BSG Beschluss v. - B 12 R 28/14 B

Instanzenzug: S 5 R 261/09

Gründe:

1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung im Zeitraum bis in einer für ihn ausgeübten Tätigkeit als Einzelfallhelfer iS von § 53 SGB XII.

2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

41. Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom zunächst - mit Blick auf drei verschiedene Rechtsfragen - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

5Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch ). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6a) Der Kläger formuliert auf Seite 6 der Beschwerdebegründung, das Urteil des LSG beruhe ua auf der Rechtsfrage,

"ob es sich bei den Aufgaben eines ambulanten Helfers nach den §§ 39 ff. BSHG bzw. §§ 53 ff. SGB XII um Dienste höherer Art handelt, und deshalb das Weisungsrecht des Auftraggebers kein taugliches Indiz für oder gegen eine abhängige Beschäftigung ist, da die Tätigkeit des Auftragnehmers zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist".

7Hiermit hat der Kläger schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein - Juris RdNr 10; - Juris RdNr 10; - Juris RdNr 7). Vielmehr zielt die Frage ausschließlich auf die Subsumtion der "Aufgaben eines ambulanten Helfers" unter den in der Rechtsprechung des BSG zu § 7 Abs 1 S 1 SGB IV verwandten Begriff der "Dienste höherer Art". Damit geht das mit dieser Fragestellung verbundene Vorbringen des Klägers schon nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus.

8Zudem hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage - deren Qualität als Rechtsfrage unterstellt - nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG herzuleitenden Anforderungen entsprechend dargelegt. Insoweit gilt, dass eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt angesehen werden muss, wenn das Revisionsgericht sie zwar - für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an, was die Klärungsbedürftigkeit nicht zu begründen vermag (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22; ). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen. Hierzu gehört auch, die vom Kläger auf Seite 7 der Beschwerdebegründung zum Teil selbst benannte, bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf mögliche Hinweise zur Beantwortung der formulierten Frage hin zu untersuchen und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Letzteres versäumt der Kläger; vielmehr lassen seine Ausführungen deutlich erkennen, dass er die von ihm formulierte Frage als durch die von ihm zitierte Rechtsprechung geklärt ansieht, das LSG jedoch bei seiner Entscheidung zum falschen Ergebnis gelangt sei. Damit rügt der Kläger im Kern seines Vorbringens die - vermeintliche - Unrichtigkeit der Rechtsanwendung durch das LSG in seinem konkreten Einzelfall. Hierauf kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

9b) Darüber hinaus formuliert der Kläger auf Seite 9 der Beschwerdebegründung folgende Frage:

"Bedeutet eine größere Freiheit in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs und des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft als Tatbestandsvoraussetzung für die Annahme eines unternehmerischen Risikos die Notwendigkeit einer Durchsetzungsmöglichkeit deutlich höherer Entgelte als vergleichbare abhängig Beschäftigte erhalten?"

10Diese Frage sei insbesondere nicht durch das vom LSG zitierte - USK 2001-25 = SozVers 2001, 329) geklärt, in welchem das BSG offensichtlich von einem Fall ausgehe, "in dem gerade keine anderen Indizien oder Umstände für eine selbständige Tätigkeit sprechen". Es gelte daher zu klären, ob der Umstand, dass eine Honorarkraft kein Honorar erhalte, welches deutlich oberhalb der Vergütung eines Beschäftigten liege, bei Vorliegen anderer Umstände, die für eine Selbstständigkeit sprächen, ein entscheidendes Kriterium gegen eine Selbstständigkeit sei, da hierdurch dann kein Unternehmerrisiko vorliege.

11Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm aufgeworfen und den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht dargelegt. Hierzu wäre es notwendig gewesen, die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zu § 7 Abs 1 SGB IV (vgl zB - Die Beiträge Beilage 2014, 387; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 29; Urteil vom - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45 = Die Beiträge Beilage 2008, 333; bereits zu § 1227 RVO BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38) daraufhin zu untersuchen, welche Aussagen zur Bedeutung der Möglichkeit zur Durchsetzung höherer Entgelte als sie Beschäftigte erzielen bzw allgemein höherer Verdienstchancen für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit darin enthalten sind und ob sich die aufgeworfenen Frage bereits auf Grundlage dieser Aussagen beantworten lässt. Statt dessen beschränkt sich der Kläger darauf darzulegen, dass "der in der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts" (Urteil vom , aaO) "angeführte Rechtssatz nicht ungefiltert in dem hiesigen Verfahren verwendet werden" könne. Damit wendet er sich aber erneut lediglich gegen die vermeintlich unzutreffende Rechtsanwendung durch das LSG im Einzelfall, wodurch die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits jedoch nicht dargelegt werden kann.

