Zur Auslegung von Art. 178 Abs. 1 Buchst. a, Art. 226 Abs. 1 Nr. 6, Art. 242 in Verbindung mit Art. 63 und Art. 273 MwStSystRL - Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug und die dafür zulässigen Nachweispflichten eines Steuerpflichtigen in Fällen, in denen offenbar nicht ermittelt werden kann, ob bestimmte Leistungen tatsächlich erbracht wurden und von wem diese Leistungen erbracht wurden
Leitsatz
1. Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in dem Sinne auszulegen, dass sie ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer abzieht, die in den von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist, wenn die Leistung zwar erbracht worden ist, sich aber herausstellt, dass sie nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden ist, insbesondere weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert wurden oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich diese Umstände den Tatbestand eines betrügerischen Verhaltens erfüllen und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in diesen Betrug einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Wenn die nationalen Gerichte verpflichtet oder berechtigt sind, die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer zwingenden Regel des nationalen Rechts ergeben, von Amts wegen aufzugreifen, müssen sie dies mit Bezug auf eine zwingende Regel des Unionsrechts wie diejenige tun, die von den nationalen Behörden und Gerichten verlangt, den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Bei der Prüfung des betrügerischen oder missbräuchlichen Charakters der Geltendmachung des Abzugsrechts haben diese Gerichte das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie 2006/112 auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen; dies verlangt, dass sie unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der in diesem anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt.
3. Die Richtlinie 2006/112 ist, soweit sie insbesondere - in Art. 242 - verlangt, dass jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen führt, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen, in dem Sinne auszulegen, dass sie dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verwehrt, innerhalb der in Art. 273 der Richtlinie vorgesehenen Grenzen von jedem Steuerpflichtigen zu verlangen, dass er dabei sämtliche mit den internationalen Rechnungslegungsstandards vereinbaren nationalen Rechnungslegungsvorschriften befolgt, vorausgesetzt, die insoweit erlassenen Maßnahmen gehen nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, erforderlich ist. In diesem Zusammenhang steht die Richtlinie 2006/112 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, wonach eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge aus ihr erfüllt sind.
Instanzenzug: Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) - ,
Entscheidungsgründe:
1Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63, Art. 178 Abs. 1 Buchst. a, Art. 226 Abs. 1 Nr. 6, Art. 242 und Art. 273 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).
2Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Maks Pen EOOD (im Folgenden: Maks Pen) und dem Direktor na Direktsia "Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" Sofia (Direktor der Direktion "Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis"), vormals Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" Sofia (Direktor der Direktion "Anfechtung und Vollzugsverwaltung" Sofia bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen), wegen der Versagung des Abzugs der Mehrwertsteuer in Bezug auf Rechnungen, die bestimmte Erbringer von Dienstleistungen an Maks Pen ausgestellt haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3Art. 62 der Richtlinie 2006/112 lautet:
"Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt
(1) als 'Steuertatbestand' der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
(2) als 'Steueranspruch' der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann."
4Art. 63 der Richtlinie bestimmt:
"Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird."
5In Art. 167 der Richtlinie heißt es:
"Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht."
6Art. 168 dieser Richtlinie sieht vor:
"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
..."
7In Art. 178 der Richtlinie 2006/112 heißt es:
"Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:
a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und [das] Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen;
..."
8Art. 220 Nr. 1 in Kapitel 3 ("Erteilung von Rechnungen") des Titels XI der Richtlinie 2006/112 sieht vor, dass jeder Steuerpflichtige eine Rechnung entweder selbst ausstellt oder dafür Sorge trägt, dass eine Rechnung vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder in seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten ausgestellt wird, wenn er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt.
9Art. 226 der Richtlinie 2006/112 nennt die Angaben, die unbeschadet der in der Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen als einzige in den gemäß den Art. 220 und 221 ausgestellten Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke enthalten sein müssen.
