Zeitpunkt der Veräußerung i.S. des § 17 EStG; Berücksichtigung von realisierten Wertsteigerungen von in einer Fremdwährung veräußerten Kapitalgesellschaftsanteilen bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns
Leitsatz
1. Der Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist.
2. Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des - dinglichen - Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält.
3. Entsprechend dem Normzweck des § 17 EStG, den aufgrund der Veräußerung eines Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs der finanziellen Leistungsfähigkeit zu erfassen, sind Währungskursänderungen nach dem im Zeitpunkt der späteren Veräußerung bei der Ermittlung des steuerbaren Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen, da sie sich auf die Höhe eines nach § 17 EStG steuerbaren Gewinns - gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen - auswirken.
Gesetze: EStG § 17 Abs. 1, EStG § 17 Abs. 2, EStG § 52 Abs. 1 Satz 1, AO § 39
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1 und 3 sind .. Sie wurden im Streitjahr 1999 mit ihren Ehefrauen (Kläger und Revisionsbeklagte zu 2 und 4) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
2 Die Kläger hielten an der im November 1989 in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) gegründeten A-Inc. (A) jeweils . shares an dem . shares (abzüglich . eigene shares ["treasury stock"]) betragenden share capital, mithin jeweils 23,06 %. Neben den Klägern war die X an der A mit . shares (rund 7,8 %) beteiligt.
3 Am erwarb die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Y-AG für . CHF das gesamte Aktienkapital an der in der Schweiz ansässigen Z-AG, deren Gesellschaftszweck das Halten von Beteiligungen im In- und Ausland sowie Finanzierungen von Unternehmen aller Art war.
4 Mit Vereinbarung vom übertrugen die Kläger ihre Anteile an der A an die Z-AG für einen Gesamtkaufpreis von . US-$. Nach dem Kaufvertrag sollten die Kläger „dafür (...) sorgen, dass die Übertragung der Aktien im Aktienregister der Gesellschaft, sobald sich dies als zweckmäßig erweist, erfolgt”. Eine Übertragung im Aktienregister bzw. die Übergabe der Aktien an die Z-AG erfolgte nicht. Die Aktien blieben —wie bisher— bei der Y-AG hinterlegt.
5 Da eine Finanzierung des Kaufpreises mit der Kapitalausstattung der Z-AG nicht möglich war, beschlossen die Kläger mit Vereinbarung vom , an der Sanierung der Z-AG mitzuwirken und u.a. rückwirkend zum die Kaufpreisforderung in vier feste Darlehen in Höhe von jeweils . US-$ sowie vier rangrücktrittsbelastete Darlehen in Höhe von jeweils . US-$ umzuwandeln, die festen Darlehen zinslos zu gewähren sowie diese bis zum ordnungsgemäßen Vollzug der Aktienübertragungen, d.h. der Registrierung der Z-AG als Aktionärin, nicht zur Rückzahlung zu kündigen.
6 Ebenfalls im September 1999 schlossen die Kläger mit der Z-AG einen Treuhandvertrag. Neben der Vereinbarung, dass sie künftig die Aktienzertifikate als Treuhänder für die Z-AG halten, verpflichteten sich die Kläger u.a., die ihnen als Aktionäre nach außen zustehenden Rechte, insbesondere die Stimmrechte aus der Beteiligung, nur nach Weisung des Treugebers auszuüben (§ 3a des Vertrages), alle Leistungen, die sie als Aktionäre erhalten, unverzüglich an den Treugeber weiterzugeben (§ 3c des Vertrages), über die Aktien nur nach vorheriger Zustimmung des Treugebers zu verfügen (§ 3d des Vertrages), die Aktien auf Verlangen des Treugebers auf ihn oder einen von ihm benannten Dritten zu übertragen (§ 3e des Vertrages) sowie die Aktien für den Treugeber zu verwahren.
7 Am gewährte die Y-AG der Z-AG zum Zwecke des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen ein Darlehen in Höhe von . US-$. Die Z-AG erwarb zu diesem Preis von X deren Anteile an der A.
8 Mit Kaufvertrag vom übertrug die Z-AG die von ihr an der A gehaltenen . shares auf die Y-AG. Der Kaufpreis betrug . US-$ und wurde durch die Erwerberin zum Teil durch Verrechnungen, zum Teil durch Übernahme bestehender Schuld- und Darlehensverpflichtungen gegenüber den Klägern beglichen.
9 Da nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt —FA—) eine Übertragung der Anteile an der A auf die Z-AG zum steuerrechtlich mangels Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung —AO—) nicht anzuerkennen war, berücksichtigte das FA jeweils einen Veräußerungsgewinn in Höhe von . DM gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den Einkommensteuerbescheiden der Kläger für das Jahr 2000 vom .
10 Nach Einspruchseinlegung kam das FA zu der Auffassung, dass die Veräußerungsgewinne nicht im Jahr 2000, sondern im Streitjahr zu erfassen seien, und setzte daher mit den Einspruchsentscheidungen vom die Einkommensteuer für 2000 der Kläger entsprechend herab. Das FA berücksichtigte den bisher im Jahr 2000 angesetzten Veräußerungsgewinn in den für jeden Kläger nach § 174 Abs. 4 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom . Die Einsprüche blieben erfolglos.
11 Am erließ das FA geänderte, zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Einkommensteuerbescheide für 1999, in denen die Veräußerungsgewinne unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG—; , 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) auf jeweils . DM herabgesetzt wurden.
