PiR Nr. 4 vom Seite 1

Kasuistik vs. Prinzipienorientierung

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Im von Marco Meyer wird der Entwurf eines Änderungsstandards zu IFRS 2 erläutert. Die dort geregelten anteilbasierten Vergütungsmodelle für die obere Managementebene der meisten Publikums-Aktiengesellschaften ähneln irgendwie dem gängigen Muster des Rennens zwischen Haase und Igel: Kaum hat die Standardisierung bestimmte Vergütungsvarianten regelungstechnisch dingfest gemacht, werden auf dem lebhaften Markt der Managementvergütungen neue Modelle entwickelt, denen der Standardgeber atemlos hinterherhechelt. Die letzte Änderung des IFRS 2 datiert aus dem Dezember 2013, nun wird schon wieder ein Änderungsentwurf der Öffentlichkeit vorgestellt.

Schwerpunktmäßig geht es wie in IFRS 2 allgemein um Vergütungsmodelle mit Eigenkapitalbasierung. Diese lösen letztlich immer den aus deutscher Sicht höchst gewöhnungsbedürftige Buchungssatz „per Aufwand an Rücklage“ aus, eine Buchung, durch die das Eigenkapital nicht verlassen wird. Für reine Optionen auf Eigenkapitalinstrumente liefert § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB keine Grundlage für einen Bilanzansatz. Dies stellte den Aufhänger für den NWB XAAAD-56606 dar, um eine erfolgswirksame Passivierung der Optionseinräumung zu untersagen. Auch systematisch mag man diesem Ergebnis beipflichten, weil ja nicht die Gesellschaft letztlich der Aufwand aus der Optionsgewährung trifft, sondern die Aktionäre im Wege einer Verwässerung ihres Aktienportfolios.

Der von Norbert Lüdenbach und Jens Freiberg zur Erlösrealisation stellt die Rechtsdogmatik des neuen IFRS 15 im Hinblick auf Rückgabe- oder Rücknahmerechte als (Nicht-)Erlösbestandteile dar. Die BFH-Rechtsprechung bedient sich zur Vermeidung einer unberechtigten Erlösrealisation der Verbindlichkeitsrückstellung ohne zu fragen, ob angesichts der Rücknahmeverpflichtung oder Rückgabeberechtigung überhaupt ein Umsatzerlös und ggf. in welcher Höhe vorliegt. Das IDW verweigert sich der Regelung dieses Themas durch Blockierung des Stellungnahme-Entwurfs IDW RS HFA 13 n. F. Den Herausgeber stimmt es immer wieder nachdenklich, wenn die nationale Rechnungslegung ohne triftigen Grund von den Erkenntnissen der internationalen Bilanzbühne abgeschottet wird. Der gängige Hinweis auf die Kapitalmarktorientierung nach IFRS gegenüber der Gläubigerschutzmaxime des HGB liefert hier eine offensichtlich unüberwindbare Hürde gegenüber weiterführenden Denkprozessen. Dabei beruht die Erlösrealisation in beiden Rechnungslegungswelten auf der gleichen Grundlage, und niemand wird in dem in unserem Fokus-Beitrag dargestellten Teilbereich des Inhalts von IFRS 15 eine Gefährdung des Gläubigerschutzes erkennen können.

Im von Inge Wulf und Jens Niemöller geht es um die Weiterentwicklung der Finanzberichterstattung jenseits des Jahresabschlusses. Die hier herrschende Meinung erachtet immer mehr zusätzliche Berichterstattungen aller Art als das Maß aller Dinge. Nicht genug mit Risikoanalysen und Prognoseberichten, auch nicht finanzielle Informationen werden von den verschiedensten Instanzen den Großkonzernen zur Veröffentlichung abgerungen. Schließlich sind Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Beachtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption ganz wesentliche Elemente einer herzustellenden Unternehmenskultur. Das mag alles gut und richtig sein, doch wer soll diese Informationen verarbeiten? Die mit der Erfüllung der Vorgaben einhergehende zusätzliche Bürokratisierung in den Konzernen stört außer den Betroffenen offensichtlich niemand. Die Vorgabe „one in, one out“ ist bei der Finanzberichterstattung noch nicht eingetroffen.

Beste Grüße

Wolf-Dieter Hoffmann

Fundstelle(n):
PiR 4/2015 Seite 1
IAAAE-87784