10Art. 242 der Richtlinie 2006/112 hat folgenden Wortlaut:
"Jeder Steuerpflichtige hat Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen."
11Art. 273 dieser Richtlinie bestimmt:
"Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.
Die Möglichkeit nach Absatz 1 darf nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den in Kapitel 3 genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen."
Bulgarisches Recht
12Gemäß Art. 70 Abs. 5 des Mehrwertsteuergesetzes (Zakon za danak varhu dobavenata stoynost, im Folgenden: ZDDS) besteht im Fall zu Unrecht erhobener Mehrwertsteuer kein Recht auf Vorsteuerabzug.
13Art. 12 ("Zeitpunkt des Eintretens des Steuertatbestands bei Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen") der Verordnung zur Durchführung des ZDDS in seiner auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt in Abs. 1:
"... die Dienstleistung gilt zu dem Zeitpunkt als im Sinne des Gesetzes 'erbracht', zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge hieraus gemäß dem Buchführungsgesetz und den anwendbaren Rechnungslegungsstandards erfüllt sind."
14Art. 160 Abs. 1, 2 und 5 der Steuer- und Sozialversicherungsverfahrensordnung (Danachno-osiguritelen protsesualen kodeks) sieht vor:
"(1) Das Gericht entscheidet über die Begründetheit der Klage und kann den Steuerprüfungsbescheid ganz oder teilweise aufheben, ihn im angefochtenen Teil abändern oder die Klage abweisen.
(2) Das Gericht prüft Rechtmäßigkeit und Begründetheit des Steuerprüfungsbescheids, indem es überprüft, ob er von einer zuständigen Behörde in der erforderlichen Form unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften und der materiell-rechtlichen Bestimmungen erlassen worden ist.
...
(5) Durch die Entscheidung des Gerichts darf ein Steuerprüfungsbescheid nicht zum Nachteil des Klägers abgeändert werden."
15Art. 17 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (Grazhdanski protsesualen kodeks) bestimmt:
"Das Gericht befindet über alle für die Entscheidung der Sache erheblichen Fragen mit Ausnahme der Frage, ob eine Straftat begangen worden ist."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
16Maks Pen ist eine Gesellschaft bulgarischen Rechts, deren Tätigkeit der Großhandel mit Büro- und Werbematerialien ist.
17Die Steuerprüfung, der Maks Pen für den Steuerzeitraum vom bis unterzogen wurde, warf bei der Steuerverwaltung die Frage nach der Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs auf, der hinsichtlich der in den Rechnungen von sieben ihrer Lieferer ausgewiesenen Steuer vorgenommen worden war.
18Für einige dieser Lieferer oder für ihre Subunternehmer konnten die Auskünfte, die von ihnen im Verlauf der Steuerprüfung verlangt wurden, nicht beweisen, dass sie die erforderlichen Mittel besaßen, um die in Rechnung gestellten Leistungen zu erbringen. Da die Steuerverwaltung der Auffassung war, dass die tatsächliche Bewirkung der Umsätze einiger Subunternehmer nicht nachgewiesen sei oder dass die Umsätze nicht von den in den Rechnungen ausgewiesenen Leistenden bewirkt worden seien, erließ sie einen Steuerprüfungsbescheid, mit dem die Abzugsfähigkeit der in den Rechnungen dieser sieben Unternehmen ausgewiesenen Mehrwertsteuer verneint wurde.
19Maks Pen focht diesen Steuerprüfungsbescheid beim Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" Sofia und anschließend beim vorlegenden Gericht an. Sie machte geltend, dass sie im Besitz von ordnungsgemäßen Rechnungen und Vertragsunterlagen sei, dass die Rechnungen im Bankverkehr bezahlt worden seien, dass sie in die Buchführung der Leistenden eingetragen seien, dass somit der Nachweis der tatsächlichen Bewirkung der fraglichen Leistungen geführt sei und dass im Übrigen nicht bestritten werde, dass sie selbst die diesen Leistungen nachfolgenden Lieferungen bewirkt habe.