12c) Ferner macht der Kläger auf Seite 12 der Beschwerdebegründung geltend, das LSG werfe auf Seite 13 des Urteils die Rechtsfrage auf,

"ob die vertraglich vereinbarte Berichterstattung über die Tätigkeit eine Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb des Auftraggebers darstellt".

13Zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage trägt der Kläger lediglich vor, in seinem Urteil vom (B 12 R 17/09 R - USK 2011-125) habe das BSG zu einer "Familienpflegerin" (zutreffend: hauswirtschaftliche Familienbetreuerin) ausgeführt, dass eine Pflegedokumentation, die auch der Organisation der Folgepflege diene, nicht dafür spreche, dass die Familienbetreuerin in die Arbeitsorganisation der Auftraggeberin eingegliedert war. Dabei versäumt es der Kläger jedoch - anders als erforderlich - darzulegen, dass die im zu Bedeutung der Pflegedokumentation enthaltenen Aussagen keine hinreichenden Rückschlüsse zur Beantwortung der formulierten Frage erlauben. Schon deshalb genügen auch die Ausführungen in diesem Teil der Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen an die Begründung der Grundsatzrüge.

142. Zudem beruft sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der Divergenz. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

15Der Kläger macht eine Divergenz des angegriffenen Urteils zum - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 19) und zum - USK 2004-25 = Die Beiträge Beilage 2004, 154) geltend. Im Urteil vom (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 19) habe das BSG den Rechtssatz aufgestellt,

"dass ein Weisungsrecht nicht aus einem gesetzlich vorgesehenen Hilfeplan folgt, wie es keine Aussage zu dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbstätigkeit trifft".

16Das enthalte zudem den tragenden Rechtssatz,

"Weisungsfrei sind auch solche Tätigkeiten, bei denen einem Beschäftigten zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sind, jedoch die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibt".

17Das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen beruhe dagegen ua auf folgendem Rechtssatz:

"Die einzelfallbezogene Vorgabe von Zielen der Tätigkeit, z.B. in einem Hilfeplan, stellt eine Eingliederung in den Betrieb des Klägers dar."

18Es kann offenbleiben, ob der Kläger mit diesen Formulierungen abstrakte Rechtsätze benennt, die den jeweiligen Urteilen tragend zugrunde liegen. Den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht, weil der Kläger nicht - wie erforderlich - aufzeigt, wieso sich aus einer Aussage des LSG zum Merkmal der "Eingliederung in die Arbeitsorganisation" (§ 7 Abs 1 S 2 Alt 2 SGB IV) ein Widerspruch zu zwei Aussagen des BSG zum Merkmal der "Tätigkeit nach Weisungen" (§ 7 Abs 1 S 2 Alt 1 SGB IV) ergeben kann.

193. Schließlich begründet der Kläger seine Beschwerde auch mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Nach dieser Norm ist die Revision auch dann zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG jedoch auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gar nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

20Die Verfahrensrügen des Klägers sind bereits deshalb unzulässig, weil er sich zu deren Begründung auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG und des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) beruft, ohne das Vorstehende zu beachten: So habe das LSG unter Verletzung des § 128 Abs 1 SGG nicht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens geurteilt und entgegen dem Amtsermittlungsprinzip des § 103 SGG nicht sämtliche Umstände des Einzelfalls in die zur Prüfung von Beschäftigung notwendige Würdigung des Gesamtbildes eingestellt. Einen übergangenen Beweisantrag benennt der Kläger entgegen den oben genannten Erfordernissen nicht. Ein Verstoß gegen sein Recht auf rechtliches Gehör macht der Kläger ausdrücklich nicht geltend. Vielmehr rügt er im Kern seiner Ausführungen auf Seite 15 bis 17 der Beschwerdebegründung nur einen Verstoß des LSG gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 16, 25, 27), insbesondere gegen die dort genannten Grundsätze zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit. Damit geht das Vorbringen des Kläger zum vermeintlichen Vorliegen von Verfahrensmängeln nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus.

214. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

225. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

236. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Bestimmung des Streitwerts ist dieser in Höhe des Auffangstreitwerts von 5000 Euro festzusetzen. Eine Ermächtigung zur Festsetzung des dreifachen Wertes, wie sie das LSG vorgenommen hat, enthält § 52 Abs 2 GKG nicht.

Fundstelle(n):
FAAAE-91854