Online-Nachricht - Mittwoch, 09.07.2014

Umsatzsteuer | Erneute EuGH-Vorlage zur Vorsteueraufteilung bei Gebäuden (BFH)

Der XI. Senat des BFH hat dem EuGH mehrere Fragen zur Vorsteueraufteilung bei Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude sowie zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorgelegt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ordnet seit dem grds. einen Vorrang des Flächenschlüssels vor dem Umsatzschlüssel an. Der EuGH hat in der Rechtssache BLC Baumarkt hierzu klargestellt, dass Deutschland die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden zwar grds. nach dem Flächenverhältnis vorschreiben könne. Voraussetzung sei jedoch, dass das Flächenverhältnis eine präzisere Bestimmung gewährleistet als die in den MwStSystRL vorgesehene Umsatzmethode ( NWB EAAAE-22591). Die Feststellung, ob eine solche präzisere Bestimmung durch einen Flächenschlüssel gewährleistet sei, hat der EuGH wiederum dem BFH überlassen, der dies mit seinem Urteil v. (Az. NWB EAAAE-50857) für den Vorlagefall weitgehend bejahte (s. hierzu ausführlich Scholz in NWB SAAAE-51363).
Sachverhalt: In der Sache ging es zum einen um die Höhe des Vorsteuerabzugs im Jahr 2004 aus Baukosten sowie aus laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführte. Da in diesen Fällen der Vorsteuerabzug nur zulässig ist, soweit die von einem Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen (hier Baumaterial, Handwerkerleistungen etc.) für steuerpflichtige Ausgangsumsätze (hier: Vermietungsumsätze) verwendet werden, müssen die insgesamt angefallenen Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden. Die Klägerin ermittelte die abziehbaren Vorsteuern für das Streitjahr 2004 – wie in den Vorjahren – nach dem Umsatzschlüssel. Das Finanzamt legte dagegen der Vorsteueraufteilung den (für die Klägerin ungünstigeren) Flächenschlüssel zugrunde. Ferner verlangte das Finanzamt im Streitfall im Wege der Vorsteuerberichtigung einen Teil der in den vergangenen Jahren (seit Beginn der Baumaßnahme 1999) anerkannten Vorsteuerbeträge von der Klägerin zurück, weil auch insoweit nunmehr der Flächenschlüssel gelte.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Es soll geklärt werden, ob bei gemischt genutzten Gebäuden die Vorsteuern auf Eingangsleistungen, die die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes betreffen, zunächst den Ausgangsumsätzen zugeordnet werden müssen und lediglich die danach verbleibenden Vorsteuern nach einem (weniger präzisen) Flächen- oder Umsatzschlüssel aufzuteilen sind.

  • Weiter ist zu klären, ob dies entsprechend für Vorsteuern auf laufende Kosten gilt.

  • Der vorlegende XI. Senat des BFH hat zudem in mehrfacher Hinsicht Zweifel, ob die der Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Falle eines von einem Mitgliedstaat nachträglich vorgeschriebenen vorrangigen Aufteilungsschlüssels mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Quellen: NWB Datenbank
Zur Vorsteueraufteilung (1. Vorlagefrage): Erst kürzlich hatte der V. Senat des BFH entschieden, dass sich die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel richtet. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die bauliche Gestaltung der unterschiedlichen Gebäudeeinheiten und deren Ausstattung nahezu identisch sind. Weisen die bauliche Gestaltung oder die Ausstattung der Räumlichkeiten demgegenüber erhebliche Unterschiede auf und werden durch die Nutzung des Gebäudes unmittelbar Ausgangsumsätze (Mieteinnahmen) erzielt, gelte der objektbezogene Umsatzschlüssel. Stehen die Aufwendungen nicht im Zusammenhang mit einer bestimmten Vermietungstätigkeit, sondern mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers (zum Beispiel bei Verwaltungsgebäuden), dann finde wiederum der Gesamtumsatzschlüssel Anwendung. In seiner Urteilsbegründung schreibt der V. Senat weiter, dass bei Erstellung eines Gebäudes für die Gesamtvorsteuer grds. ein einheitlicher Aufteilungsschlüssel geboten sei. Es soll daher gerade keine Zuordnung von Teilen der Vorsteuer im Wege individueller Zuordnung erfolgen ( NWB KAAAE-66336; s. hierzu auch Abschn. 15.17 Abs. 5 UStAE). An der zuletzt genannten Ansicht scheint der XI. Senat des BFH nun Zweifel zu haben, da eine individuelle Zuordnung grds. präzisere Ergebnisse im Sinne der o.g. EuGH-Rechtsprechung ermögliche.
Zur Vorsteuerberichtigung (2./3. Vorlagefrage): Ändern sich bei einem Gebäude innerhalb von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen. Insoweit stellt sich die Frage, ob eine solche Änderung der Verhältnisse unionsrechtlich auch dann vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger (wie die Klägerin) die Vorsteuern aus der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes zulässigerweise nach dem Umsatzschlüssel aufgeteilt hat und Deutschland mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nachträglich einen anderen vorrangigen Aufteilungsschlüssel vorschreibt (2. Vorlagefrage). Bejahendenfalls möchte der vorlegende XI. Senat des BFH wissen, ob die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Vorsteuerberichtigung zu Lasten eines Steuerpflichtigen in diesen Fällen entgegenstehen (3. Vorlagefrage). Der deutsche Gesetzgeber könnte gegen diese Grundsätze insbesondere dadurch verstoßen haben, dass er bei Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG keine Übergangsregelung getroffen hat, die dem begründeten Vertrauen der Unternehmer, auf Eingangsleistungen vor der Gesetzesänderung den Umsatzschlüssel anwenden zu dürfen, Rechnung trägt.
 

Fundstelle(n):
WAAAF-11624