BFH Urteil v. - IX R 9/14

Voraussetzung für das Entstehen eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG bei nachträglichen Anschaffungskosten

Leitsatz

Das Entstehen eines Auflösungsverlusts i.S. von § 17 Abs. 2 und 4 EStG setzt auch voraus, dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht. Dies ist nicht der Fall, solange der Gesellschafter mit der Bank über die Höhe seiner Inanspruchnahme aus einer Höchstbetragsbürgschaft zugunsten der Gesellschaft verhandelt.

Gesetze: EStG § 17 Abs. 4, EStG § 17 Abs. 2

Instanzenzug: ,

Gründe

1 I. Streitig ist, ob im Streitjahr 2010 ein Verlust gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.

2 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zusammenveranlagte Eheleute, erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH und an dieser seit Dezember 2000 zu 50 % beteiligt. Im April 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet; im Mai 2010 wurden alle Aktiva (der gesamte Betrieb) veräußert. Das Insolvenzverfahren war im Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung noch nicht abgeschlossen.

3 Der Kläger hatte im Juli 2009 eine Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von 450.000 € für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber einer Bank übernommen. Im August 2010 teilte die Bank dem Kläger mit, dass sie nach Verwertung des Sicherungsgutes noch eine Forderung in Höhe von 1.366.693,57 € gegen die GmbH habe, und nahm den Kläger aus der Bürgschaft auf Zahlung in Anspruch.

4 Nach mehrmonatigen Verhandlungen und wechselseitigem Schriftverkehr teilte die Bank dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass sie ihn bei Zahlung eines Betrages in Höhe von 60.000 € bis zum aus der Bürgschaft entlasse. Mit Schreiben vom bestätigte die Bank, dass sie den Vergleichsbetrag am erhalten habe und keine Rechte aus der Gesamtbürgschaft mehr geltend mache.

5 Mit ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 260.000 € geltend.

6 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ließ den geltend gemachten Verlust gemäß § 17 EStG im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und bei der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den unberücksichtigt. Da die nachträglichen Anschaffungskosten wegen Inanspruchnahme aus der Bürgschaft der Bank erst mit Abschluss des Vergleichs im Jahr 2011 festgestanden hätten, sei der Auflösungsverlust insgesamt erst 2011 zu berücksichtigen.

7 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1299 veröffentlichten Urteil, die geltend gemachten Aufwendungen seien im Streitjahr nicht als Veräußerungsverlust gemäß § 17 EStG steuermindernd zu berücksichtigen.

8 Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügen.

9 Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Bescheides für 2010 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom einen Veräußerungsverlust in Höhe von 262.975 € gemäß § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen.

10 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Im Ergebnis zutreffend hat das FG auf der Grundlage seiner Feststellungen angenommen, dass der streitbefangene Verlust i.S. von § 17 EStG im Streitjahr noch nicht entstanden ist.

12 1. Das Entstehen eines Auflösungsverlusts i.S. von § 17 Abs. 2 und 4 EStG setzt —neben anderen, vorliegend nicht problematischen Anforderungen— voraus, dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht (, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom VIII R 8/02, BFH/NV 2004, 947; vom VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305; BFH-Be-schluss vom VIII B 11/04, BFH/NV 2005, 1810).

13 2. Das FG hat auf der Grundlage seiner nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und so den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen im Ergebnis zutreffend angenommen, dass im Streitjahr die nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers aus der streitbefangenen Höchstbetragsbürgschaft noch nicht feststanden und deshalb der Auflösungsverlust des Klägers noch nicht entstanden war.

14 Das FG hat die —ex ante bestehende— Unsicherheit hinsicht-lich der Höhe der Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft und damit der Höhe seiner nachträglichen Anschaffungskosten —in schlüssiger Weise— maßgeblich damit begründet, dass im Streitjahr sowie noch im Jahr 2011 schriftliche und telefonische Verhandlungen über die Höhe der Inanspruchnahme des Klägers geführt worden seien, so dass im Streitjahr noch nicht abzusehen gewesen sei, dass der Kläger nur in Höhe von 60.000 € in Anspruch genommen würde. Soweit die Kläger in ihrer Revisionsbegründung vortragen, der Kläger sei zu einer Leistung von mehr als 60.000 € nach seinen bereits 2010 bekannten Vermögensverhältnissen nicht in der Lage gewesen, so dass deshalb auch die Höhe seiner Inanspruchnahme schon im Streitjahr festgestanden hätte, konnte das FG dies nicht feststellen.

15 Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auch auf die Entscheidungen des (EFG 2004, 331) und vom 1 K 6725/02 E. Erstgenanntes Urteil stellt auf die Besonderheiten bei einer Ablehnung eines Konkursverfahrens mangels Masse ab, zweitgenanntes betrifft keinen Fall, in dem über die Höhe der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft verhandelt worden wäre.

16 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 666 Nr. 5
DStZ 2015 S. 320 Nr. 9
StBW 2015 S. 364 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2015 S. 394
YAAAE-86639