20Die Steuerverwaltung machte geltend, dass der Besitz ordnungsgemäßer Rechnungen nicht ausreiche, um das Vorsteuerabzugsrecht zu begründen, insbesondere da die zur Stützung der Rechnungen der Leistenden vorgelegten privaten Dokumente kein glaubhaftes Datum hätten und nicht beweiskräftig seien und da die Subunternehmer weder die Arbeitnehmer, die sie herangezogen hätten, noch die erbrachten Dienstleistungen deklariert hätten. Vor dem vorlegenden Gericht führte die Steuerverwaltung neue Tatsachen an, indem sie zum einen die Echtheit der Unterschrift der Vertreter von zwei der Lieferer in Frage stellte und zum anderen hervorhob, dass einer von ihnen die Rechnungen eines der Subunternehmer, die er beauftragt habe, weder in seine Buchführung noch in seine Steuererklärungen aufgenommen habe. Zwar seien die in Rechnung gestellten Dienstleistungen an Maks Pen erbracht worden, sie seien aber nicht von den in diesen Rechnungen angegebenen Leistenden erbracht worden.
21Vor diesem Hintergrund hat der Administrativen sad Sofia-grad beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind nach dem Unionsrecht tatsächliche Umstände als auf "Steuerhinterziehung" für die Zwecke des Vorsteuerabzugs bezogen zu behandeln, bei denen der in der Rechnung angegebene Leistende oder sein Subunternehmer nicht über das Personal, die Sachmittel und die Vermögenswerte verfügt, die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlich wären, die Kosten für das tatsächliche Erbringen der Leistung nicht dokumentiert und keine solchen Kosten in seiner Buchführung aufgeführt sind sowie unechte Dokumente, was die Ausstellereigenschaft der Personen betrifft, die sie im Namen des Leistenden unterzeichnet haben, in Gestalt eines Vertrags und eines Annahme- und Übergabeprotokolls erstellt wurden, die als Beweis für die geschuldeten gegenseitigen Leistungen und für das Erbringen der Dienstleistung, über die eine Mehrwertsteuerrechnung ausgestellt und für die das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt wurde, vorgelegt wurden?
2. Folgt aus der sich aus dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Verpflichtung des Gerichts zur Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Fall einer Steuerhinterziehung auch die Pflicht des nationalen Gerichts, das Vorliegen einer Steuerhinterziehung unter den Umständen des Ausgangsverfahrens von Amts wegen festzustellen, indem es unter Berücksichtigung der Verpflichtung des Gerichts nach dem nationalen Recht, den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, das Verbot der Schlechterstellung der Klägerin zu beachten und die Grundsätze des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und der Rechtssicherheit zu beachten sowie die einschlägigen Rechtsvorschriften von Amts wegen anzuwenden, erstmals vor dem Gericht geltend gemachtes neues Tatsachenvorbringen würdigt und alle Beweise, darunter solche, die sich auf Scheingeschäfte, unechte Dokumente und Dokumente mit unrichtigem Inhalt beziehen, würdigt?
3. Folgt aus Art. 178 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 im Hinblick auf die Verpflichtung des Gerichts, das Recht auf Vorsteuerabzug im Fall von Steuerhinterziehung zu versagen, dass für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug die Dienstleistung tatsächlich von dem in der Rechnung angegebenen Leistenden oder seinem Subunternehmer erbracht worden sein muss?
4. Bedeutet das in Art. 242 der Richtlinie 2006/112 aufgestellte Erfordernis des Führens von ausführlichen Aufzeichnungen für die Zwecke der Kontrolle des Rechts auf Vorsteuerabzug, dass auch die entsprechende nationale Rechnungslegungsgesetzgebung des Mitgliedstaats, die die Übereinstimmung mit den internationalen Rechnungslegungsstandards des Unionsrechts vorsieht, befolgt werden muss, oder bedeutet es nur, dass die in dieser Richtlinie festgelegten Dokumente zur Rechnungslegung über die Mehrwertsteuer - Rechnungen, Mehrwertsteuererklärungen und zusammenfassende Meldungen - zu führen sind?
