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Grundlagen - Stand: 24.11.2024

Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften

Reinald Gehrmann

I. Definition der Verlustabzugsbeschränkung (§ 8c KStG)

Der Erhalt bzw. der Untergang der von einer Körperschaft erzielten Verluste hängt nach der Konzeption des Gesetzgebers wesentlich von der Erhaltung des Gesellschafterbestandes ab. Werden die Anteile auf einen Erwerber (oder eine Erwerbergruppe) übertragen werden, kann die gesetzliche Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG eingreifen.

Nachdem der BFH in Abkehr von seiner früheren ständigen Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten hatte, dass der Verlustabzug bei der – wieder belebten – Gesellschaft lediglich deren rechtliche, nicht auch wirtschaftliche Identität mit der „Alt”-Gesellschaft voraussetze, hatte der Gesetzgeber durch das Steuerreformgesetz 1990 in Form des § 8 Abs. 4 KStG erstmals eine gesetzliche Regelung zum Verlustabzug in derartigen Fällen geschaffen. Nach dieser Regelung ging die wirtschaftliche Identität verloren, wenn mehr als 75 v. H. der Anteile übertragen wurden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnahm. Mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform wurden die Voraussetzungen für den Verlustabzug weiter verschärft.

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 ist die komplizierte Regelung nun gestrichen und durch eine einfacher zu handhabende Vorschrift ersetzt worden. Das Gesetz stellt bei Prüfung der wirtschaftlichen Identität ab 2008 nur noch auf den Gesellschafterbestand ab (§ 8c KStG ).

Gegen die Neuregelung wurden verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. So war das FG Hamburg der Auffassung, dass die Vorschrift gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG und das aus ihm abzuleitende Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoße und hatte diese Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.

Die Neuregelung sah bei unmittelbaren wie mittelbaren Anteils- oder Stimmrechtsübertragungen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren von mehr als 25 v.H., aber nicht mehr als 50 v.H., einen quotalen Untergang des Verlustabzugs (§ 8c S. 1 KStG) vor. Werden innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % der Anteile an einen Erwerber oder ihm nahe stehende Personen übertragen, geht der vorhandene Verlustvortrag – einschließlich des laufenden Verlustes im Übertragungsjahr - vollständig unter.

Die Neuregelung ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem anzuwenden (§ 34 Abs. 7b KStG ).

Durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom war § 8c KStG um eine von der Wirtschaft heftig geforderte Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) ergänzt worden. (vgl. aber hierzu unten II. 4).

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom (BStBl 2015 I S. 846) ist die sog. Konzernklausel für Beteiligungserwerbe nach dem deutlich erweitert worden, indem nun auch Übertragungen an und durch die Konzernspitze privilegiert sind, § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG.

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom (BGBL I S. 2998) eröffnet ein neuer § 8d KStG die Möglichkeit, noch nicht genutzte Verluste nach einem schädlichen Anteilseignerwechsel weiterhin steuerlich zu verwenden, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft erhalten bleibt und eine anderweitige Verlustnutzung ausgeschlossen ist.

Im Jahr 2017 entschied das BVerfG, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG (Übertragungen >25 % bis = 50 %) für alle Gesetzesfassungen vom bis zum und somit bis zur Einführung des § 8d KStG (Wirkung für Anteilsübertragungen nach dem ) verfassungswidrig ist.

Es räumte dem Gesetzgeber bis zum die Möglichkeit ein, rückwirkend für die Zeit vom bis zum den festgestellten Verfassungsverstoß zu beseitigen. Wäre dieser der Vorgabe nicht nachgekommen, wäre rückwirkend die Nichtigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG eingetreten.

Das BVerfG beschränkte seine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 8c Satz 1 KStG auf die unmittelbare Übertragung von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften.

Es hat ausdrücklich nicht zu der Frage Stellung genommen, ob durch die Einführung des § 8d KStG mit Wirkung vom der Anwendungsbereich von § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG in einer Weise eingeschränkt worden ist, dass die Norm nunmehr verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält.

