweis von außergewöhnlichen Belastungen im Falle wissenschaftlich nicht anerkannter Behandlungsmethoden Stellung genommen. Wissenschaftlich nicht anerkannt sei eine Behandlungsmethode dann, wenn Qualität und Wirksamkeit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Feststellung, ob eine Behandlungsmethode wissenschaftlich nicht anerkannt ist, obliege dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu führen. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist auch bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV).
Sachverhalt: Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Behandlung eines Lipödems (Liposuktion) als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind. Nach einem privatärztlichen Attest wurde bei der Klägerin ein Lipödem diagnostiziert. Als Empfehlung wurde u.a. die Durchführung einer Liposuktion (Fettabsaugung) vorgeschlagen. Die Klägerin legte Atteste des behandelnden Arztes vor. Dieser vertrat die Auffassung, dass die Operation aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sei. Das Gesundheitsamt stellte für die Klägerin eine Bescheinigung aus, nach der die Liposuktion als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt und aus diesem Grund aus medizinischer Sicht nicht als notwendig angesehen werden.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode dann, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn "die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht.

  • Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein.

  • Ob eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich anerkannt anzusehen ist, hat das Finanzgericht aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

Anmerkung: Die Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gekommen, die Liposuktion stelle keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode dar. Es stützte diese Würdigung jedoch im Wesentlich (nur) auf das vorgelegte - negative - amtsärztliche Zeugnis. Insoweit fehlte es nach Ansicht des BFH an einer nachvollziehbaren Ableitung der gezogenen Folgerungen aus einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Der BFH hat die Sache daher an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig es ist, auf den Inhalt der amtsärztlichen Bescheinigung zu achten und gegebenenfalls auf eine ergänzende Begutachtung zu dringen. Gerade bei einem Krankheitsbild wie dem umgangssprachlich auch als Reiterhosensyndrom bezeichneten Lipödem und der dazu empfohlenen Therapie der Fettabsaugung (Liposuktion) mag leicht der Verdacht entstehen, der Betroffene habe sich einer Schönheitsoperation unterzogen. Deshalb ist es wichtig, dass der Amtsarzt nicht nur eine Krankheit feststellt, sondern auch bescheinigt, dass die dazu vom Hausarzt empfohlene oder selbst gewählte Therapie eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode ist.

Fundstelle(n):
DAAAF-12060