Sollte die zweite Fallvariante zutreffen, wäre auch folgende Frage zu beantworten:
Folgt angesichts der Anforderung nach Art. 226 Abs. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112, wonach die Rechnungen "Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen" enthalten müssen, dass die Rechnungen oder ein in Zusammenhang mit ihnen ausgestelltes Dokument im Fall von Dienstleistungen Angaben über das tatsächliche Erbringen der Dienstleistung - objektive Umstände, die überprüft werden können, sowohl als Beweis dafür, dass die Dienstleistung tatsächlich erbracht worden ist, als auch als Beweis dafür, dass sie von dem in der Rechnung angegebenen Leistenden erbracht worden ist - enthalten müssen?
5. Ist das in Art. 242 der Richtlinie 2006/112 aufgestellte Erfordernis des Führens von ausführlichen Aufzeichnungen für die Zwecke der Kontrolle des Rechts auf Vorsteuerabzug in Verbindung mit Art. 63 und Art. 273 dieser Richtlinie so auszulegen, dass es einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, wonach eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge aus ihr gemäß der anwendbaren Rechnungslegungsgesetzgebung erfüllt sind, die die Übereinstimmung mit den internationalen Rechnungslegungsstandards des Unionsrechts und den Grundsätzen des buchmäßigen Nachweises von geschäftlichen Vorgängen, des Vorrangs des Inhalts vor der Form sowie der Vergleichbarkeit von Erträgen und Kosten vorsieht?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur dritten Frage
22Mit der ersten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2006/112 in dem Sinne auszulegen ist, dass sie ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer abzieht, die in den von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist, wenn die Leistung zwar erbracht worden ist, sich aber herausstellt, dass sie nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden ist, weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert wurden und die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen hat.
23Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für die von ihnen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde, ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (vgl. Urteil vom , Bonik, C-285/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24Hierzu hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass das in den Art. 167 ff. der Richtlinie 2006/112 geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Insbesondere kann dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (vgl. Urteil Bonik, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25Nach dem Wortlaut von Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 setzt das Recht auf Vorsteuerabzug voraus, dass der Betreffende Steuerpflichtiger im Sinne dieser Richtlinie ist und dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht worden sind (vgl. Urteil Bonik, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Vorteil des Vorsteuerabzugs folglich grundsätzlich nicht versagt werden.
26Dies vorausgeschickt ist daran zu erinnern, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist. Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. Urteil Bonik, Rn. 35 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn ein Steuerpflichtiger wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Er ist dann für die Zwecke der Richtlinie 2006/112 als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt (vgl. Urteil Bonik, Rn. 38 und 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
28Daher kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur unter der Voraussetzung versagt werden, dass aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieser Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert oder die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb dieser Gegenstände oder der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer bzw. vom Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (vgl. Urteil Bonik, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29Da die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug eine Ausnahme vom Grundprinzip ist, das dieses Recht darstellt, obliegt es den zuständigen Steuerbehörden, die objektiven Umstände, auf die sich die vorstehende Randnummer des vorliegenden Urteils bezieht, rechtlich hinreichend nachzuweisen. Anschließend müssen die nationalen Gerichte prüfen, ob die betreffenden Steuerbehörden das Vorliegen solcher objektiven Umstände nachgewiesen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Bonik, Rn. 43 und 44).
30In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nicht befugt ist, den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu überprüfen oder zu würdigen. Im Ausgangsverfahren ist es daher Sache des nationalen Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um anhand der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände festzustellen, ob Maks Pen wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in eine von ihren Leistenden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
31Dabei würde allein der Umstand, dass die im Ausgangsverfahren an Maks Pen erbrachte Leistung nicht tatsächlich von dem in den Rechnungen angegebenen Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden sein soll, weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügt hätten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert worden seien oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet hätten, sich als falsch erwiesen habe, für sich genommen nicht ausreichen, um das Abzugsrecht auszuschließen, das Maks Pen geltend gemacht hat.