Nachdem der Entwurf der Bundesregierung eines "Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" - vormals JStG 2018 - vorgesehen hatte, dass § 8c Satz 1 KStG a.F. für den vom BVerfG tenorierten Zeitraum 2008-2015 ersatzlos aufgehoben und mit einer neuen Anwendungsregelung in § 34 Abs. 6 Satz 1 KStG-EBReg die Altregelung auf Beteiligungserwerbe nach dem anwendbar erklärt werden sollte, hob der Gesetzgeber die Regelungen zum quotalen Verlustuntergang ersatzlos auf. Die Neuregelung erfasst Anteilsübertragungen nach dem .

Hinsichtlich der vollständigen Verlustkürzung nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG ist ein Verfahren vor dem BFH anhängig (Az: I R 3/19, vormals I R 31/11), das durch Beschluss vom bis zur Entscheidung des BVerfG über das mit eingeleitete Normenkontrollverfahren (2 BvL 19/17) zur Verfassungsmäßigkeit des § 8c Satz 2 KStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ausgesetzt worden ist.

Aktuell sind weitere Verfahren beim BFH zur Verfassungsmäßigkeit bzw. Auslegung der Regelungen des § 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG anhängig.

II. Voraussetzungen des § 8c KStG

Die gesetzliche Regelung gilt nicht nur für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, sondern auch für Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG und damit auch für Anstalten und Stiftungen i.S.d. § 3 Abs. 1 KStG. Sie verknüpft die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft mit dem Gesellschafterbestand.

1. Schädlicher Anteilserwerb

Ein schädlicher Anteilseignerwechsel liegt vor, wenn

  • mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 v. H. bzw. mehr als 50 v. H.

  • des Kapitals oder der Gesellschaftsrechte einer Körperschaft

  • innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren

von einem Erwerber, dem Erwerber nahe stehenden Personen oder Personen mit gleichgerichteten Interessen – entgeltlich oder unentgeltlich - erworben werden (§ 8c S. 1 KStG ). Dabei reicht die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen aus. Welche Anforderungen an die Annahme gleichgerichteter Interessen zu stellen sind, ist von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Insoweit knüpft das Gesetz nicht an die Veräußerung, sondern den Erwerb von Beteiligungen an. Eine Ausnahme soll für Anteilserwerbe auf Grund Erbfalls bzw. unentgeltlicher Erbauseinandersetzungen, nicht jedoch für solche auf Grund von Schenkungen gelten. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass auch Beteiligungserwerbe im Wege einer unentgeltlichen vorweggenommenen Erbfolge zwischen nahen Angehörigen unschädlich sind.

Der Anteilseignerwechsel kann dabei durch nicht nur durch Abtretung der Gesellschaftsrechte, sondern auch durch dieser vergleichbare Vorgänge erfolgen, wie z.B. durch

  • eine Kapitalerhöhung, soweit sie zu einer schädlichen Veränderung der Beteiligungsquoten am Kapital der Körperschaft führt (§ 8c S. 4 KStG ),

  • eine Verschmelzung auf die Verlustgesellschaft, soweit die an der Verlustgesellschaft bisher nicht beteiligten Gesellschafter nun unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt werden und daraus eine schädliche Veränderung der Beteiligungsquoten am Kapital der Verlustgesellschaft eintritt,

  • die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils (§§ 20, 21 UmwStG) , soweit aus diesem Vorgang eine Veränderung der Beteiligungsquoten resultiert oder

  • den Erwerb eigener Anteile, der mit einer Änderung der Beteiligungsquoten der Gesellschafter einhergeht

  • den Erwerb von Genussrechten i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG oder

  • Stimmrechtsvereinbarungen, -bindungen oder -verzichte.

Diskutiert wird derzeit, ob ein schädlicher Beteiligungswechsel auch dann vorliegt, wenn im fünfjährigen Beobachtungszeitraum durchgehend dieselbe Person Mehrheitsgesellschafter der Körperschaft war.