12 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1751 veröffentlichten Urteil statt. Die Veräußerung und rechtliche Übertragung der Anteile der Kläger an der A sei am erfolgt. Auch wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien erst im September 1999 auf die Z-AG übergegangen sei, entstünde bei Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG (in BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) kein steuerbarer Veräußerungsgewinn in Form von Wertsteigerungen in der Zeit zwischen und September 1999.
13 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG). Die steuerrechtlich maßgebliche Veräußerung i.S. des § 17 EStG sei im September 1999 mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen an der A auf die Z-AG erfolgt. Steuerbar seien im Rahmen dieser Veräußerung alle Wertsteigerungen, die auf den Zeitraum vom bis zur Veräußerung entfallen. Im Rahmen des Veräußerungsgewinns seien auch Wertsteigerungen zu erfassen, die auf eine Wechselkurssteigerung zurückzuführen seien. Da Feststellungen zum gemeinen Wert der Anteile an der A zum Veräußerungszeitpunkt im September 1999 fehlten, könne nicht beurteilt werden, ob der Kaufpreis von . US-$ adäquat zum gemeinen Wert der veräußerten Anteile an der A sei.
14 Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,
hilfsweise, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15 Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
16 II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass im Streitjahr 1999 kein steuerbarer Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG entstanden ist, da die dingliche Übertragung der streitbefangenen Anteile an der A im Jahr 1998 erfolgt ist.
17 1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung im Privatvermögen hielt. Wesentlich ist eine Beteiligung für Veräußerungsvorgänge ab dem Veranlagungszeitraum 1999 ab einer Quote von 10 % (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom —StEntlG 1999/2000/2002—, BGBl I 1999, 402), für Veräußerungsvorgänge davor ab einer Quote von mehr als 25 %.
18 a) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (, BFHE 153, 318, BStBl II 1988, 832; vom VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693; , juris).
19 b) Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des —dinglichen— Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält (BFH-Urteile in BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693; vom IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658).
20 c) Bei einer in ausländischer Währung angeschafften und veräußerten Beteiligung sind die für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns maßgeblichen Bemessungsgrundlagen (Anschaffungskosten, Veräußerungspreis, Veräußerungskosten) im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entstehung in DM/€ umzurechnen. Für eine in Fremdwährung veräußerte Beteiligung i.S. von § 17 EStG ist der Veräußerungspreis im Zeitpunkt der Veräußerung in DM/€ umzurechnen (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 1658; vom IX R 62/10, BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564, m.w.N.). Maßgeblich ist grundsätzlich der amtliche Umrechnungskurs im Bewertungszeitpunkt (, BFHE 124, 327, BStBl II 1978, 295; in BFH/NV 2008, 1658; in BFHE 236, 362, BStBl II 2012, 564).
21 2. Das FG ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass etwaige Wertsteigerungen der in US-$ angeschafften und mit Kaufvertrag vom veräußerten Anteile an der A, die durch eine Veränderung des amtlichen Umrechnungskurses des US-$ zur DM im Zeitraum nach dem entstanden sind, nicht der Besteuerung unterworfen werden dürften, wenn die Anteile erst im September 1999 übertragen worden wären. Die Entscheidung des FG stellt sich allerdings im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).
22 a) Das BVerfG hat in dem Beschluss in BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86 entschieden, dass die in § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 geregelte rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze von 25 % auf 10 % nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am entstanden sind und die entweder —bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt— nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder —bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes— sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.
23 b) Es sind daher —wie der Senat (, BFHE 232, 335) bereits entschieden hat— nur solche Wertsteigerungen steuerbar, welche nach dem entstanden sind. Entsprechend dem Normzweck des § 17 EStG, den aufgrund der Veräußerung eines Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs der finanziellen Leistungsfähigkeit zu erfassen (vgl. z.B. , BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870), sind Währungskursänderungen nach dem im Zeitpunkt der späteren Veräußerung —entgegen der Auffassung des FG und der Kläger— bei der Ermittlung des steuerbaren Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen, da sie sich auf die Höhe eines nach § 17 EStG steuerbaren Gewinns —gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen— auswirken (vgl. , BFHE 232, 337, BStBl II 2011, 491). Das Urteil des FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen.
24 c) Im Streitfall stellt sich die Entscheidung des FG jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).
25 Die Veräußerung erfolgte bereits im Jahr 1998. Nach der Würdigung des FG ist das Eigentum an den streitbefangenen Anteilen der Kläger an der A am auf die Erwerberin übergegangen. Diese Würdigung der vom FG auf der Grundlage der Vorvertragsverhandlungen und des Kaufvertragsabschlusses getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie bindet den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. z.B. , BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787; vom V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.). Da im Jahr 1998 indes die Wesentlichkeitsgrenze für die Veräußerungsvorgänge nicht erreicht wird, unterliegt ein etwaiger Veräußerungsgewinn im Streitfall nicht der Besteuerung. Die Frage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums stellt sich im Streitfall nicht mehr, da das zivilrechtliche Eigentum übergegangen ist (zu einem Sonderfall s. , BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140).
26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 489 Nr. 4
BFH/PR 2013 S. 6 Nr. 12
DStZ 2015 S. 284 Nr. 8
GmbH-StB 2015 S. 95 Nr. 4
GmbHR 2015 S. 500 Nr. 9
HFR 2015 S. 332 Nr. 4
IAAAE-85681