32Unter diesen Umständen ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2006/112 in dem Sinne auszulegen ist, dass sie ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer abzieht, die in den von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist, wenn die Leistung zwar erbracht worden ist, sich aber herausstellt, dass sie nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden ist, insbesondere weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert wurden oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich diese Umstände den Tatbestand eines betrügerischen Verhaltens erfüllen und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in diesen Betrug einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Zur zweiten Frage
33Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht verlangt, dass das Gericht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens das Vorliegen einer Steuerhinterziehung von Amts wegen auf der Grundlage eines erstmals vor ihm von den Steuerbehörden geltend gemachten neuen Tatsachenvorbringens und sämtlicher Beweise prüft, auch wenn es mit einer solchen Prüfung gegen seine Verpflichtungen aus dem geltenden nationalen Recht verstieße.
34Wie in Rn. 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verlangt das Unionsrecht von den nationalen Behörden und Gerichten, den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Im Übrigen muss das nationale Gericht, auch wenn das Unionsrecht von den Parteien nicht geltend gemacht wird, die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer zwingenden Vorschrift des Unionsrechts ergeben, von Amts wegen aufgreifen, wenn die nationalen Gerichte nach dem nationalen Recht verpflichtet oder berechtigt sind, dies im Fall einer zwingenden Vorschrift des nationalen Rechts zu tun (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kempter, C-2/06, Slg. 2008, I-411, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35Falls also das vorlegende Gericht entsprechend seinen Ausführungen in Rn. 72 des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 160 Abs. 2 der Steuer- und Sozialversicherungsordnung verpflichtet ist, festzustellen, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, wenn es von Amts wegen prüft, ob der Steuerprüfungsbescheid, mit dem die Zulässigkeit des vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Abzugs der Mehrwertsteuer verneint wird, mit dem nationalen Recht vereinbar ist, muss es im Einklang mit dem in der Richtlinie 2006/112 festgelegten Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen auch das in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführte unionsrechtliche Erfordernis von Amts wegen aufgreifen.
36Dabei ist zu beachten, dass das nationale Gericht das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinie auslegen muss, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen; dies verlangt, dass es unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der in diesem anerkannten Auslegungsmethoden alles tut, was in seiner Zuständigkeit liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Adeneler u. a., C-212/04, Slg. 2006, I-6057, Rn. 111). Das vorlegende Gericht hat also zu prüfen, ob sich die Regeln des nationalen Rechts, die es anführt und die seiner Ansicht nach gegen die Erfordernisse des Unionsrechts verstoßen könnten, im Einklang mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, das die Grundlage dieser Erfordernisse bildet, auslegen lassen.
37In diesem Zusammenhang trifft zwar zu, dass das Unionsrecht das nationale Gericht nicht verpflichten kann, von Amts wegen eine Vorschrift dieses Rechts anzuwenden, wenn eine solche Anwendung zur Folge hätte, dass der in seinem nationalen Verfahrensrecht niedergelegte Grundsatz des Verbots der reformatio in peius durchbrochen wird (Urteil vom , Heemskerk und Schaap, C-455/06, Slg. 2008, I-8763, Rn. 46). Es ist aber jedenfalls nicht ersichtlich, dass dieses Verbot in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens, der seit seinem Beginn das Recht auf Abzug der in einer Anzahl bestimmter Rechnungen ausgewiesenen Mehrwertsteuer betrifft, auf ein neues Tatsachenvorbringen der Steuerverwaltung im Gerichtsverfahren angewandt werden könnte, das sich auf dieselben Rechnungen bezieht und bei dem nicht davon auszugehen ist, dass es die Situation des Steuerpflichtigen, der sich auf das Abzugsrecht beruft, verschlechtert.