Die Änderung der Gesellschafterstruktur kann sich dabei nicht nur aus eine Änderung der kapitalmäßigen Beteiligung, sondern auch durch eine bloße Veränderung der Mitgliedschaftsrechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an der Körperschaft ergeben, so dass nunmehr auch Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften oder Vereine von einer Verlustabzugsbeschränkung erfasst werden können.

Eine Unterscheidung zwischen Übertragungen innerhalb oder außerhalb eines Konzerns erfolgte ursprünglich nicht. Nach einer durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom erfolgten Gesetzesänderung ist ein schädlicher Beteiligungserwerb nicht anzunehmen, wenn an dem übertragenden wie dem übernehmenden Rechtsträger „dieselbe Person” zu jeweils 100 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist (sog. Konzernklausel § 8c Abs. 1 S. 5 KStG). Durch das Steueränderungsgesetz 2015 ist diese Konzernklausel auf Konstellationen erweitert worden, in denen die Konzernspitze selbst Veräußerin oder Erwerberin der Anteile ist. Besteht die Spitze eines Konzerns aus einer Personenhandelsgesellschaft – also einer OHG (§§ 105 ff. HGB), einer KG (§§ 161 ff. HGB) oder einer GmbH & Co. KG bzw. einem vergleichbaren Rechtsträger ausländischen Rechts – ist die Konzernklausel auf dieser Ebene nur anwendbar, wenn die Beteiligungen am übertragenden und/oder übernehmenden Rechtsträger im Gesamthandsvermögen der Gesellschaft gehalten werden (BT-Drucks. 18/4902 S. 47).

Hinsichtlich des Zeitpunkts des Beteiligungserwerbs oder des Eintritts eines diesem gleichgestellten Sachverhalts ist auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen.

Der schädliche Anteilserwerb muss durch einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen bzw. eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen (§ 8c Abs. 3 KStG) erfolgen.

Für die Annahme des Bestehens einer Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen reichen Absprachen, die sich lediglich auf den Anteilserwerb "als solchen" beziehen und allenfalls einen zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang (z. B. mit Blick auf die Preisfindung, auf das Bewahren eines bisher vorliegenden Verhältnisses im Anteilsbesitz) der verschiedenen Erwerbsakte begründen, nicht aus. Nach Ansicht des ) ist weiter Voraussetzung, dass Belege dafür vorliegen, dass die Erwerber gemeinsam – etwa durch Stimmbindungsverträge etc. – die Gesellschaft beherrschen wollen.

2. „Stille-Reserven-Klausel” (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG)

Trotz schädlicher Anteilsübertragungen bleiben der Körperschaft in Höhe der stillen Reserven des inländischen Betriebsvermögens ihre Verlustvorträge erhalten (§ 8c Abs. 1 S. 6 und 7 KStG ). Die Ermittlung der stillen Reserven erfolgte zunächst durch Gegenüberstellung des (anteiligen) steuerlichen Eigenkapitals der Körperschaft (Vergleichsgröße I) und des hierauf entfallenden gemeinen Werts der Anteile (Vergleichsgröße II). Dabei ist das steuerliche Eigenkapital bei schädlichen Anteilserwerben nach dem nicht mehr dem gemeinen Wert der Anteile der Körperschaft, sondern dem gemeinen Wert der Wirtschaftsgüter ihres Betriebsvermögens gegenüberzustellen (§ 8c Abs. 1 S. 8 KStG). In die Vergleichsrechnung sind nur die im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven mit einzubeziehen. Damit bleiben stille Reserven aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, bei denen der Gewinn aus einer Veräußerung im Inland nicht steuerpflichtig wäre, unberücksichtigt. Entsprechendes soll nach Verwaltungsauffassung auch für stille Reserven in den Wirtschaftsgütern einer Organgesellschaft auf der Ebene des Organträgers gelten.

Der GmbH steht ein Wahlrecht zwischen Anwendung der "Stille-Reserven-Klausel und der Anwendung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG zu..

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