38Selbst wenn eine Vorschrift des nationalen Rechts die Steuerhinterziehung als Straftat einordnete und die entsprechende Feststellung allein vom Strafrichter getroffen werden könnte, wäre nicht ersichtlich, dass das Gericht, das die Rechtmäßigkeit eines Steuerprüfungsbescheids zu prüfen hat, mit dem die Zulässigkeit des von einem Steuerpflichtigen vorgenommenen Abzugs der Mehrwertsteuer verneint wird, durch eine solche Vorschrift daran gehindert ist, sich auf die objektiven Umstände zu stützen, die die Steuerverwaltung vorträgt, um im konkreten Fall eine Steuerhinterziehung zu beweisen, wenn nach einer anderen Bestimmung des nationalen Rechts wie Art. 70 Abs. 5 ZDDS eine "zu Unrecht erhobene" Mehrwertsteuer nicht abgezogen werden darf.
39Unter diesen Umständen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die nationalen Gerichte, wenn sie verpflichtet oder berechtigt sind, die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer zwingenden Regel des nationalen Rechts ergeben, von Amts wegen aufzugreifen, dies mit Bezug auf eine zwingende Regel des Unionsrechts wie diejenige tun müssen, die von den nationalen Behörden und Gerichten verlangt, den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Bei der Prüfung des betrügerischen oder missbräuchlichen Charakters der Geltendmachung des Abzugsrechts haben diese Gerichte das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie 2006/112 auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen; dies verlangt, dass sie unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der in diesem anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt.
Zur vierten und zur fünften Frage
40Mit seiner vierten und seiner fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2006/112, soweit sie insbesondere - in Art. 242 - verlangt, dass jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen führt, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen, in dem Sinne auszulegen ist, dass sie dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verwehrt, von jedem Steuerpflichtigen zu verlangen, dass er dabei sämtliche mit den internationalen Rechnungslegungsstandards vereinbaren nationalen Rechnungslegungsvorschriften befolgt, und zwar einschließlich einer nationalen Vorschrift, wonach eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge aus ihr erfüllt sind.
41Im Rahmen des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sind die Mitgliedstaaten gehalten, die Beachtung der Verpflichtungen sicherzustellen, denen die Steuerpflichtigen unterliegen. Sie verfügen insoweit insbesondere hinsichtlich der Art des Einsatzes der ihnen zu Gebote stehenden Mittel über einen gewissen Spielraum. Art. 242 der Richtlinie 2006/112 sieht als eine dieser Verpflichtungen insbesondere vor, dass jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen zu führen hat, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und die Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Profaktor Kulesza, Frankowski, Józwiak, Orlowski, C-188/09, Slg. 2010, I-7639, Rn. 22 und 23).
42Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 273 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden. Diese Möglichkeit, von der nur unter dem Vorbehalt Gebrauch gemacht werden darf, dass der Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt wird, darf nach Art. 273 Abs. 2 auch nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den in der Richtlinie genannten Pflichten weitere Pflichten aufzuerlegen.
43Ferner kann diese Möglichkeit die Mitgliedstaaten auch nicht ermächtigen, Maßnahmen zu erlassen, die über das hinausgehen, was zur Erreichung der Ziele, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, erforderlich ist (Urteil Profaktor Kulesza, Frankowski, Józwiak, Orlowski, Rn. 26).
44Sofern sie diese Grenzen einhalten, steht das Unionsrecht zusätzlichen nationalen Rechnungslegungsvorschriften nicht entgegen, die unter Bezugnahme auf die in der Union unter den Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. L 243, S. 1) anwendbaren internationalen Rechnungslegungsstandards erlassen werden.
45Zur Frage, ob diese nationalen Rechnungslegungsvorschriften vorsehen dürfen, dass eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge aus ihr erfüllt sind, ist festzustellen, dass diese Vorschrift zur Folge hätte, dass der Anspruch auf die Mehrwertsteuer für eine solche Leistung erst zu dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die vom Leistenden oder seinem Subunternehmer aufgewandten Kosten in die Buchführung dieser Wirtschaftsteilnehmer aufgenommen worden sind.
46Nach Art. 167 der Richtlinie 2006/112 entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug jedoch, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, und nach Art. 63 dieser Richtlinie tritt der Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Dienstleistung erbracht wird. Vorbehaltlich der in den Art. 64 und 65 der Richtlinie genannten Sonderfälle, um die es im Ausgangsverfahren nicht geht, kann daher der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf die Steuer entsteht und diese folglich vom Steuerpflichtigen abgezogen werden kann, nicht allgemein durch die Erfüllung von Förmlichkeiten - wie die Aufnahme der Kosten, die die Leistenden für die Erbringung ihrer Dienstleistungen aufgewandt haben, in ihre Buchführung - bestimmt werden.
47Im Übrigen kann eine etwaige Nichtbeachtung bestimmter buchführungsrechtlicher Erfordernisse durch den Dienstleistungserbringer das Abzugsrecht des Empfängers der erbrachten Dienstleistungen in Bezug auf die dafür entrichtete Mehrwertsteuer nicht in Frage stellen, wenn die Rechnungen über die erbrachten Dienstleistungen alle nach Art. 226 der Richtlinie 2006/112 vorgeschriebenen Angaben enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Tóth, C-324/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 32).
48Nach alledem ist auf die vierte und die fünfte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2006/112, soweit sie insbesondere - in Art. 242 - verlangt, dass jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen führt, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen, in dem Sinne auszulegen ist, dass sie dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verwehrt, innerhalb der in Art. 273 der Richtlinie vorgesehenen Grenzen von jedem Steuerpflichtigen zu verlangen, dass er dabei sämtliche mit den internationalen Rechnungslegungsstandards vereinbaren nationalen Rechnungslegungsvorschriften befolgt, vorausgesetzt, die insoweit erlassenen Maßnahmen gehen nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, erforderlich ist. In diesem Zusammenhang steht die Richtlinie 2006/112 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, wonach eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge aus ihr erfüllt sind.
Kosten
49Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in dem Sinne auszulegen, dass sie ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer abzieht, die in den von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist, wenn die Leistung zwar erbracht worden ist, sich aber herausstellt, dass sie nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden ist, insbesondere weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert wurden oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich diese Umstände den Tatbestand eines betrügerischen Verhaltens erfüllen und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in diesen Betrug einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Wenn die nationalen Gerichte verpflichtet oder berechtigt sind, die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer zwingenden Regel des nationalen Rechts ergeben, von Amts wegen aufzugreifen, müssen sie dies mit Bezug auf eine zwingende Regel des Unionsrechts wie diejenige tun, die von den nationalen Behörden und Gerichten verlangt, den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Bei der Prüfung des betrügerischen oder missbräuchlichen Charakters der Geltendmachung des Abzugsrechts haben diese Gerichte das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie 2006/112 auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen; dies verlangt, dass sie unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der in diesem anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt.
3. Die Richtlinie 2006/112 ist, soweit sie insbesondere - in Art. 242 - verlangt, dass jeder Steuerpflichtige Aufzeichnungen führt, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen, in dem Sinne auszulegen, dass sie dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verwehrt, innerhalb der in Art. 273 der Richtlinie vorgesehenen Grenzen von jedem Steuerpflichtigen zu verlangen, dass er dabei sämtliche mit den internationalen Rechnungslegungsstandards vereinbaren nationalen Rechnungslegungsvorschriften befolgt, vorausgesetzt, die insoweit erlassenen Maßnahmen gehen nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, erforderlich ist. In diesem Zusammenhang steht die Richtlinie 2006/112 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, wonach eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge aus ihr erfüllt sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAE-56219